| # taz.de -- Experte zu Merz-Besuch in Israel: „Ich sehe darin eine Missachtun… | |
| > Nazih Musharbash von der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft zweifelt, | |
| > ob der Bundeskanzler wirklich Friedenspolitik betreibt. Dieser müsse sich | |
| > der Realität stellen. | |
| Bild: Israelische Siedler lassen ihre Schafe auf palästinensischem Land unter … | |
| taz: Friedrich Merz hat bei seinem Antrittsbesuch in Israel von friedlichen | |
| Lösungen zwischen Israelis und Palästinensern gesprochen. Getroffen hat er | |
| aber nur israelische Vertreter. Welche Botschaft sendet das? | |
| Nazih Musharbash: Ich sehe darin eine Missachtung der Palästinenser und | |
| unseres Selbstbestimmungsrechtes. Kanzler Merz hätte ein Signal geben | |
| können: Wir stehen zu einer Friedenslösung und wir meinen es ernst. Dass | |
| Israels Premier Netanjahu seit Langem alles tut, um die Palästinensische | |
| Autonomiebehörde (PA) zu schwächen, ist das eine. Deutschland sollte das | |
| aber nicht mittragen. Das ist nicht nur eine Frage diplomatischer | |
| Gepflogenheit: Wenn Herr Merz über Frieden sprechen möchte, muss er sich | |
| der Realität stellen. Er muss mit eigenen Augen sehen, wie Siedler im | |
| besetzten Westjordanland, wenige Kilometer von seinem Treffen entfernt, Tag | |
| für Tag vorgehen. | |
| taz: Sie sprechen [1][von den stark gestiegenen Siedlerübergriffen auf | |
| Palästinenser] und dem massiven Ausbau völkerrechtlich illegaler | |
| israelischer Siedlungen. | |
| Musharbash: Im Westjordanland wurden seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober | |
| vor zwei Jahren mehr als 1.000 Palästinenser von Israelis getötet. Radikale | |
| Siedler zünden dort ohne Angst vor Strafen Häuser an, töten und vertreiben | |
| Menschen, schänden Moscheen und Kirchen. Die israelische Armee deckt und | |
| unterstützt das. Die Regierung treibt den Siedlungsbau selbst mit an. Wenn | |
| Merz sich dafür blind zeigt, kann er keine plausible Friedenspolitik | |
| betreiben. | |
| taz: Kurz vor dem Besuch gab es ein Telefonat zwischen Merz und | |
| Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Ist das ein Ausgleich? | |
| Musharbash: Wohl kaum: Merz soll sich für die Unterstützung des sogenannten | |
| Trump-Friedensplans für den Gazastreifen bedankt haben, aber auch dabei | |
| hatte die PA keine Wahl. Palästinenser waren bei der Ausarbeitung nicht | |
| beteiligt, mit Netanjahu hingegen dürfte jeder Punkt abgesprochen gewesen | |
| sein. Gespräche auf Augenhöhe sehen anders aus. | |
| taz: Könnten die Verhandlungen um die Zukunft von Gaza dennoch einen | |
| Fortschritt bringen? | |
| Musharbash: Es ist gut, dass Gespräche über die Aufbauhilfe in Gaza | |
| anlaufen, auch in Deutschland. Würde man die Palästinenser einbeziehen, | |
| ihnen ein Leben in Würde in Aussicht stellen und Israel sich aus Gaza | |
| zurückziehen, läge darin eine Chance. Die Menschen in Gaza und die | |
| palästinensische Diaspora wissen am besten, was dort gebraucht wird. Wenn | |
| aber fremdbestimmt Hochhäuser internationaler Investoren hochgezogen und | |
| die Gasvorkommen des Gazastreifens ausgebeutet werden, dann bin ich | |
| pessimistisch. Bisher wird nicht einmal die Waffenruhe von beiden Seiten | |
| wirklich eingehalten. Israel hat in den ersten 50 Tagen mehr als 350 | |
| Menschen in Gaza getötet. | |
| taz: Dennoch hat die Bundesregierung [2][ihre Waffenexporte an Israel | |
| wieder aufgenommen]. | |
| Musharbash: Die Teil-Beschränkung war von Beginn an mehr ein Signal als ein | |
| echter Boykott. Jetzt wird alles wieder aufgehoben, obwohl die Mehrheit der | |
| Deutschen gegen Waffenverkäufe an Israel ist und obwohl laut dem | |
| Max-Planck-Institut binnen zwei Jahren mehr als 100.000 Palästinenser auch | |
| mit diesen Waffen getötet wurden. | |
| taz: Für das Vorgehen der israelischen Armee wird Netanjahu [3][mit | |
| internationalem Haftbefehl] gesucht. Wie sehen Sie das Treffen vor diesem | |
| Hintergrund? | |
| Musharbash: Vor allem darf Netanjahu nicht nach Deutschland eingeladen | |
| werden. Weil ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden, | |
| würde das die internationalen Gerichte, die Deutschland aufgrund seiner | |
| Geschichte mit aufgebaut hat, mit Füßen treten. Meiner Meinung nach hätte | |
| Merz Netanjahu überhaupt nicht treffen sollen. Auch ein Treffen mit | |
| Präsident Jizchak Herzog, der nach dem 7. Oktober alle Palästinenser für | |
| den Überfall der Hamas verantwortlich gemacht hat, ist für mich als | |
| Deutsch-Palästinenser nicht einfach zu ertragen. Ich wünschte, er hätte den | |
| Mut gehabt, auch die andere Seite zu hören, anstatt sie zu ignorieren. | |
| 7 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gewalt-im-Westjordanland/!6129409 | |
| [2] /Wieder-deutsche-Waffen-fuer-Israel/!6130470 | |
| [3] /IStGH-erlaesst-Haftbefehl-gegen-Netanjahu/!6048927 | |
| ## AUTOREN | |
| Felix Wellisch | |
| ## TAGS | |
| Mahmud Abbas | |
| Gaza | |
| Palästina | |
| Benjamin Netanjahu | |
| Friedrich Merz | |
| Friedrich Merz | |
| Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
| Gaza | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kanzler-Besuch bei Netanjahu: Ein Merz für mutmaßlichen Kriegsverbrecher | |
| Bei seinem Antrittsbesuch versucht Merz, das angeschlagene Verhältnis zu | |
| Israel zu kitten. Dafür lässt er sich vom israelischen Premier vorführen. | |
| Saudi-Arabien und Israel: Wie es vor dem 7. Oktober um die Normalisierung stand | |
| Einem Medienbericht zufolge gab es zwischen USA und Saudi-Arabien große | |
| Fortschritte, auch in der Frage um einen palästinensischen Staat. Dann kam | |
| der Krieg. | |
| Olivenernte in Gaza: Die Früchte von morgen | |
| Olivenbäume werden meist über viele Generationen vererbt, doch in Gaza hat | |
| der Krieg dieses Erbe zerstört. Olivenbauer Ayesh Muslih will trotzdem | |
| nicht aufgeben. |