| # taz.de -- Grünen Abgeordnete zu Schwarz-Rot: „Ich dachte, wir wären weite… | |
| > Grünen-Politikerin Lamya Kaddor kritisiert die schwarz-rote Islampolitik | |
| > als rückschrittlich. Der Kampf gegen Islamismus werde instrumentalisiert. | |
| Bild: „Die große Mehrheit der Muslime sind ganz normale Bürger*innen dieses… | |
| taz: Frau Kaddor, wohin steuert die Islampolitik der schwarz-roten | |
| Bundesregierung? | |
| Lamya Kaddor: Wir bewegen uns zurück dahin, dass sich jede Beschäftigung | |
| mit den Formen des Islam ausschließlich um Sicherheitsthemen oder andere | |
| Probleme dreht. Und selbst in diesem Bereich verfolgt die Bundesregierung | |
| einen rückwärtsgewandten Kurs, zum Beispiel liegt der Fokus nun – statt auf | |
| der Rolle der dominierenden islamistischen Radikalisierung im Internet – | |
| auf einem ideologisch eingefärbten, fachlich umstrittenen und definitorisch | |
| kaum abgrenzbaren Thema, nämlich dem „politischen Islam“. Ich dachte, wir | |
| wären weiter. | |
| taz: Ist Islamismus nicht tatsächlich ein ernst zu nehmendes Problem? | |
| Kaddor: Natürlich! Es ist wichtig, Islamismus zu bekämpfen. Das geht aber | |
| logischerweise nur mit den muslimischen Akteuren selbst, den Gemeinden und | |
| Vereinen. Prävention bedeutet auch: Das normale muslimische Leben jenseits | |
| der Extreme zu zeigen und anzuerkennen. Wie soll das mit Leuten | |
| funktionieren, die nahezu jede Form des Islam für eine Art gefährliche | |
| Ideologie zu halten und Laizismus nur für den Islam zu präferieren | |
| scheinen? | |
| taz: Sie meinen die Mitglieder, die Bundesinnenminister Alexander Dobrindt | |
| (CSU) in den Beraterkreis Islamismusprävention und Islamismusbekämpfung | |
| einberufen hat? | |
| Kaddor: Das Bundesinnenministerium hat erst vor einigen Wochen zwei | |
| Taliban-Vertreter ins Land gelassen, um besser nach Afghanistan abschieben | |
| zu können. Jetzt setzt es allseits geschätzte Islamismus-Expert*innen vor | |
| die Tür und ersetzt sie durch Personen, die es kaum über die Lippen | |
| bekommen, dass die große Mehrheit der Muslime ganz normale Bürger*innen | |
| dieses Landes sind. Ich verstehe nicht, wie das mit dem viel beschworenen | |
| Kampf gegen Islamismus zusammenpasst. | |
| taz: Manche würden [1][Ahmad Mansour] und seine Kolleg*innen durchaus | |
| als Expert*innen bezeichnen … | |
| Kaddor: Ich behaupte auch nicht, dass nun keine Experten mehr vertreten | |
| sind. Viele jedoch haben eine Agenda. | |
| taz: Geht der Rückschritt in der Islampolitik nur vom Innenministerium aus? | |
| Kaddor: [2][Im Sommer hat Familienministerin Karin Prien angekündigt, dass | |
| alle Organisationen, die über das Förderprogramm Demokratie Leben Geld | |
| bekommen, vom Verfassungsschutz überprüft werden sollen.] Das zeigt, dass | |
| die Bundesregierung der Zivilgesellschaft misstraut. Dabei sind solche | |
| Verbände die wichtigsten Träger von Deradikalisierungsprojekten und | |
| Islamismusprävention. | |
| taz: Die 2006 erstmals einberufene Islamkonferenz soll als eine Art | |
| Dialogforum Politik und muslimische Verbände in Kontakt bringen. Könnte Sie | |
| neue – positivere – Impulse setzen? | |
| Kaddor: Die Konferenz ist schon unter der Ampelkoalition eingeschlafen. | |
| Aber sie ist trotz aller Bedeutungslosigkeit das einzige Gremium, durch das | |
| Muslime und der deutsche Staat ins Gespräch kommen. Und solch einen Dialog | |
| finde ich sehr wichtig. Inzwischen gibt es allerdings Stimmen, die sagen, | |
| die Konferenz sollte einfach komplett abgeschafft werden. Das kommt auch | |
| von Personen, die nun das Innenministerium beraten sollen. Gerade in Zeiten | |
| gesellschaftlicher Spaltung brauchen wir mehr Dialog, nicht weniger. | |
| taz: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen dieser zunehmenden Abwehrhaltung | |
| gegenüber allem Muslimischen und den rassistischen Debatten, die wir in | |
| letzter Zeit um die [3][Abschiebungen von Syrer*innen] und das | |
| sogenannte „Stadtbild“ erlebt haben? | |
| Kaddor: In Deutschland leben geschätzt sechs Millionen Muslime. Wann immer | |
| über Migration, Integration oder Islamismus gesprochen wird, sind sie | |
| indirekt mitgemeint. Das merken diese Menschen und sie haben Angst. | |
| Inzwischen reden manche Unionspolitiker ja schon ernsthaft über eine | |
| Minderheitsregierung. Was nichts anders bewirkt, als die AfD in Stellung zu | |
| bringen. | |
| 25 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Frederik Eikmanns | |
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