| # taz.de -- Bundeswehr sucht Rekrut:innen: Sie stehen auf Disziplin | |
| > Während andere Arbeitgeber zum Schnupperpraktikum bitten, setzt die | |
| > Bundeswehr auf Erlebniscamps. Wie findet das der Nachwuchs? | |
| Bild: Jung, fit und alles andere als null Bock | |
| Es ist kalt und feucht und eigentlich viel zu früh am Morgen auf dem | |
| Truppenübungsplatz Baumholder in der Nähe von Idar-Oberstein, | |
| Rheinland-Pfalz. Trotzdem ist einiges los. Während das restliche Jahr über | |
| hier bei Truppenübungen der Artillerie regelmäßig Geschosse einschlagen, | |
| findet an diesem Tag ein Camp statt, eine Anwerbeaktion für den dringend | |
| gewünschten Bundeswehrnachwuchs. | |
| Dreißig junge Menschen in Tarnuniform ohne Dienstgrad, seitlich an den | |
| Oberarmen je eine schwarz-rot-goldene Flagge, marschieren in Grüppchen über | |
| das Gelände, begleitet und betreut von echten Soldat:innen. Sogar der | |
| stellvertretende Bataillonskommandeur ist da. Seit fünf Uhr morgens seien | |
| sie alle schon auf den Beinen, erzählt Presseoffizierin Diana Hehn, jung, | |
| sehr kommunikativ, sympathisch. Sie führt über das Areal. Erst habe es | |
| Frühstück gegeben, dann mehrere Vorträge und Fragerunden und nun gehe es | |
| gleich los mit den Stationen im Freien. | |
| Je 80 Minuten lang bekommen die jungen Interessierten in Kleingruppen die | |
| verschiedenen Einsatzbereiche und Geräte der Artillerie gezeigt, also jener | |
| Truppenabteilung, die mit großkalibrigen Geschützen und Raketenwaffen zu | |
| tun hat. Logistik und Instandsetzung, Aufklärung und Wetterdienst, | |
| Beobachtung, Transport und Wirkung. Wobei bei der Station „Wirkung“ unter | |
| anderem ein Klassiker der Bundeswehr auf die Teilnehmenden wartet: die | |
| Panzerhaubitze 2000. Aber dazu später mehr. | |
| Drei Tage und zwei Nächte sind die Teilnehmer:innen hier in Containern | |
| untergebracht. Sie alle sind freiwillig hier, weil sie – wenn sie es nicht | |
| schon getan haben – vorhaben, sich für eine berufliche Laufbahn beim | |
| Militär zu bewerben. Das Camp soll ihnen von der Unterbringung und | |
| Verpflegung bis zur Uniform und körperlichen Belastung ein einigermaßen | |
| realistisches Bild des „klassisch Militärischen“ vermitteln. So nennt es | |
| die Offizierin Hehn. | |
| ## Suche nach der passenden Truppengattung | |
| An der Grundausbildung kommt schließlich niemand vorbei, der Soldat werden | |
| möchte, zugleich möchte die Armee dafür sorgen, dass die Anwärter:innen | |
| bei der Truppengattung landen, die am besten zu ihnen passt. „Wir können | |
| nicht wie ein normaler, ziviler Arbeitgeber Probearbeit anbieten“, sagt | |
| Hehn. Deswegen gibt es solche Camps. | |
| Das Artilleriecamp – wenige Kilometer von der Artillerieschule in | |
| Idar-Oberstein entfernt – ist eines von vielen Karrierecamps, die die | |
| Bundeswehr jährlich anbietet. Und zwar schon seit über zehn Jahren, also | |
| auch schon bevor der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz die „Zeitenwende“ | |
| ausrief. Nach dem Aussetzen der Wehrpflicht 2011 musste sich die Bundeswehr | |
| neue Herangehensweisen überlegen, um an Nachwuchs zu kommen. | |
| Während die Bundeswehr als reine Berufsarmee in den vergangenen Jahren vor | |
| allem in Auslandseinsätzen mit den Bündnispartnern aus EU, Nato oder UN | |
| tätig war, spricht man jetzt wieder von „Kriegstüchtigkeit“, von der von | |
| Russland ausgehenden Gefahr und dem unter Präsident Donald Trump immer | |
| unzuverlässigeren Nato-Partner USA. Sogar eine mögliche Wiedereinführung | |
