| # taz.de -- Debütfilm „15 Liebesbeweise“: Sie hat schlicht keine Wahl | |
| > In ihrem Debütfilm „15 Liebesbeweise“ erzählt die Regisseurin Alice | |
| > Douard von den Eheleuten Céline und Nadia. Sie erwarten ein Kind, mit | |
| > Hindernissen. | |
| Bild: Nadia (Monia Chokri) und Céline (Ella Rumpf) brauchen für ihre Pläne a… | |
| Im Jahr 2013, François Hollande ist seit einem Jahr Präsident und sein | |
| Amtsvorgänger noch ohne Fußfessel unterwegs, verabschiedet die französische | |
| Nationalversammlung einen Gesetzentwurf zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Er | |
| erlaubt gleichgeschlechtlichen Paaren zu heiraten und ein Kind zu | |
| adoptieren. | |
| [1][Der Abstimmung über das Taubira-Gesetz] waren heftige Debatten, | |
| tausende Entwurfsänderungen sowie Großdemonstrationen in Paris und anderen | |
| Städten vorausgegangen. Dabei brachten Befürworter:innen wie | |
| Gegner:innen ihre Haltung zur mariage pour tous gleichermaßen engagiert | |
| auf die Straßen. | |
| Vor diesem Hintergrund, im Frühjahr 2014, setzt die Handlung von „15 | |
| Liebesbeweise“ ein, dem Debütfilm von Alice Douard. Er erzählt die | |
| Geschichte von Céline und Nadia. Die beiden sind ein Paar, verheiratet und | |
| sie erwarten ein Kind, Nadia ist schwanger. Damit auch Céline als | |
| rechtmäßige Mutter des Babys gilt, muss sie es adoptieren. Dazu müssen vor | |
| Gericht 15 Schreiben aus dem engeren Umfeld des Paares vorgelegt werden. | |
| Die titelgebenden Liebesbeweise sollen Célines Eignung als Mutter bezeugen. | |
| Das ist fiktionalisierte Realität, falls sich jemand wundert, die | |
| Regisseurin hat den Prozess selbst durchlaufen. „Fragen Sie dafür nicht nur | |
| Ihre lesbischen Freundinnen“, mahnt die Anwältin im Film, die für die | |
| Beratung einen Scheck über 2.500 Euro entgegennimmt und nicht in Verdacht | |
| steht, es herablassend zu meinen. Zuvor hatte sie Céline als Pionierin | |
| bezeichnet und dazu ermuntert, Nadia „meine Frau“ zu nennen. Man hätte | |
| schließlich dafür gekämpft. | |
| Die Verabschiedung des Gesetzes ist die Prämisse, unter der „15 | |
| Liebesbeweise“ steht. Die großen gesellschaftlichen Konfliktlinien lässt | |
| der Film jedoch weitgehend hinter sich und zeigt uns lieber das Porträt | |
| einer Frau, nämlich Céline, die nach ihrer Rolle in der noch ungewohnten | |
| Situation sucht. Dieser Entwicklung beizuwohnen, ist schön, manchmal lustig | |
| und sehr nahbar, ganz gleich, wer oder was man ist, ob man nun Kinder hat | |
| oder Kanarienvögel. | |
| ## Elternwerden bringt universelle Herausforderungen | |
| Douard lässt die [2][Schauspielerinnen Ella Rumpf] und [3][Monia Chokri] | |
| aus Céline und Nadia zwei Persönlichkeiten machen, die das Elternwerden vor | |
| ziemlich universelle Herausforderungen stellt. Und ihre Beziehungsdynamik | |
| auf die Probe. „Du machst Party, während meine BHs und Adern explodieren“, | |
| wirft Nadia Céline vor, die als DJ und Tontechnikerin oft dann arbeitet, | |
| wenn ihre Frau gerade schläft. Manchen Vätern im Kino dürfte es vertraut | |
| vorkommen. | |
| Als dramaturgischer Rahmen dienen die fortschreitende Schwangerschaft und | |
| das Beschaffen der Liebesbeweise. Was eigentlich ein demütigender Vorgang | |
| ist, wird ohne heiligen Ernst oder Empörung gezeigt. Céline hat schlicht | |
| keine Wahl, und so, wie Douard selbst das akzeptieren musste, tut es ihr | |
| Film. Dadurch kommt die Protagonistin der eigenen Mutter näher und eine | |
| weitere Beziehung gerät in Bewegung. | |
| Auch das Verhältnis zu den eigenen Eltern verändert sich, wenn man die | |
| Erfahrung von Elternschaft eines schönen Tages mit ihnen teilt. In diesem | |
| Fall mit einer ketterauchenden Starpianistin mit Beethoven-Gedenkfrisur, | |
| die die eigene Mutterrolle der Karriere zuliebe recht egoistisch ausgelegt | |
| hat. | |
| So zeigt „15 Liebesbeweise“ nicht nur am Beispiel seiner Hauptfiguren und | |
| auf fast beiläufige Art, wie vielfältig Mutterschaft interpretiert werden | |
| kann. Seine implizite, ruhige Erzählweise mögen manche als zahm empfinden. | |
| Dabei könnte man sie auch als Ausdruck einer Zeit lesen, in der man das | |
| Kämpfen hinter sich lassen und relativ unbeschwert leben darf. Offen bleibt | |
| in jedem Fall, ob die nächste Regierung aus dieser Geschichte historischen | |
| Stoff macht. | |
| 7 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katharina Böhm | |
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