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# taz.de -- Porajmos-Gedenktag in Bremerhaven: „Auch Sinti und Roma wurden er…
> Die Aufarbeitung der NS-Verfolgung der Sinti und Roma begann 35 Jahre
> nach Kriegsende. Am 16.12. wird in Bremerhaven der Gedenktag begangen.
Bild: Wendepunkt in der Aufarbeitung: Roma-Protest im ehemaligen Konzentrations…
taz: Herr Larze, jedes Jahr am 16. Dezember gedenken Sie der Verfolgung und
Ermordung der Sinti und Roma im Nationalsozialismus. Wie wird diese
Verfolgung aufgearbeitet?
Roberto Larze: In den 40 Jahren Vereinsarbeit konnten wir da politisch
schon einiges erreichen. So wurden wir beispielsweise in die
Minderheitencharta aufgenommen. Und in Berlin steht ein [1][Mahnmal für die
im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma]. Auch in Bremerhaven
erinnert eine Gedenktafel an der Karlsburg an die 101 Sinti und Roma, die
im März 1943 aus Bremerhaven über den Bremer Schlachthof nach Auschwitz
deportiert wurden. Und auch wir legen jährlich am 16. Dezember einen Kranz
nieder, um an den Auschwitz-Erlass und die nationalsozialistische
Verfolgung der Sinti und Roma zu erinnern. Aber es gibt noch immer zu wenig
Aufklärung darüber, dass auch wir eine verfolgte Gruppe waren.
taz: Warum gibt es darüber so wenig Wissen?
Larze: Das fängt schon bei der Bildung an: Nur sehr wenige wissen, was
Sinti und Roma im Nationalsozialismus erlebt haben. Wie Juden wurden auch
Sinti und Roma im Nationalsozialismus erfasst, entrechtet und verfolgt. Mit
dem sogenannten „Auschwitz-Erlass“, an den wir ja am 16. Dezember erinnern,
wurden Sinti und Roma in Konzentrationslager deportiert. 500.000 Sinti und
Roma wurden umgebracht. [2][Es bleibt jedoch leider eine Randnotiz, dass
auch Sinti und Roma im von den Nazis besetzten Deutschland vernichtet
wurden.] Es hat sehr lange gedauert, bis die Aufarbeitung des
nationalsozialistischen Völkermords an den Sinti und Roma beginnen konnte.
taz: Warum begann diese Aufarbeitung so spät?
Larze: Viele NS-Verbrecher sind auch nach der Befreiung an der Macht
geblieben. Die sogenannten „Wiedergutmachungszahlungen“ wurden – wenn
überhaupt – oft viel zu spät gezahlt. Für diese Wiedergutmachungszahlungen
mussten Betroffene Ärzten gegenübertreten, die schon während dem
Nationalsozialismus praktiziert haben. Bei diesen Ärzten, aber auch bei der
Polizei oder Justiz war Antiziganismus noch immer allgegenwärtig.
taz: Was hat sich dann verändert?
Larze: [3][1980 traten zwölf Sinti in der KZ-Gedenkstätte Dachau in den
Hungerstreik. Unter ihnen waren drei Überlebende.] Dieser Hungerstreik hat
großen politischen Druck ausgelöst und viel Aufmerksamkeit auf das Thema
gelenkt. Zwei Jahre später hat Helmut Schmidt anerkannt, dass Sinti und
Roma während des Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt
wurden. Aber das war erst 1982!
taz: Wie nehmen Sie den Antiziganismus heute wahr?
Roberto Larze: Ich lebe und arbeite in Bremerhaven. Bremerhaven ist
durchaus eine weltoffene Stadt. Wir spüren hier zum Glück wenig
Antiziganismus. [4][Das heißt jedoch nicht, dass Antiziganismus nicht
trotzdem gegenwärtig ist.] Der Zentralrat der Sinti und Roma und die
Landesverbände kämpfen dagegen. In der Gesellschaft gibt es noch immer
viele Anfeindungen, Klischees und Unwissen. Bei der Antiziganismus-Stelle
in Berlin kann man Diskriminierungserfahrungen und Übergriffe anonym
melden. Von 2024 auf 2025 hat sich die Zahl der Übergriffe verdoppelt. Und
wir müssen davon ausgehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist.
taz: Sinti und Roma wird oft Heimatlosigkeit unterstellt. Dabei leben Sinti
und Roma schon seit hunderten von Jahren im deutschsprachigen Raum.
Larze: Genau, wir sind Teil dieses Landes! Uns gibt es schon sehr lange,
auch wenn von dem Leben von Sinti und Roma in Deutschland leider nur wenig
dokumentiert wurde. Wir wissen allerdings, dass Sinti und Roma bereits vor
700 Jahren in Deutschland lebten. Als Verein versuchen wir, in einer
kleinen Ausstellung unsere Arbeit und das Leben von Sinti und Roma in
Bremerhaven zu dokumentieren. Die Großmutter meiner Frau hat beispielsweise
schon 1904 in Bremerhaven gelebt.
15 Dec 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Amanda Böhm
## TAGS
Verband Deutscher Sinti und Roma
Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti
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Bremerhaven
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