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# taz.de -- Jugendarbeit in Bayreuth: Gemeinsam auf einer Decke
> Die „Burg“ in Bayreuth gilt als „Problemviertel“. Um die Kinder und
> Jugendlichen dort zu erreichen, wurde ein Verein erfinderisch. Bringt das
> was?
Bild: Vollkommen offen: Zwei Picknickdecken dienen in Burg als Jugendzentrum. J…
Rein äußerlich ist Burg, der Stadtteil in der Nähe des Bayreuther
Hauptbahnhofs, eine familienfreundliche Idylle. Die Häuser sind nicht mehr
als sieben Stockwerke hoch, die Fassaden frisch gestrichen, dazwischen
weitläufige Rasenflächen. Doch trotzdem gilt Burg vielen in der Stadt als
„Problemviertel“. „Hier ist zu viel Druck im Kessel“, sagt Marco Marino.
Der Soziologe, gebürtiger Bayreuther, ist Inhaber einer
Personalvermittlungsfirma und Gründer des Vereins „Wundersam anders“, der
aus dem Bundes-Förderprogramm „Kultur macht stark“ gefördert wird. Es ist
ein klassisches Angebot der offenen Jugendarbeit, der Verein ist ein
Anlaufplatz, ein Treffpunkt.
Es gibt viele solcher „Problemviertel“ in Deutschland, und viel
Sozialarbeit, die versucht, sich der Schwierigkeiten dort anzunehmen. Doch
während andernorts Mitarbeitende in Jugendzentren vielfältiges Programm
anbieten können, fehlen in der Burg die Strukturen: Der Verein ist klein,
ein Jugendzentrum gibt es nicht. Was es aber gibt: engagierte
Ehrenamtliche, viele Ideen und viele Angebote. Reicht das, damit
Jugendarbeit gelingen kann? Und was braucht es wirklich, damit sie gelingt?
## Juni: Die Polizei in der Burg
An einem gnadenlos heißen Juninachmittag bekommen die Kinder der Burg
Besuch von der Polizei. Der zehnjährige Ahmed ist da, ebenso sein
14-jähriger Bruder Kheralla, die jüngste Schwester Selina, 8, die ältere
Schwester Lamis, 12, ihre gleichaltrige Freundin Lea und die etwas jüngere
Oana. Sie sollen lernen, Polizistinnen und Polizisten als Verbündete zu
sehen, die sie zu Hilfe holen können, wenn Unrecht passiert.
Zwei Jugendkontaktbeamtinnen lassen sich auf einer Picknickdecke nieder.
Mangels Alternativen bildet diese Decke auf dem großen Rasen den
Mittelpunkt der Jugendarbeit. In Zivil und in Socken, aber mit Waffe und
Handschellen am Gürtel versuchen die Polizistinnen, Nähe herzustellen, aber
der Weg ist weit. Die Kinder stellen Fragen. Was kann ich tun, wenn ich in
der Schule unfair behandelt werde? Was mache ich, wenn der Lehrer selbst
rassistisch ist? Was soll ich machen, wenn der Mann mit den Pfandflaschen
am Bolzplatz auf mich zugelaufen kommt? Habt ihr Bizeps?
„Ihr könnt jederzeit die Polizei anrufen“, betonen die Beamtinnen immer
wieder, aber die Kinder wundern sich, warum sie das tun sollen, nur weil
sich – wie sie erzählen – ein paar Teenager prügeln. „Wir wollen euch
abholen“, sagen die Beamtinnen, und meinen damit: „Wir wollen euch
unterstützen“. Aber den Kindern macht dieser Satz Angst.
Auch sonst läuft die Kommunikation nicht reibungslos: Dass Lamis sich
freut, weil sie erst zwölf und damit noch nicht strafmündig ist, finden die
Beamtinnen nicht lustig. „Was machst du denn?“, fragt die eine. „Darf ich
nicht sagen!“, sagt Lamis und grinst. Zuweilen ähnelt das Gespräch mehr
einer Gefährderansprache als einem Unterstützungsangebot; die Kinder spüren
das und werden misstrauisch. Die Beamtinnen allerdings gehen mit
geschärfter Aufmerksamkeit nach Hause. Eine von ihnen stellt zum Abschied
fest: „Ihr erlebt ganz schön viel Alltagsgewalt.“ – „Wir werden
angeschrien, wenn wir nur irgendwo sitzen“, erzählt eins der Kinder mit
größter Selbstverständlichkeit.