| der Wehrpflicht steht im Raum. | |
| Ziel der Camps sei es, über den Beruf als Soldat:in aufzuklären, betonen | |
| die Verantwortlichen vor Ort immer wieder. Natürlich strebe man auch eine | |
| nachhaltige Personalgewinnung an, mit möglichst geringer Abbruchquote. | |
| Diese lag im vergangenen Jahr bei satten 27 Prozent. Die Gründe seien | |
| vielfältig, sagt Offizierin Hehn. | |
| ## Drei Tage an der frischen Luft | |
| „Eine ehemalige Rekrutin meinte nach wenigen Tagen, sie hätte ein Problem | |
| mit Sammelduschen. Ein anderer wurde von seiner Freundin vor die | |
| Entscheidung gestellt: sie oder die Bundeswehr.“ Generell gehe es bei den | |
| Gründen oft weniger um die großen moralischen Fragen, sondern um | |
| praktische, alltägliche Dinge: Pünktlichkeit und Ordnung, frühes Aufstehen, | |
| Kameradschaft. Die Schnuppercamps sollen einen Eindruck geben. „Für viele | |
| junge Menschen ist so ein Camp das erste Mal in ihrem Leben, dass sie | |
| überhaupt mal einen ganzen Tag am Stück an der frischen Luft verbringen“, | |
| sagt sie. | |
| Aber reichen drei Tage Feldlager, um die Lücke zwischen den Erwartungen und | |
| der Realität des Soldatenlebens zu schließen? Organisationen wie Greenpeace | |
| betrachten diese Art der Personalgewinnung, vor allem auch was die | |
| Bewerbung Minderjähriger angeht, sehr kritisch. | |
| Die Selbstdarstellung der Bundeswehr sei nicht realistisch: Die deutschen | |
| Streitkräfte gäben sich abenteuerlustig, cool und sexy, die Gefahren des | |
| Soldatenlebens hingegen würden kaum thematisiert. Trotzdem könnte von der | |
| Art, wie gezielt, nachhaltig und intensiv die Bundeswehr Nachwuchs anwirbt, | |
| abhängen, ob der Wehrdienst eine freiwillige Angelegenheit bleibt oder | |
| nicht. | |
| An diesem grauen Donnerstag im Oktober schwebt eine mögliche Entscheidung | |
| zum von Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgeschlagenen neuen | |
| Wehrdienst über dem Camp. Immer wieder aktualisieren Offizierin Hehn und | |
| ihre Kollegen die Nachrichten auf ihren Smartphones. Doch die Entscheidung | |
| lässt auf sich warten. Erst Anfang November einigen sich die Fraktionen von | |
| SPD und Union: Am 1. Januar 2026 soll das Gesetz zum neuen Wehrdienst in | |
| Kraft treten. Am Freitag Anfang Dezember ging es durch den Bundestag. | |
| ## Bis zu 40.000 neue Rekrut:innen pro Jahr angestrebt | |
| Das Ziel: Die aktive Truppe soll bis 2035 aus über 260.000 Soldat:innen | |
| bestehen. Zurzeit sind es etwa 182.000. Was die Reserve angeht, visiert die | |
| Bundesregierung 200.000 Reservist:innen an, die im Ernstfall | |
| einsatzbereit sind. Zurzeit sind es rund 51.000. Stand August 2025 | |
| verzeichnete die Bundeswehr knapp 13.000 Wehrdienstleistende. Bis 2031 | |
| strebt man bis zu 40.000 neue Rekrut:innen pro Jahr an. Dafür müssen | |
| Kasernen, Ausstattung und Ausbildungsinfrastruktur her, auch das braucht | |
| Zeit. | |
| Das neue Wehrdienstgesetz betont die Freiwilligkeit. Man orientiere sich | |
| dabei am schwedischen Modell, heißt es seitens der Bundesregierung. Mit | |
| verpflichtenden Fragebögen für Männer ab Jahrgang 2008, ein Jahr später | |
| verpflichtende Musterungen und dann? In Schweden ist es so, dass bei zu | |
| wenig freiwilligen Rekruten auch junge Männer zum Dienst verpflichtet | |
| werden dürfen. | |
| Die Bundesregierung spricht von einer eventuellen „Bedarfswehrpflicht“, | |
| [1][die im Fall der Fälle aufs Neue im Bundestag diskutiert werden müsste.] | |
