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# taz.de -- Spielfilm „Anemone“ mit Daniel Day-Lewis: Wenn die Luft aufklart
> „Anemone“ ist das von Licht und Farben durchzogene Regiedebüt von Ronan
> Day-Lewis. Sein Vater Daniel Day-Lewis spielt darin die Hauptrolle.
Bild: Zwei Männer und viel Grün: Ray (Daniel Day-Lewis) und Jem (Sean Bean) i…
Die gute Nachricht zuerst. Daniel Day-Lewis ist nach acht Jahren wieder in
einem Film zu sehen. Der britisch-irische Schauspieler, der bislang als
einziger Mann drei Oscars gewann, beendete eigentlich 2017, ohne nähere
Angaben, seine Karriere. Man konnte damals schon skeptisch sein, ob
[1][„Der seidene Faden“ (2017)] tatsächlich sein letzter Film sein würde.
Bereits in den 90ern, vor den Dreharbeiten zu Martin Scorseses „Gangs of
New York“ (2002), hatte sich Day-Lewis, der die Öffentlichkeit fast so sehr
scheut wie die Katze das Wasser, mehrere Jahre aus dem Filmgeschäft
zurückgezogen, um in Florenz als Schusterlehrling zu arbeiten.
Der Grund für seine erneute Rückkehr verwundert nicht. Er spielt die
Hauptrolle in „Anemone“, dem Langfilmdebüt seines Sohnes Ronan Day-Lewis.
Beide schrieben zudem das Drehbuch. Und hier kommt die schlechte Nachricht:
Herausgekommen ist ein prätentiöser, schleppender und bedeutungsschwerer
Film. Ein Film aber, dem man mit viel Wohlwollen dennoch etwas abgewinnen
kann.
Im Kern handelt „Anemone“ von Männern, die nicht über ihre Gefühle reden
können. Es geht um Gewalt, Schmerz und Liebe. Daniel Day-Lewis spielt Ray,
einen ehemaligen Soldaten, der im Nordirlandkonflikt diente und vor seinen
Taten davongelaufen ist. Ein traumatisierter Deserteur, der auch noch seine
schwangere Frau zurückließ und seit einigen Jahren als Eremit in einer
Holzhütte in den Wäldern Yorkshires in Nordengland lebt.
Die Gründe seines Rückzugs werden nach und nach in den wortkargen
Gesprächen mit seinem Bruder Jem (Sean Bean) freigelegt. Zu Beginn des
Films sehen wir Letzteren, wie er sich auf seinem Motorrad auf dem Weg zu
ihm macht. Jem ist mittlerweile mit Rays Exfrau Nessa (Samantha Morton)
zusammen. Er soll Ray nach Hause holen, da dessen Teenager-Sohn Brian
(Samuel Bottomley) unter einem schweren Vaterkomplex leidet und auf die
schiefe Bahn gerät.
Ronan Day-Lewis kommt eigentlich aus der bildenden Kunst. Er studierte
Malerei an der Yale University. Dass er ein Gespür für Licht und Farben
hat, zeigt er auch hier. Zusammen mit seinem Kameramann Ben Fordesman fängt
er die Natur Nordenglands in betörend schönen Bildern ein.
Das satte Grün der Wälder, das strahlende Weiß der Windröschen (im
Englischen heißen die Blumen Anemonen) oder die dunklen, entfernt
grollenden Gewitterwolken – die Breitbandaufnahmen wirken, als wären sie
kurz nach einem Regenguss aufgenommen worden, wenn die Luft aufklart und
die nassfeuchten Farben in voller Sättigung zur Geltung kommen.
## Stures Schweigen und betont markige Blicke
Der beeindruckenden Bildgestaltung steht eine Geschichte gegenüber, die
sich in all dem Leid viel zu ernst nimmt. Unterlegt wird die Schwere des
Films mit unnötigen, surrealen Einfällen, wenn eine seltsame,
fluoreszierende Kreatur in einem See auftaucht, überlebensgroße Fische tot
im Fluss dahintreiben oder ein biblischer Hagelsturm über die
Protagonist:innen hinwegfegt. Das sture Schweigen und die betont
markigen Blicke zwischen den beiden Brüdern sind nahezu unerträglich.
Jem weiß um die explosive Kraft hinter Rays Miene. Es ist ein Tanz um ein
Pulverfass. Erst der Alkohol schafft eine Vertrautheit, in der Worte die
Spannung in der Luft entschärfen. Dabei wird deutlich, wie sehr Daniel
Day-Lewis’ wuchtiges Schauspiel alles in diesem mittelprächtigen Film
überragt. Großartig ist jener minutenlange Monolog, in dem Ray mit dem
höhnischen Blick eines Wahnsinnigen seinem Bruder bis ins kleinste Detail
erzählt, wie er (aus sehr nachvollziehbaren Gründen) einem Pastor ins
Gesicht schiss.
Es bleibt zu hoffen, dass weitere Filme mit [2][Daniel Day-Lewis] folgen.
Immerhin bezeichnete er seine früheren Äußerungen über ein Schauspielende
erst kürzlich als „großspuriges Geschwätz.“
27 Nov 2025
## LINKS
[1] /Filmdrama-ueber-Paarbeziehung/!5479202
[2] /Berlinale-Star-Allbum-b/!5186634
## AUTOREN
Tobias Obermeier
## TAGS
Debütfilm
Spielfilm
Licht
Malerei
Geschwister
Veteranen
Familiengeschichte
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