Damit diese Alltagsgewalt weniger wird, brauche es Begegnungsräume für die
Bewohner der Burg, die Erwachsenen und die Kinder, sagt Marco Marino. „Denn
wenn man sich nicht begegnet, sondern sich untereinander abschottet,
entstehen Vorurteile, und daraus entstehen Ängste.“ Anderswo in Bayreuth
habe man damit schon gute Erfahrungen gemacht; am Menzelplatz in der
Altstadt etwa.
Dort gibt es einen offenen Stadtteiltreff, einen Familientreff und ein
Jugendzentrum und daran angegliedert niederschwellige Sozialberatung.
Kochkurse für Kinder, Spieletreff mit Digitalsprechstunde für Senioren,
Yoga und Gymnastik für Frauen, Flüchtlingsberatung, präventive
Wohnungslosenhilfe, Beratung des Kinderschutzbunds: Das soziale Netz ist
eng am Menzelplatz.
[1][2023 wurde an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in
Hamburg eine Studie veröffentlicht, die die Bedeutung Offener Jugendarbeit
aus Sicht der Jugendlichen untersucht hat.] Als „Rückzugsort“, „Safe Pla…
oder „Ruheort“ haben die befragten Hamburger Jugendlichen ihren Treffpunkt,
ihren Begegnungsraum beschrieben.
In der Burg gibt es keinen Begegnungsraum, weder für die Erwachsenen noch
für die Kinder, obwohl Marino und sein Verein sich seit Jahren dafür
einsetzen. Das „Haus des Spiels“, offener Treff und Vereinszentrale, ist
eine Viertelstunde Fußweg von der Burg entfernt; von den Kindern hat kaum
eins die Erlaubnis, die Strecke allein zu laufen. Der Bolzplatz in der
Nähe, von den Kindern liebevoll „Bolzer“ genannt, ist näher, hat aber sei…
eigenen Tücken, die später noch eine Rolle spielen werden. Und die Wiesen
zwischen den Wohnblöcken der Burg täuschen nur vor, ein Ort für alle zu
sein.
„Wundersam anders“ schafft deshalb genau hier regelmäßig einen offenen
Begegnungsraum. Offen, weil die Kinder und Jugendlichen kommen und gehen
können, wann sie wollen – und weil er nur aus zwei Picknickdecken besteht,
sommers wie winters. Die Jugendarbeiterinnen bieten Spiele an, vor allem
aber hören sie zu.
Die 29-jährige Isa Wörner und ihre Kollegin Vanessa Jüttner, 27, sind den
Sommer über die Haupt-Ansprechpartnerinnen für die Kinder der Burg, und das
ist durchaus wörtlich zu nehmen: Während der drei Stunden, die sie dort
verbringen, werden sie von den Kindern komplett vereinnahmt. Geschichten
aus der Schule, Auseinandersetzungen in der Familie oder die Frage, ob man
ein [2][Labubu – das Plüschtier mit dem zahnbewehrten Grinsen] – braucht
oder nicht: Alles wird besprochen, oft auch alles gleichzeitig.
## Juli: In der Stadtbibliothek
Ab und zu verlassen die Jugendarbeiterinnen mit den Kindern die Burg und
organisieren einen Ausflug in die Innenstadt. Mit acht Mädchen und Jungs
besuchen Isa, Vanessa und ihre Kollegin Franziska Fröhlich heute die
Bayreuther Stadtbibliothek. Sie bekommen erklärt, wie sie sich etwas
ausleihen können und wo sie was finden. „Habt ihr noch Fragen?“, fragt die
Bibliothekarin am Ende ihres Vortrags. Ahmed hat zwei. „Wenn man zu Hause
Bücher hat, die man nicht mehr lesen will, kann man die hier abgeben und
bekommt Geld dafür?“ Und: „Wenn bei einem spannenden Buch die Schrift
richtig klein ist, aber man hat eine Leseschwäche – gibt es dafür extra
Bücher?“
Die Bibliothekarin hängt dieser Frage noch länger nach, denn die Antwort
ist Nein – bisher gibt es kaum Bücher für leseschwächere ältere Kinder.
