| # taz.de -- Ortskräfte aus Afghanistan: Deutschland will über 500 Afghan*inne… | |
| > In Pakistan warten noch immer ehemalige Ortskräfte des Auswärtigen Amtes | |
| > aus Afghanistan. Einigen von ihnen hat Dobrindt eine Aufnahmezusage | |
| > gegeben. | |
| Bild: Zuletzt waren im November Afghan*innen aus Pakistan wie hier im Bild nach… | |
| Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat zugesagt, rund 530 | |
| Afghan*innen, die in Pakistan festsitzen, noch in diesem Jahr nach | |
| Deutschland zu evakuieren. Unter ihnen sind vor allem | |
| Menschenrechtler*innen, aber auch [1][ehemalige Ortskräfte des Auswärtigen | |
| Amtes]. Gleichzeitig will die Bundesregierung aber Hunderte anderer | |
| Afghan*innen trotz Aufnahmezusagen den Taliban überlassen. | |
| Um zu verstehen, worum es bei Dobrindts Aussagen geht, muss man die | |
| Vorgeschichte verstehen. Es handelt sich um das klägliche Ende der | |
| deutschen Bemühungen, nach der Machtübernahme der Taliban solche Personen | |
| zu retten, die zuvor den deutschen Truppen im Land geholfen hatten oder | |
| sich für Menschenrechte und Demokratie eingesetzt hatten. | |
| Nachdem zunächst tatsächlich Tausende Ortskräfte und ihre Familien gerettet | |
| wurden, geriet die Evakuierung ab 2023 ins Stocken. Die Ampelkoalition gab | |
| zwar einer großen Zahl afghanischer Menschenrechtler*innen | |
| Aufnahmezusagen, verschleppte die Umsetzung aber anschließend, sodass die | |
| Menschen zu Tausenden im afghanischen Nachbarland Pakistan strandeten. | |
| Die neue schwarz-rote Bundesregierung erbte das Problem und kündigte prompt | |
| an, die Aufnahmezusagen zurückzunehmen. Das ist dem Bundesinnenministerium | |
| Dobrindts allerdings nur zum Teil gelungen. Insbesondere diejenigen, die | |
| über das sogenannte [2][Bundesaufnahmeprogramm] (BAP) Zusagen bekamen, | |
| konnten ihren Anspruch auf Einreise erfolgreich vor Gericht durchsetzen. | |
| Zuletzt kam am Dienstag ein Flieger mit rund 160 solcher Personen in | |
| Deutschland an. | |
| ## Rechtsverbindlicher Anspruch auf Evakuierung | |
| Dobrindt scheint nun erstmals einzugestehen, dass auch viele weitere | |
| Afghan*innen rechtsverbindlichen Anspruch auf Evakuierung haben. Er | |
| sprach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland von „aktuell rund 460 | |
| Personen, die sich im Bundesaufnahmeprogramm befinden, und 75 Personen, die | |
| sich im Ortskräfteprogramm befinden und sich derzeit in Pakistan | |
| aufhalten“. Dann der entscheidende Satz: „Das sind Personen, bei denen wir | |
| davon ausgehen, dass die Einreise nach Deutschland erfolgen wird.“ | |
| Gleichzeitig deckt sich Dobrindts Ankündigung aber nicht mit der Gesamtzahl | |
| der Personen im BAP, die noch in Pakistan ausharren. Diese liegt nach | |
| taz-Informationen um rund 230 höher, also bei etwa 690 Personen. | |
| Hintergrund könnten weiter laufende Versuche des Bundesinnenministeriums | |
| sein, die Aufnahmezusagen in einigen Fällen doch noch juristisch zu kippen. | |
| Auf eine taz-Anfrage dazu, wie sich die Differenz erkläre, teilte das | |
| Bundesinnenministerium lediglich mit, die von Dobrindt genannten Zahlen | |
| seien eine „Momentaufnahme“. | |
| Eva Beyer von der Organisation [3][Kabul Luftbrücke] sagte der taz am | |
