| # taz.de -- Hacker über Deutschlandticket: „Die Sicherheitsstandards sind se… | |
| > Die Hacker Q Misell und maya haben Sicherheitslücken beim | |
| > Deutschlandticket entdeckt. Sie rechnen mit einem Schaden in | |
| > dreistelliger Millionenhöhe. | |
| Bild: Kann sein, dass das Ticket auf dem Handy Produkt eines Betrugs ist: Reise… | |
| taz: Q Misell, wie kommen Sie darauf, dass die öffentlichen | |
| Verkehrsunternehmen im großen Maßstab Opfer eines Betruges mit dem | |
| Deutschlandticket wurden? | |
| Q Misell: Es gibt zwei Gründe dafür. Einer besteht in technischen Fehlern, | |
| der andere in Verfahrensfehlern. | |
| taz: Sie sprechen von Verlusten in dreistelliger Millionenhöhe. Wie kommen | |
| Sie zu dieser Schätzung? | |
| Q Misell: Das basiert auf betrügerischen Tickets, die wir zählen konnten. | |
| Drei Millionen solcher Tickets konnten wir identifizieren. Den Rest haben | |
| wir extrapoliert aus einem Vergleich der Leute, die in Umfragen angaben, | |
| mit dem Deutschlandticket zu reisen, mit den von den Verkehrsunternehmen | |
| verkauften Tickets. | |
| taz: Wie gingen die Betrüger vor? | |
| Q Misell: In Deutschland ist es üblich, dass man per Direktüberweisung | |
| bezahlt. Dabei gibt es aber kein Verfikationsverfahren. Sie können echt | |
| aussehende, aber nicht existierende Bankkonten erzeugen. Viele | |
| Verkehrsunternehmen stellen Ihnen sofort ein Deutschlandticket aus, wenn | |
| Sie den Vertrag abschließen. Es kann aber sechs Tage dauern, bis die Bank | |
| die Zahlung verarbeitet hat und feststellt, ob es das Konto gibt und ob es | |
| gedeckt ist. Doch zu diesem Zeitpunkt ist das Ticket ja bereits ausgestellt | |
| worden, und es ist schwierig, es zurückzuholen, weil es von den Betrügern | |
| weiterverkauft wurde. | |
| taz: Wo liegen die technischen Fehler? | |
| Q Misell: Die Tickets werden mit Barcodes ausgestattet und digital | |
| signiert, wobei [1][Kryptografie mit öffentlich-privaten Schlüsseln] | |
| verwendet wird. Die Sicherheitsstands für den privaten Teil der Schlüssel | |
| sind sehr lax. Wie haben mindestens einen Fall gefunden, wo ein | |
| Verkehrsunternehmen die Kontrolle über seinen privaten Schlüssel verloren | |
| hat. Das war ein kleines Busunternehmen aus Sachsen-Anhalt. Wir vermuten, | |
| dass es wegen seiner Größe nicht viel Erfahrung mit | |
| Datensicherheitstechnologie hat. Das ermöglichte es, den Schlüssel zu | |
| stehlen und Tickets in dessen Namen auszustellen. | |
| taz: Wurde das Unternehmen dadurch direkt geschädigt? | |
| Q Misell: Nicht wirklich. In einer idealen Welt gäbe es Strafen dafür, bei | |
| der Informationssicherheit so zu schludern. Aber bis heute gibt es keine | |
| Regeln in der Vereinbarung zum Deutschlandticket, die Unternehmen für | |
| betrügerische Tickets haftbar machen. Den Schaden trugen [2][alle | |
| Unternehmen] davon, die diese Tickets akzeptierten und die Leute damit | |
| reisen ließen, ohne dass es dafür eine Kompensation aus dem Topf [3][aller | |
| verkauften Deutschlandtickets] gab. | |
| taz: Was wäre zu tun, um so einen Betrug in Zukunft zu verhindern? | |
| Q Misell: Es wird an höheren Sicherheitsstands gearbeitet, indem Verfahren, | |
| die Schlüssel zu schützen, formalisiert werden. Nicht so viel ist | |
| unternommen worden, um Verbesserungen beim Zahlungsverfahren zu | |
| formalisieren. Das ist immer noch sehr die Sache der einzelnen Firmen. | |
| [4][Der Deutschlandtarifverbund arbeitet an einem Verfahren], das es | |
| ermöglicht, ein Ticket zurückzuholen und zu entwerten. Er bemüht sich auch | |
| darum, das Signieren der Tickets zu zentralisieren, weil der Tarifverbund | |
| besser organisiert ist und mehr Sicherheits-Knowhow hat als die einzelnen | |
| Unternehmen. Das entsprechende Sicherheitsportal des Verbundes ist aber | |
| bisher nur von zwei Unternehmen angenommen worden. | |
| taz: Sie sagten, niemand wäre bereit, Verantwortung für diese Mängel zu | |
| übernehmen … | |
| Q Misell: Wir haben an diesem Thema seit Oktober vergangenen Jahres | |
| gearbeitet. Die allgemeine Tendenz war, zu sagen: Das ist nicht unser | |
| Problem. Die Politiker sagen, das sei das Problem der Verkehrsunternehmen, | |
| die Verkehrsunternehmen sagen: „Wir tun nur, was uns vorgeschrieben ist“, | |
| und dann gibt es in der Mitte den Tarifverbund, der sagt: „Wir haben nicht | |
| die Macht, das zu regulieren.“ Alle zeigen mit dem Finger aufeinander. | |
| 21 Dec 2025 | |
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| [4] https://www.deutschlandtarifverbund.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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