| Was damit gemeint ist, weiß keiner so genau. Und ob die momentane Strategie | |
| der Bundeswehr von Ausbildungsmessen, Jugendoffizieren an Schulen, Werbung | |
| auf allen möglichen Plattformen oder Camps wie diesem hier ausreicht, um | |
| das Ziel zu erreichen, ist fraglich. | |
| Christian, Joel, Luca und Phillip, vier junge Männer mit kurzen Haaren und | |
| in verschiedenen Stadien des Bartwuchses, stehen als Teil einer Kleingruppe | |
| auf dem eingezäunten Schotterplatz vor dem Feldlager und warten auf die | |
| nächsten Kommandos ihres Gruppenführers. Sie scheinen mit einer möglichen | |
| Wiedereinführung der Wehrpflicht kein Problem zu haben. Im Gegenteil, wenn | |
| es nach ihnen ginge, sollte das am besten direkt passieren. Auch die | |
| meisten ihrer Schulfreunde seien dieser Meinung, erklären sie mit | |
| aufrechter Körperhaltung und hinter dem Rücken verschränkten Armen. Ihr | |
| zentrales Anliegen ist dabei aber kein sicherheitspolitisches, sondern: | |
| Disziplin. | |
| ## „Wir sind sehr faul geworden“ | |
| Christian, 18, spricht zwar kurz über die „Spannungen im Osten“, dann sagt | |
| er aber: „Die Jugend könnte sich ein bisschen besser benehmen.“ Alle | |
| nicken. Joel, 19, fügt hinzu: „Leider sieht man, dass die Jugend von heute | |
| zu wenig Anstand hat und zu wenig Motivation. Deswegen sollte die | |
| Wehrpflicht wieder eingeführt werden.“ | |
| Werte und Ordnung bei der Bundeswehr lernen? Auch Luca, mit 16 Jahren der | |
| jüngste unter den Vieren, spricht von „Disziplin“ und davon, „einfach mal | |
| die nötigen Regeln zu lernen, die man hier beigebracht bekommt“. Heißt für | |
| ihn: ordentlich, respektvoll, sportlich und nicht faul sein. „Wir sind sehr | |
| faul geworden, das muss man leider mal so sagen, und auch sehr schwach und | |
| undiszipliniert.“ Phillip, 17, bringt dann doch noch etwas Politik ins | |
| Spiel: „Die Bundeswehr braucht Kräfte für den Ernstfall. Man sieht in der | |
| Ukraine, wie schnell es passieren kann, dass auch Deutschland von Russland | |
| überfallen werden könnte. Man sollte dann genug Soldaten haben, um sich zu | |
| verteidigen.“ | |
| Niemand sollte zum Dienst an der Waffe gezwungen werden, da sind sich die | |
| vier einig. Wer nicht will, sollte die Möglichkeit bekommen, [2][einen | |
| Zivildienst zu leisten]. Laut einer Befragung der Universität Bielefeld ist | |
| nur etwa ein Drittel der 18- bis 24-Jährigen für eine Wehrpflicht. Über | |
| alle Altersgruppen hinweg ist es etwas mehr als die Hälfte der Befragten, | |
| die sich für einen [3][militärischen Dienst für junge Menschen] ausspricht. | |
| Anruf bei Michael Schulze von Glaßer, dem Geschäftsführer der Deutschen | |
| Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, kurz DFG-VK. Für | |
| Schulze von Glaßer ist der freiwillige neue Wehrdienst nur der erste | |
| Schritt Richtung Wehrpflicht. Eine Art „Salamitaktik“ der Bundesregierung, | |
| die vor allem den fehlenden Kapazitäten geschuldet ist, um direkt eine | |
| generelle Wehrpflicht wieder einzuführen. | |
| ## Interesse an Verweigerung enorm gestiegen | |
| Bei der DFG-VK sei das Interesse an einer Verweigerung des Kriegsdienstes | |
| spätestens seit der Debatte um eine mögliche Wiedereinführung der | |
| Wehrpflicht enorm gestiegen, erzählt er: „Wir haben unsere Website | |
| [4][verweigern.info] Anfang dieses Jahres in Betrieb genommen, allein im | |
| Oktober hatten wir dort über 160.000 Aufrufe. Unsere ehrenamtlichen Berater | |
| werden überhäuft mit Anfragen.“ Von jungen Leuten, aber auch von besorgten | |
