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# taz.de -- Unterwegs gegen Sportwetten: Allergrößter Einsatz
> Die eigene Sucht hat Thomas Melchior zu einem prominenten Kämpfer gegen
> Sportwetten werden lassen. Die taz hat ihn dabei in Hamburg begleitet.
Bild: Provokant: Thomas Melchior im Hertha-Trikot vor dem Stadion von Union Ber…
„Hast du wirklich deinen Zahn verloren?“ Mit dieser Frage wird Thomas
Melchior auf dem Weg ins Stadion des Hamburger SV von einem Fan
konfrontiert. „Na ja, es war ’ne Krone, aber es ist trotzdem nicht so
schön“, antwortet Melchior. Der 46-Jährige hat mit seinem [1][Engagement
gegen Sportwetten] eine bemerkenswerte Prominenz erlangt.
Und die Geschichte mit dem Zahn hat ihn noch etwas bekannter gemacht. In
Darmstadt hatte wenige Tage zuvor ein einheimischer Fan zugeschlagen, als
er sich dort in der Menge im Trikot von Eintracht Frankfurt präsentiert
hatte. [2][Melchiors Video dazu ist viral gegangen.] Der Anhänger des HSV
ruft ihm noch anerkennend zu: „Top Message!“
Die Aufmerksamkeit für seine Botschaft gewinnt Melchior eben durch
auffälliges Verhalten. Sein „Wette verloren“-Schild zeigt er am Rande von
Fußballspielen unter den heimischen Anhängern seit dieser Saison stets in
einem Trikot eines anderen Profivereins. So kommt er mit den Menschen ins
Gespräch und lässt sich dabei filmen. Sein Ziel ist es, diese vor der
Gefahr von NEO.bet & Co mit seiner eigenen Wettsucht-Geschichte zu warnen.
Auf Social Media werden seine Kurzvideos millionenfach geklickt.
[3][„Sportwettensheriff“ heißt sein Kanal.] Der Name stammt von einer
„Galileo“-Dokumentation. Darüber entstand auch der Kontakt zu der
Produktionsfirma Readhead, die sein Projekt von Anfang an begleitet.
## Positive Reaktionen
In Hamburg ist er dieses Mal ohne Kamerateam und Trikot unterwegs. Auf
Wunsch der HSV-Supporter, deren Einladung Melchior gefolgt ist. Bilder wie
in Darmstadt sollen vermieden werden. Vor dem Bundesligaspiel der Männer
gegen den VfL Wolfsburg soll Melchior seine Geschichte erzählen. Auf dem
Weg zur Veranstaltung wird er immer wieder von Hamburger Fans angesprochen,
die ihn erkennen. Sie reagieren positiv auf den „Sportwettensheriff“, es
werden einige Selfies gemacht und es ergeben sich ganz anders als in
Darmstadt entspannte Gespräche mit der Internetberühmtheit. Ein Buch über
seine Geschichte hat er unterdessen auch verfasst.
Geschätzte 800.000 Euro hat Melchior in etwa 18 Jahren verspielt. Die Wege
in die Sucht seien sehr verschieden, sagt er. Bei ihm sei es sehr schnell
gegangen. Schon nach der ersten Wette habe er beschlossen, sein Geld in
Sportwetten anzulegen. Er verzockte sein gesamtes Vermögen und bettelte in
der Folge sein Umfeld immer wieder um Geld an. Auch wildfremde Personen hat
der gelernte Bankkaufmann ausgenutzt. Er kam aus der Abwärtsspirale nicht
raus, beging Sozialbetrug und klaute Geld bei der Familie der Freundin.
Letztlich saß er drei Jahre im Gefängnis wegen Unterschlagung, Betrug und
Diebstahl.
Sein Vater brach mit ihm und weigerte sich noch am Sterbebett, ihn zu
sehen. „Ich hätte es mir natürlich anders gewünscht und irgendwie würde i…
mir auch wünschen, dass er das jetzt so mitbekommen würde. Ich glaub auch,
dass er stolz wäre.“
Dunkle Täler hat Thomas Melchior durchschritten. Über seine Suizidgedanken
hat er auch in seinem Buch geschrieben – allerdings ohne jegliche
Triggerwarnung. Er sagt: „Das ist einfach ein Thema, das angesprochen
werden muss und gerade im Zusammenhang mit Spielsucht ist es ein sehr
präsentes Thema, weil die Leute unglaublich verzweifelt sind. Das
Schlimmste, was passieren kann, ist, dass jemand wirklich die Hoffnung
verliert.“
## Kritik an der Vorgehensweise
Von seinem ursprünglichen Konzept mit dem „Wette verloren“-Schild und dem
Auswärtstrikot ist Melchior mittlerweile abgekommen. „Du darfst nicht immer
das Gleiche machen, sonst sind die Leute auch irgendwann gelangweilt“,
erklärt er und verweist auch auf die kurze Aufmerksamkeitsspanne in den
sozialen Medien.
Seine Social-Media-Aktivitäten stoßen aber auch auf Kritik. In
Kommentarspalten wird ihm der Vorwurf gemacht, Aufmerksamkeit um jeden
Preis erzeugen zu wollen und „aufmerksamkeitsgeil“ zu sein. Gerade unter
seinen aktuelleren Videos, bei denen er Promis wie die Sängerin Dua Lipa
bittet, ein Trikot zu unterzeichnen. Auch für einen Podcast mit dem
Youtuber KuchenTV alias Tim Heldt, der wegen rechtsextremer Delikte
vorbestraft ist, stellte sich Melchior bedenkenlos zur Verfügung.
Für seinen Kampf gegen Sportwetten erhält Thomas Melchior viel
Unterstützung. Vom Bruder und seiner Mutter sowieso, aber auch von außen.
„Ich bekomme jeden Tag ganz viele Zuschriften von Leuten, die sich bedanken
für das, was ich mache.“ Wenn es dann mal wie in Darmstadt „ein bisschen
wilder“ zugehe, sei es das dann auch wert
2 Dec 2025
## LINKS
[1] /Gluecksspielsucht-bei-Fussballprofis/!6056510
[2] https://www.instagram.com/sportwettensheriff/reel/DQJ7xCHArRk/
[3] https://www.instagram.com/sportwettensheriff/?hl=de
## AUTOREN
Fridolin Haagen
## TAGS
Wetten
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