# taz.de -- Wettmafia im italienischen Fussball: „Wir machen das Spiel“ | |
> Der festgenommene Andrea Masiello war wohl nicht allein: Fünf weitere | |
> Ex-Profis des abgestiegenen AS Bari stehen im Verdacht, Spiele der Serie | |
> A verschoben zu haben. | |
Bild: Soll Dreh- und Angelpunkt des Betrugsrings in Apulien sein: Abwehrspieler… | |
NEAPEL taz | Saisonende ist nicht gleich Saisonende. Während sich zwölf | |
Spieltage vor der finalen Entscheidung in der Serie A der | |
Meisterschaftskampf zwischen dem AC Mailand und Juventus Turin wieder | |
zuspitzt (nur zwei Punkte Differenz), wird in Süditalien das Saisonende | |
2010/11 umgeschrieben. Auslöser sind Wettbetrugsaktivitäten in den neun | |
letzten Spielen des Serie-A-Absteigers AS Bari. | |
Für jede dieser Begegnungen liegen der Antimafia-Staatsanwaltschaft so | |
gravierende Erkenntnisse vor, dass sie drei Personen verhaftete und weitere | |
17 vorgeladen hat. Im Mittelpunkt steht Andrea Masiello. Der Verteidiger, | |
einst Spieler bei Juventus Turin, in der letzten Saison in Bari und ab | |
Sommer 2011 beim Erstliga-Aufsteiger Atalanta Bergamo unter Vertrag, soll | |
Dreh- und Angelpunkt des Betrugsrings in Apulien sein. | |
Christian Ilievski, einer der noch flüchtigen illegalen Broker im | |
Zusammenhang mit dem italienischen Betrugsskandal, beschrieb Masiello als | |
verlässlichen Informanten. „Er ist einer, der wusste, was er wollte, und | |
wusste, was seine Pflichten waren“, erzählte er italienischen Journalisten, | |
die ihn im März in seinem Versteck in Mazedonien besuchten. | |
## Mutterseelenallein ins eigene Tor | |
„Er hat mich angerufen, mir gesagt: ’Wir machen das Spiel. Bring das Geld.�… | |
Ich bin dann nach Bari mit 300.000 Euro gefahren. Wie bei uns üblich, | |
verlangte ich, die Spieler zu treffen“, erinnerte sich Ilievski. Dabei | |
bemerkte er, dass die Spieler vor Angst weiß wie Laken waren. Allein | |
Masiello habe die Sache vorangebracht. | |
Wie, das zeigte sich ganz augenfällig im Apulienderby gegen den US Lecce. | |
Beim Stande von 1:0 für die noch stark abstiegsbedrohten Gäste lief | |
Masiello in eine Flanke des Gegners und bugsierte mutterseelenallein im | |
Strafraum stehend den Ball ins eigene Tor zum vorentscheidenden 2:0. | |
Er hatte sich damit besagte 300.000 Euro, die pro Serie-A-Spiel als | |
Bestechungstarif festgesetzt waren, verdient. Das vermuten jedenfalls die | |
Staatsanwaltschaft und auch jene Fans und Exspieler des AS Bari, die eine | |
Schadensersatzklage gegen Masiello eingereicht haben. | |
## Gemeinsame Sache mit dem Mafia-Clan | |
Mit Masiello stehen mindestens fünf weitere frühere Bari-Profis unter | |
Verdacht: Alessandro Parisi (aktuell beim Zweitligaklub FC Turin), Simone | |
Bentivoglio (jetzt Padua), Marco Rossi (zum Serie-A-Klub Cesena | |
gewechselt), Abdelkader Ghezzal (nach Levante in die Primera Division | |
verliehen) und Marco Esposito (gegenwärtig Pisa). | |
Den Spielern wird auch vorgeworfen, gemeinsame Sache mit einem lokalen | |
Mafia-Clan gemacht zu haben. Nur aufgrund dieser Verwicklung waren | |
ursprünglich die Ermittlungen in Bari aufgenommen worden. Anhörungen von | |
Spielern von Bari durch die Staatsanwaltschaft Cremona, die die | |
Ermittlungen in der zentralen Operation „Last Bet“ leitet, brachten | |
Informationen über Streitigkeiten innerhalb der Mannschaft zwischen der | |
Wettergruppe und Spielern, die nicht in den Betrug verwickelt waren, aber | |
Unregelmäßigkeiten vermuteten, ans Licht. | |
Ab heute schaltet sich auch die Sportgerichtsbarkeit des italienischen | |
Verbands wieder in die Ermittlungen ein. Zu Anhörungen werden neben den | |
früheren Bari-Profis auch der ebenfalls verdächtigte Chievo-Torjäger Sergio | |
Pellissier und die Lazio-Profis Stefano Mauri und Christian Brocchi | |
aufgefordert. | |
## „Zu 100 Prozent Sculli“ | |
Letzteren wird vorgeworfen, den von den Wettpaten bestellten | |
1:1-Halbzeitstand gegen den CFC Genua herbeigeführt zu haben. Zu diesem | |
Spiel meinte Wettpate Ilievski nur: „Ihr habt doch gar nichts kapiert. | |
Lazio – Genua hat Sculli gemacht, nicht Mauri. Zu 100 Prozent Sculli mit | |
seinen Freunden aus Genua.“ | |
In Italien geht es gegenwärtig nicht mehr darum, ob überhaupt betrogen | |
wurde. Das scheint mittlerweile anhand vieler Indizien und Aussagen | |
Beteiligter klar. Die Frage ist allenfalls, wer betrogen hat, in welchem | |
Maße und wie erfolgreich er dabei war. | |
2 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
## TAGS | |
Wettbetrug | |
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