Ahmeds Schwester Lamis interessiert weder der Vortrag noch die
anschließende Rallye; sie albert mit ihrer Freundin herum, verdrückt sich
aufs Klo und wirkt, als fühle sie sich fehl am Platz. Aber sie hat ihren
Bibliotheksausweis dabei. Zwei Bücher nimmt sie mit nach Hause: „Deutsch
Gymnasium 6. Klasse“ und „Kinder unterm Hakenkreuz“.
Die Angebote haben die Jugendlichen in der Hamburger Studie ebenfalls als
Grund genannt, warum sie die Jugendzentren besuchen: Kicker, Küche,
Musikinstrumente – vieles ist da und kann genutzt werden. In der Burg muss
alles Equipment für die Jugendarbeit in einen Autoanhänger passen und bei
jedem Treffen raus- und wieder zurückgeräumt werden. Trotzdem eröffnet
„Wundersam anders“ wie viele andere soziale Einrichtungen den Kindern
Möglichkeiten, die für viele von ihnen sonst außer Reichweite wären, indem
sie Projekte oder Ausflüge anbieten. Im Verein gehen die Meinungen, ob und
wie häufig das nötig ist, allerdings auseinander.
Isa lässt den Kindern gern viel unverplanten Freiraum. Sie und Vanessa
tendieren dazu, weniger zu agieren und mehr zu reagieren. Und darin sind
sie Meisterinnen. Sie sind vorbehaltlos einfach da für das, was die Kinder
und Jugendlichen gerade brauchen: Verständnis für das Unbehagen gegenüber
dem „weirden“ Englischlehrer, ein Lachen über die Idee, ihren Eltern die
SIM-Karten der Smartphones zu vertauschen, aber auch mal einen Exkurs zum
Kapitalismus, wenn es um vermeintliche Must-haves geht wie die angesagten,
aber teuren Jellycat-Kuscheltiere.
Isa und Vanessa urteilen nicht, sie erziehen nicht, sie nehmen die Kinder
ernst und sind mit ihnen solidarisch. Die Kinder lieben das. „Jedes Mal,
wenn ich nach Hause gehe, bin ich wirklich kaputt“, sagt Vanessa nach einem
der Nachmittage in der Burg. „Aber ich gehe auch jedes Mal voller Freude
nach Hause.“ Gleichzeitig steckt sie mit dem Verein und den Kindern der
Burg in einem der komplexesten Projekte, das sie bisher hatten: Sie sollen
ein Stadtteilmagazin erstellen. Die Idee zur „Burg-Zeitung“, sagt Marino,
sei aus Gesprächen mit Kindern und Politikern bei einem Sommerfest
entstanden: „Es ist so schade, wenn das, was da besprochen wird, dann ins
Leere läuft.“ Die Zeitung solle zeigen, „dass wir die Kinder ernst nehmen,
weil sie das, was sie bewegt, sichtbar und greifbar macht“.
## August: Hallo, Herr Bürgermeister, sind Sie für uns da?
Ein Teil des „Burgzeitung“-Projekts steht am Anfang der Sommerferien an:
Isa, Vanessa und die Kinder der Burg haben einen Termin beim
Oberbürgermeister der Stadt Bayreuth, Thomas Ebersberger von der CSU. Der
Termin droht zu scheitern, bevor er überhaupt begonnen hat. Es will nämlich
niemand mitkommen. Die Jüngeren spielen lieber, und Lamis sagt: „Ich hab
halt keinen Bock, dem sein kack Büro zu sehen.“
Isa und Vanessa sind hin- und hergerissen. Einerseits könnte es eine gute
Erfahrung für die Kinder sein, ihre Sorgen direkt an den Oberbürgermeister
zu adressieren. Andererseits widerstrebt es ihnen, die Kinder überreden zu
müssen. Ahmed entscheidet sich fünfmal um, bis seiner Schwester der Kragen
platzt: „Ahmed! Isa kommt immer und nimmt sich Zeit für dich! Also kommst
du jetzt mit!“ Dieses Argument zieht. Ahmed kommt mit.
Im Rathaus purzelt die laute Horde aus dem Aufzug in einen Gang mit
muffigen gelben Teppichen und Ölgemälden vergangener Bürgermeister an den
Wänden. Die Kinder stellen die Fragen, die sie in der Woche zuvor mit den
Jugendarbeiterinnen erarbeitet haben, ertragen die Erwachsenenantworten und
fordern Ebersberger dann mit spontanen Fragen heraus. Ahmed will wissen, ob
der Bürgermeister auch in Jogginghose ins Rathaus kommen darf. Lamis fragt,
ob er für oder gegen die AfD ist. Ebersberger hat sich vorbereitet,
antwortet konkret und detailliert, arbeitet mit Beispielen und beendet das
Treffen erst, als wirklich keine Fragen mehr kommen. Er gibt sich Mühe,
eine Brücke zu den Kindern zu bauen. Doch auch diesmal zeigt sich: Der Weg
ist weit.
