| # taz.de -- Neues Album von Kraftklub: Musik für eine morbide Playlist | |
| > Die sächsische Band Kraftklub feiert auf ihrem neuen Album „Sterben in | |
| > Karl-Marx-Stadt“ das Leben, den Tod – und ihre Heimatstadt. | |
| Bild: Kraftclub: die fünf Mittdreißiger sind erneut reifer geworden | |
| Es gibt Menschen, die wissen schon genau, welche Musik auf ihrer Beerdigung | |
| gespielt werden soll. Kraftklub haben solche Songs jetzt selbst komponiert | |
| „Sterben in Karl-Marx-Stadt“ heißt das fünfte Werk der Chemnitzer Band und | |
| ist eine Art Konzeptalbum zum Thema Tod. Auf der aktuellen Single malt sich | |
| Felix Kummer – unterstützt von Singer-Songwriter Faber – verschiedene Arten | |
| aus, wie er zu Tode kommen könnte, und betrauert „All die schönen Worte“, | |
| die er leider nie gesagt hat und nun ins Grab mitnimmt. | |
| „Wenn ich tot bin, fang’ ich wieder an zu rauchen, dann wird drei Tage lang | |
| geravt“, auch so eine Zeile für die Funeral-Playlist und ein guter Plan | |
| fürs Jenseits. Dass der Tod nichts Todtrauriges sein muss, hat die Band in | |
| Mexiko erfahren, wo sie vor zwei Jahren gastierte, als dort gerade Día de | |
| los Muertos – Tag der Toten (Allerheiligen) – gefeiert wurde, der Feiertag, | |
| an dem die Toten mit lauten, bunten Festen geehrt werden. „Wir kannten | |
| bisher nur unsere deutsche, sehr klemmige Art mit dem Thema umzugehen“, | |
| schreiben Kraftklub auf Instagram. Aber das habe sich seit der Zeit in | |
| Mexiko gewandelt. | |
| 13 Jahre ist ihr gefeiertes Debüt „Mit K“ her, drei Jahre sind seit ihrem | |
| letzten Album „Kargo“ vergangen und die fünf Mittdreißiger sind erneut | |
| reifer geworden. Nichtsdestotrotz feiern sie immer noch die Nacht durch, | |
| von der man hofft, dass sie nie zu Ende geht. Aber das tut sie dann halt | |
| doch, und dann steht man da, verkatert und verwirrt. | |
| ## Motivationsschub fürs Weitermachen | |
| „Auch wenn es Abfuck ist und schwer, wir haben es geschafft schon bis | |
| hierher“, singt Felix Kummer im Song „Marlboro Mann“, einem berührenden | |
| Motivationsschub übers Weitermachen. Bis hierher geschafft, das bedeutet im | |
| Falle Kraftklub alles andere als Abfuck, sondern ein Trip bis an die Spitze | |
| der Charts, von kleinen Clubs bis in die größten Hallen des Landes. | |
| Denn Kraftklub sind vor allem als Live-Band begehrt. Die Musik des neuen | |
| Albums macht zwar trotz aller thematischer Schwere auch Spaß, aber noch | |
| mehr Freude bereiten die Guerilla-Aktionen der Band. [1][So haben sie schon | |
| vor einigen Monaten mitten in ihrer Heimatstadt Chemnitz in riesigen | |
| Lettern den Schriftzug Sterben in Karl-Marx-Stadt aufgestellt.] | |
| Mal verstecken sie sich in Plattenläden, um dort Fans zu überraschen, dann | |
| wieder spielen sie unangekündigte Spontan-Gigs an ungewöhnlichen Orten, zu | |
| denen Fans sie eingeladen haben – egal ob Kaufhalle, Straßenbahn oder | |
| Anti-AfD-Demo, wie vergangenes Wochenende in Gießen. Meist klappt es mit | |
| der Mischung aus cleverem Marketing und Kunstaktion, hin und wieder hauen | |
| sie ein kritisches Statement raus. | |
| ## Debatten im Familienchat | |
| [2][Stumpfe politische Parolen finden sich auf Sterben in Karl-Marx-Stadt | |
| nicht.] In „So rechts“ lassen sich die Sachsen ironisch darüber aus, wie | |
| man trotz progressiver Jugend im Alter plötzlich reaktionäre Meinungen in | |
| den Familienchat postet. Oder sie machen sich lustig über Bands, die sich | |
| nicht positionieren und nur Funpunk-Lieder über Schnaps spielen wollen. | |
| Kraftklub haben sich schon immer klar gegen Rassismus und Rechtspopulismus | |
| geäußert, ob in Songs, auf Social Media oder bei besonderen Gigs wie beim | |
| CSD in Bautzen. 2018 organisierten sie ein legendäres Protest-Konzert gegen | |
| rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz. | |
| Jetzt ist man sich nicht mehr sicher, ob das damalige Motto „Wir sind mehr“ | |
| überhaupt noch zieht und freut sich schon, wenn man nicht ganz allein | |
| bleibt. „Solang noch einer ‚Fickt euch alle!‘ schreit / Sind wir noch nic… | |
| verlor’n“, heißt es im Song „Schief in jedem Chor“, in den dann auch e… | |
| ganzer Chor einstimmt. Feature-Gäste sind [3][etwa Deichkind] und | |
| Domiziana. | |
| ## Düsteres Schreddern | |
| Musikalisch klingen Kraftklub, die schon immer Indie-Gitarren-Geschredder, | |
| Punk-Attitüde und Deutschrap zu einem eigenen Amalgam vermischten, wieder | |
| mehr wie in ihren Anfängen. Man hört auch Anklänge an Felix Kummers | |
| Soloalbum „Kiox“ (2019), mit dem der Sänger seine düsteren persönlichen | |
| Gefühlslagen thematisierte. Das kann er jetzt auch mit seiner Band. | |
| Denn neben dem Ende des Lebens geht es auch um das Ende von Beziehungen und | |
| Beziehungen, die nicht enden wollen. Und klar ist: Kraftklub sind noch | |
| lange nicht am Ende. | |
| 4 Dec 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Juliane Streich | |
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