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# taz.de -- Rekord bei tödlichen Angriffen: Schwarzbären versetzen Japan in A…
> Seit Juli haben Bären in Japan 13 Menschen getötet und über 200 verletzt
> – so viele wie nie zuvor. Grund ist ein gestörtes ökologisches
> Gleichgewicht.
Bild: Ein Schwarzbär im Stadtzentrum von Morioka, im Nordosten Japans am 23.10…
Viele Studenten in Morioka wagen sich nur noch mit Bärenglöckchen am
Rucksack auf den Campus der lokalen Universität, seitdem ein Schwarzbär
dort in der vergangenen Woche herumspazierte. „Am nächsten Tag hatten wir
bärenfrei, der Unterricht fiel aus“, berichtet Frank Schwamborn. Bei der
Gartenarbeit trägt der Professor für Germanistik immer ein Bärenspray mit
sich, sein Privathaus grenzt an einen Bergwald. Vor drei Wochen lief ein
Schwarzbär seine Wohnstraße entlang. Eine Warn-App auf dem Smartphone
seiner Frau informiert Schwamborn über neue Sichtungen von Bären in der
Umgebung.
Seine Angst ist berechtigt. Seit Juli haben Bären 13 Menschen getötet und
über 200 verletzt, so viele wie nie zuvor. Die Tiere hielten sich stunden-
oder tagelang in Bahnhöfen, Schulen, Supermärkten und Tempeln auf. Das
erste Opfer war eine 81-Jährige, die man tot in ihrer Küche fand, der
Körper übersät mit tiefen Krallenwunden. Danach starben Bauern, Wanderer
und Pilzsammler, aber auch Passanten auf offener Straße. Zuletzt häuften
sich die Angriffe, da die Tiere vor dem Winterschlaf intensiver nach Futter
suchen.
In dieser Woche setzte die Regierung erstmals das Militär nach Nordjapan in
Marsch. Im bergigen, dicht bewaldeten Akita und der Nachbarprovinz Iwate
mit der Hauptstadt Morioka fanden zwei Drittel der tödlichen Attacken
statt. In Akita versechsfachten sich die Sichtungen von Bären, sodass der
Gouverneur nach der Armee rief. Die Soldaten transportieren Jäger zum
Einsatz, stellen Fallen auf und schaffen die erlegten Bären weg. Selbst
schießen dürfen sie nicht. Die Polizei soll nun den Umgang mit Gewehren
lernen, da ihre Pistolen gegen Bären wenig ausrichten. Die Regierung
lockerte das Waffengesetz, damit Jäger auch in Städten schießen dürfen.
Einige Gemeinden stellten Elektrozäune und lärmende Roboter in Wolfsgestalt
mit rot glühenden Augen auf.
Die zahlreichen Attacken deuten auf ein gestörtes ökologisches
Gleichgewicht hin. Die Zahl der Tiere hat sich binnen 30 Jahren auf 45.000
Schwarz- und 12.000 Braunbären ungefähr verdoppelt. Der bis zu 130
Kilogramm schwere Schwarzbär, der den Norden der Hauptinsel Honshu
bevölkert, erweist sich als besonders aggressiv, die deutlich größeren
Braunbären leben meist in Schutzgebieten auf der Nordinsel Hokkaido.
## Weniger Pflanzenfressi für Bären
Die Allesfresser ernähren sich von Wildschweinen, Ziegen und Rehen und
halten dadurch deren Zahl unter Kontrolle, Wölfe gibt es in Japan nicht.
Bären fressen auch Pflanzen. Aber in diesem Jahr trugen die Bäume viel
weniger Eicheln und Bucheckern, vermutlich bedingt durch den Klimawandel.
Währenddessen überließ der Mensch den Bären mehr Lebensraum. Als Folge der
Landflucht wird die Übergangszone zwischen Dörfern und Bergwald, Satoyama
genannt, nicht mehr bewirtschaftet. Die Früchte auf vielen Kaki-Bäumen
werden nicht mehr gepflückt, was die Bären an die Stadtränder lockt. Durch
die vermehrten Kontakte verlieren die Bären ihre natürliche Scheu vor den
Menschen. In Morioka fließen drei Flüsse zusammen. Bei ihrer Jagd auf
Lachse dringen die Bären inzwischen ungeniert bis ins Stadtzentrum vor.
Lange hielten Hobbyjäger die Population in Schach. Aber ihre Zahl ist in
vierzig Jahren um fast 90 Prozent auf 56.000 geschrumpft, zum einen durch
die rapide Alterung der Bevölkerung, zum anderen durch die miserable
Bezahlung. Eine Gemeinde in Akita zahlt einem Jäger für das Aufstellen der
riesigen Fallen und Bärpatrouillen nur 17 Euro pro Tag und für jeden
erlegten Bär inklusiv Zerlegen nur 57 Euro. Die Benzinkosten und die
Gewehrpflege müssen die Jäger selber tragen. „Ich mache das nicht fürs
Geld, sondern um den Menschen zu helfen“, sagte ein Jäger dem TV-Sender
Asahi.
Japan lebt seit Jahrhunderten mit der Bärengefahr. Aber eine Tragödie vor
110 Jahren prägte eine negative Einstellung der Bevölkerung und festigte
eine tief verwurzelte Abneigung gegen Bären, meint der Japanologe Rotem
Kowner von der Universität Haifa. Ein Braunbär tötete 1915 innerhalb
weniger Tagen sieben Bewohner eines Dorfes in Hokkaido und lieferte den
Stoff für viele Nacherzählungen.
Die aufgeregten Medienberichte über Bärenangriffe in diesem Jahr scheinen
diese Urangst wiederzubeleben. Die Behörden überschlagen sich mit
Verhaltenstipps. Wanderer sollten mit Glöckchen und Taschenradios Lärm
machen und Kinder bei einer Begegnung eine leere Plastikflasche
zusammenknüllen, um die Tiere zu vertreiben. Kommt es zum Kampf, sollte man
sich flach auf den Boden legen und den Kopf mit Händen und Armen schützen.
6 Nov 2025
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
Bär
Naturschutz
Japan
Bär
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Bär
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