Dass der nächstgelegene überdachte Ort, wo man sich treffen kann, einen
langen Fußweg entfernt ist? „Laufen ist gesund!“, sagt Ebersberger. Ob es
nicht möglich ist, die Schulturnhalle zu nutzen? „Da stehen teure Geräte
und es gibt immer Dödel, die die Sachen kaputtmachen und beschmieren.“ Die
Kinder fühlen sich damit gemeint. Ob er mal in die Burg kommt, um sich die
Probleme selbst anzusehen? „Ich fahre da oft auf dem Heimweg mit dem
Fahrrad durch.“ Die Kinder sind ernüchtert nach dem Besuch. „Der hat uns
doch gar nicht ernst genommen“, sagen die Älteren. Das Angebot, das
Ebersberger ihnen gemacht hat – zum Beispiel, ihm persönlich Fotos von der
Situation am „Bolzer“ zu schicken, der im Sommer nicht beschattet und
nachts nicht beleuchtet ist – erreicht sie schon nicht mehr.
Den Besuch beim Bürgermeister und auch den Besuch der Polizistinnen hat der
Bayreuther Journalist Thorsten Gütling organisiert. Vereinsvorstand Marino
hat ihn engagiert, um mit den Kindern die „Burgzeitung“ zu entwickeln. Wenn
es ihm seine Arbeit erlaubt, kommt Gütling dienstags dazu, spielt mit den
Kindern Fußball oder sitzt mit ihnen auf der Picknickdecke. Mit einigen der
erwachsenen Jugendarbeiterinnen kommen die Kinder nur schwer ins Gespräch,
aber Gütling ist sehr direkt und trifft dabei offensichtlich den richtigen
Ton, denn die Kinder hören ihm zu und antworten.
Aber das heißt noch lange nicht, dass sie auch tun, was er von ihnen will.
Ohne eine gewisse Verbindlichkeit wird das nichts mit der Zeitung, das weiß
Gütling, aber er braucht das Frühjahr und den Sommer, um zu erkennen, dass
er zu viel vorausgesetzt hat und zu viel erwartet – auch von Isa und
Vanessa. „Ich komme da hin mit einem Plan, was eigentlich gemacht werden
muss“, erzählt er im Frühsommer. „Aber wenn die Kinder lieber Fußball
spielen wollen, dann spielen sie Fußball.“
Nach solchen Nachmittagen delegiert er Aufgaben an Isa, Fragen vorbereiten
für den Besuch beim Bürgermeister etwa; oder er bittet die Kinder, die
zugesagten Comics oder versprochenen Fotos ihrer Lieblingsorte beim
nächsten Mal mitzubringen. Weil der Rücklauf oft schleppend ist, ist
Gütling im Juni kurz davor, das Projekt aufzugeben. Doch stattdessen lässt
er irgendwann einfach locker. Lässt sich überraschen, was die Kinder
zustande bringen. Bringt Ideen ein, überlässt es aber dann ihnen, was sie
daraus machen. Er hat sich, wenn man so will, Isas und Vanessas Methode
angepasst: weniger vorgeben, mehr reagieren, und die Kinder kommen lassen.
Und es funktioniert. Im Herbst ist die „Burgzeitung“ fertig. Mehr als 40
Seiten haben die Kinder gefüllt mit Geschichten, Fotos, Zeichnungen,
Rätseln und Rezepten. Oana war schon lange nicht mehr dienstags auf der
Picknickdecke und auch bei keinem der Ausflüge, aber sie hat den
versprochenen Comic beigesteuert, die Handlung: Der Hausmeister nimmt den
Kindern für fünf Tage den Fußball ab. Samantha hat eine Kurzgeschichte
geschrieben mit dem Titel „Die Burg – Viel Ärger heute“.
Ahmed hat seine Lieblingsorte in der Burg fotografiert; zu sehen sind
hauptsächlich leere Wiesen und Spielgeräte, für die er eigentlich zu groß
ist. Aber auch ein Interview mit der „Zuckeroma“ findet ihren Platz, die
seit Jahrzehnten in der Burg wohnt, fünf Enkel hat und sich zusätzlich mit
viel Liebe um die Kinder der Burg kümmert.
