| # taz.de -- Rassismus und Behindertenfeindlichkeit: Der mit den Nazis tanzt | |
| > Für viele ist Willi wegen seiner Behinderung ein „Problem im Stadtbild“. | |
| > Diese Auffassung, jemand sei mehr oder weniger wert, ist | |
| > menschenverachtend. | |
| Bild: Von anderen als Problem betrachtet zu werden, ist ein Scheißgefühl: Dem… | |
| Als Friedrich Merz neulich von diesem Problem im Stadtbild sprach, konnte | |
| ich mir wirklich nicht vorstellen, dass er damit Menschen gemeint haben | |
| könnte. Ich hoffte inständig, er meinte leerstehende Läden oder | |
| vollgepisste Bahnhöfe. Andere dagegen lobten ihn für seinen „Klartext“. | |
| Wenn unser Bundeskanzler aber sagen wollte, dass ihm die Menschen in | |
| unseren Städten nicht weiß genug seien, hätte er ja nicht von geregelter | |
| Migrationspolitik, sondern von hirnrissigem Schwachsinn wie „Remigration“ | |
| sprechen müssen. | |
| Alexander Dobrindt nennt [1][Rassismusvorwürfe gegen Merz] „totalen | |
| Unsinn“, denn der habe nur das „Empfinden eines jeden Menschen“ | |
| ausgesprochen. Da komme ich nicht mehr mit. Wenn es also doch um Aussehen | |
| und Herkunft von Menschen geht, liegen die beiden falsch, denn ich empfinde | |
| nicht so! | |
| Was ich aber schon manchmal empfinde, ist, von anderen Menschen als Problem | |
| betrachtet zu werden – wenn auch sicher in viel kleinerem Maße als die oben | |
| genannten Problemmenschen. Bei uns ist es nicht Kopftuch, Sprache oder | |
| Hautfarbe, was andere zu stören scheint, es ist die Behinderung meines | |
| Sohnes. | |
| Abgewandtes Kopfschütteln, Vermeidung von Augenkontakt oder Personen, die | |
| den Platz im Bus wechseln, wenn Willi kommt – das fühlt sich nicht gut an. | |
| Immer ist da so ein Druck, bloß nicht noch mehr aufzufallen. Auf die | |
| Duldung anderer angewiesen zu sein, ist ein Scheißgefühl. Und dann noch die | |
| Dankbarkeit, die erwartet wird – das erschöpft mich oft mehr, als die | |
| Betreuung meines Sohnes selbst. Manchmal macht es mich auch wütend. | |
| Wie muss es da erst den Müttern behinderter Kinder gehen, die einen | |
| sichtbaren Migrationshintergrund haben und sich auch noch sagen lassen | |
| müssen, ihr Anblick sei ein Problem? Werden die nützlichen (also Lohnarbeit | |
| verrichtenden) „Ausländer“ bald irgendwie markiert, damit sie sich für ih… | |
| Anwesenheit nicht mehr rechtfertigen müssen? | |
| ## Willis Existenzrecht wird infrage gestellt | |
| Auch Willis Existenzrecht wird mit den Worten „So was kann man heute doch | |
| testen“ immer wieder infrage gestellt. Möglicherweise stellt mein Sohn mit | |
| seiner herausschauenden Zunge und seinem über 70 Kilogramm schweren | |
| Resonanzkörper beim öffentlichen Eisessen und [2][LaBrassBanda-Hören] für | |
| den einen oder anderen Mitbürger auch ein Problem im Stadtbild und -klang | |
| dar. | |
| Neulich zischte eine Frau im Vorbeigehen mit angeekeltem Blick auf Willis | |
| Schokoladenmund, „so einer“ sollte wenigstens sauber sein. Wie krass | |
| diskriminierend es ist, Willi aufgrund seiner Behinderung dazu verpflichten | |
| zu wollen, sauberer, braver oder leiser zu sein, begreifen solche Leute | |
| genauso wenig wie unser Bundesinnenminister, der findet, dass man ja wohl | |
| im Zusammenhang mit Abschiebungen noch mal sagen dürfe, wir hätten im | |
| Stadtbild dieses Problem. | |
| Warum ich einen klaren Zusammenhang zwischen Rassismus und | |
| Behindertenfeindlichkeit sehe? Weil die Auffassung, Menschen könnten – | |
| warum auch immer – mehr oder weniger wert sein, immer menschenverachtend | |
| und darum brandgefährlich ist. | |
| ## An den geraden Tagen meiden wir die Öffentlichkeit | |
| Vielleicht lösen wir das Stadtbild-Problem so: An ungeraden Tagen geht der | |
| große Teil der Bevölkerung, der eine bunte und diverse Gesellschaft mag | |
| und/oder nicht arisch genug aussieht (plus Behinderte und andere | |
| Randgruppen) shoppen, spazieren und ins Café. | |
| An den geraden Tagen meiden wir die Öffentlichkeit, damit wir denjenigen, | |
| die uns für die Quelle allen Übels halten, nicht die schöne Aussicht | |
| versauen und wir ihre vergrätzten Fressen nicht sehen müssen. | |
| An den ungeraden Tagen kochen die dafür bei sich zu Hause deutsches Essen, | |
| schauen deutsche Filme, gendern nicht und informieren sich alternativ. Ich | |
| bin gespannt, ob sie das glücklicher macht, oder ob sie trotzdem weiter | |
| meckern. | |
| Nur wenn irgendwo eine Blaskapelle spielt, dann dürfen alle kommen. Willi | |
| tanzt auch mit Nazis. | |
| 13 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Birte Müller | |
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