| Donnerstag: „Dobrindts Ankündigung, rund 500 Afghan*innen aufzunehmen, | |
| ist kein Grund, sich zu freuen, solange Hunderte andere zurückgelassen | |
| werden.“ Dass noch nicht einmal alle derjenigen kommen sollen, die eine | |
| rechtssichere Aufnahmezusage über das BAP haben, sei „besonders zynisch“. | |
| Außerdem ist unklar, ob sich alle der rund 460 Personen, von denen Dobrindt | |
| sprach, überhaupt noch in Pakistan befinden. Denn das Land will die | |
| Afghan*innen dringend loswerden. Im Spätsommer schob die Regierung in | |
| Islamabad deshalb rund 40 Personen mit deutscher Aufnahmezusage ab. Sie | |
| sitzen seitdem in einem von Deutschland betriebenen Safehaus innerhalb | |
| Afghanistans fest, ständig bedroht von den Taliban. | |
| ## Vielen weiteren Geflüchteten droht Abschiebung nach Pakistan | |
| Die Abschiebung – und damit potenziell Folter und Tod – droht aber auch | |
| noch Hunderten weiteren Gestrandeten, die über andere Mechanismen als das | |
| BAP separate Aufnahmezusagen bekommen haben. Mindestens 640 von diesen | |
| Menschen entzog das Bundesinnenministerium in den vergangenen Wochen die | |
| Zusagen, sie sind bei Dobrindts jüngsten Aussagen explizit nicht | |
| mitgemeint. Anders als beim BAP sind ihre Chancen gering, die Entziehung | |
| der Aufnahmezusagen vor Gericht anzufechten. | |
| Zuletzt hatte die Tagesschau berichtet, die Bundesregierung gebe womöglich | |
| Informationen über entzogene Zusagen an pakistanische Stellen weiter, damit | |
| diese Abschiebungen vorbereiten können. Das Auswärtige Amt streitet die | |
| Vorwürfe ab. | |
| Auch die von Dobrindt genannte Zahl an 75 zu evakuierenden Ortskräften | |
| entspricht nur einem Teil der afghanischen Helfer*innen, die einst | |
| Aufnahmezusagen bekamen. Rund 130 ehemaligen Helfer*innen und Familien | |
| wurden in den letzten Wochen die Zusagen entzogen. Wie genau die von | |
| Dobrindt genannten 75 Ortskräfte für die Evakuierung ausgewählt wurden, | |
| beantwortete das Innenministerium auf Anfrage der taz nicht. | |
| 18 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Afghanistan-Politik-der-Bundesregierung/!6135271 | |
| [2] /Gericht-zur-Aufnahme-von-Afghaninnen/!6135788 | |
| [3] /Protest-vor-dem-Auswaertigen-Amt/!6095397 | |
| ## AUTOREN | |
| Frederik Eikmanns | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Ortskräfte | |
| Geflüchtete | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Aufnahmeprogramm | |
| Social-Auswahl | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| Berlin | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Aufgenommene Afghanin: Endlich durchatmen | |
| Nach 3 Jahren Bangen ist die Frauenrechtlerin Shokria S. in Deutschland | |
| angekommen: Sie ist eine der Afghan:innen, die in Pakistan ausharrten. | |
| Klage von Afghanen: Eilanträge für Einreise nach Deutschland | |
| Die Bundesregierung will Aufnahmezusagen für Afghan:innen widerrufen. | |
| Jetzt klagen die ersten, die in Pakistan warten. Das Land will sie | |
| abschieben. | |
| Protest vor dem Auswärtigen Amt: Klagen gegen die Bundesregierung | |
| In Berlin haben Aktivisten die Bundesregierung an das Versprechen | |
| erinnert, gefährdete Afghanen aufzunehmen. Jetzt soll eine Klagewelle | |
| folgen. |