## September: Alltag
An einem Dienstag im September hat sich der Sommer verabschiedet. Die zwei
Bäume auf der Wiese dienen der Picknickdecke nicht mehr als Sonnen-,
sondern als Regenschutz. Eine Kiste auf Rollen dient als improvisierter
Tisch; es gibt Kuchen, weil eine neue Hauptverantwortliche übernimmt,
Céline Kabella. Isa zieht sich zurück – sie will nicht mehr als
Projektverantwortliche vom Verein bezahlt werden, sondern nur noch als
Ehrenamtliche weitermachen; weniger Projektarbeit organisieren, mehr für
die Kinder auf der Picknickdecke da sein.
Lamis hatte gerade einen Monat Handyverbot, weil sie ihren Bruder geärgert
hat, „aber das war es wert“, findet sie. Den jüngeren Mädchen wird
langweilig. Sie verabschieden sich und ziehen los zu ihrem Lieblingsspiel:
Klingelstreiche. Sie bitten und betteln, Isa soll mitspielen, aber die
macht ihnen klar: Dafür ist sie nicht zu haben. Sie bleibt bei den Älteren
auf der Picknickdecke. Keiner von ihnen hat ein Handy in der Hand – sie
spielen Karten.
## November: Verschärfte Bedingungen
Ende November wird es ungemütlich auf der Wiese der Burg, nasskalt, grau
und dunkel. Wo im Sommer die Picknickdecke lag, hat sich eine
quadratmetergroße Pfütze ausgebreitet. Céline ist trotzdem da und auch Isa.
Sie baut mit Ahmeds und Lamis` jüngster Schwester Selina aus einer Plane,
einem herumstehenden kaputten Einkaufswagen und ein paar Stöcken einen
Unterstand gegen den Schneeregen.
Ahmed liefert sich mit seinem älteren Bruder Kheralla und einem weiteren
Jungen aus der Nachbarschaft eine Schneeballschlacht mit den dreckigen
Resten eines Schneemanns. „Jeder hat drei Leben!“, brüllt Ahmed. „Halt d…
Fresse, du hast nur noch zwei!“, brüllt sein Bruder zurück. Sobald die
Schimpfwörter das „Hurensohn“-Niveau erreichen, greift Isa ein: „Ahmed u…
Kheralla! Wir beschimpfen uns nicht…“
Was ist so cool an der Jugendarbeit auf der Wiese, dass sie fast jede Woche
kommen, bei Wind und Wetter? Lamis versucht es zuerst mit ein paar
Floskeln, die sie für angemessen hält. Aber dann wird sie ehrlich:
„Eigentlich kann man nur mit Isa Scheiß machen. Die anderen maulen uns an.“
Ahmed: „Isa ist cool. Die lässt uns alles machen. Sie hat keine Regeln.“
Zumindest keine, die Ahmed als solche wahrnimmt.
Große Projekte und kleine Ausflüge: Mit geringen Mitteln stemmt „Wundersam
anders“ vieles, was Offene Jugendarbeit ausmacht. Entscheidend für das
Gelingen sind aber die Bezugs- und Vertrauenspersonen, Menschen wie Isa.
Auch die Hamburger Studie zeigt deren Bedeutung: Die Jugendlichen
beschrieben sie als wichtige Gesprächspartner, sogar als „zweite Familie“ …
oder, von einem Befragten auf den Punkt gebracht: Billard spielen mache
Spaß – aber herzlich empfangen werden, das sei fast wie nach Hause kommen,
„weil es ist immer jemand da, der sich freut, wenn man kommt“.
Im November meldet sich auch Oberbürgermeister Thomas Ebersberger per Mail.
Er schreibt: „Bezüglich des Bolzplatzes kann ich Ihnen mitteilen, dass ich
diesen zweimal besucht habe.“ Das Ergebnis: Der „Bolzer“ könnte
Solarleuchten bekommen. Und für kommendes Jahr ist das Stadtgartenamt
angewiesen, Rankpflanzen hinter Gittern zu pflanzen. Dann hat der Bolzplatz
nicht nur Licht, sondern auch Schatten.
20 Dec 2025
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## AUTOREN
Susanne Hagenmaier
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