| Eltern. | |
| Schulze von Glaßer empfiehlt jedem, der nicht zum Bund möchte, möglichst | |
| bald zu verweigern. Zwar müsse man sich dann verpflichtend mustern lassen, | |
| aber zurzeit gehe eine Verweigerung noch ziemlich einfach durch – das könne | |
| sich schon bald ändern. Bundeswehrcamps lehnt er ab, sein Verband setzt | |
| sich für weltweite Abrüstung ein. „So ein Panzer ist natürlich | |
| beeindruckend, aber sein einziger Zweck ist es, zu zerstören und Menschen | |
| zu töten“, sagt er. Und: „Wenn schon rekrutiert wird, sollte dies sachlich | |
| sein. Es sollte auch gezeigt werden, was so ein Panzer anrichtet.“ | |
| Natürlich gehe das nicht. | |
| Zurück zum Artilleriecamp in Baumholder. Geladene Waffen, geschweige denn | |
| Schussübungen gibt es hier heute keine. Die Geschosse, die zum Beispiel | |
| neben dem Raketenwerfer Mars stehen, sind nur Attrappen. Diana Hehn zeigt | |
| zur Anschauung – und etwas begeistert – ein paar Explosionen auf ihrem | |
| Handy. Die hatte sie bei der letzten Truppenübung hier auf dem Gelände | |
| gefilmt. | |
| Dass man als Soldat:in im Ernstfall auf Menschen schießen muss oder | |
| selbst sein Leben in Gefahr bringt, spielt im Camp kaum eine Rolle. Ja, | |
| dass der Dienst an der Waffe auch dazu gehöre, sei ihnen klar, sagen die | |
| Teilnehmenden, aber man bereite sich gerade darauf vor, dass es eben nicht | |
| passiere. | |
| ## Fragen zu Aufstiegschancen und Gehalt | |
| Auch die anwesenden Soldat:innen teilen das alte Motto: Si vis pacem | |
| para bellum – wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor. Dazu gehört | |
| mittlerweile auch, dass die Panzerbrigade 45 seit April dieses Jahres | |
| dauerhaft an der Nato-Ostgrenze in Litauen stationiert ist. Doch auch im | |
| Ernstfall – also sollte die Nato angegriffen werden – würde Deutschland | |
| zunächst vor allem als Nachschubland dienen. Landesverteidigung hieße in | |
| dem Fall, vor allem im hybriden Krieg, kritische Infrastruktur zu schützen | |
| sowie logistische Aufgaben zu übernehmen. | |
| Die betreuenden Soldat:innen in Baumholder betonen, dass sie hier seien, | |
| um auch solche Fragen zu klären. Matthias Krämer, | |
| Karriereberatungsfeldwebel für das Beratungsbüro in Darmstadt, sagt: „Es | |
| geht eben auch ums Soldatsein. Und der Dienst an der Waffe und | |
| Auslandseinsätze sind natürlich auch Teil des Soldatseins, nämlich der | |
| wesentliche. Das muss akzeptiert werden.“ | |
| Den Teilnehmenden des Camps geht es eher um Aufstiegschancen oder | |
| Gehaltfragen. „Ich sehe die Bundeswehr vor allem als einen lukrativen | |
| Arbeitgeber“, sagt Fabian, 17 Jahre, kurze Haare, Hornbrille. „Ich kann | |
| hier ein Handwerk lernen und kann das in den Dienst mit der Waffe | |
| mitbringen. Oder das Gelernte im zivilen Leben weiter verwenden.“ Fabians | |
| Pläne sind klar: Abitur fertig machen, dann ein Termin im Assessment-Center | |
| und dann hoffentlich im Artilleriebataillon 345 in die dritte Batterie | |
| kommen. | |
| Viele Interessierte seien unglaublich gut vorbereitet, kommentiert | |
| Offizierin Diana Hehn. „Ein Teilnehmer wusste sogar, dass die Heilige | |
| Barbara die Schutzpatronin der Artillerie ist.“ Sie sehe – entgegen des | |
| gängigen Narrativs in der Gesellschaft – in der jungen Generation keine | |
| blauäugige „lost generation“ und auch keine Null-Bock-Generation. Im | |
| Gegenteil: „Vielen, die zur Karriereberatung kommen, ist es wichtig, etwas | |
| für das Land zu tun, in dem sie ein gutes Leben führen, aber ohne | |
| übertriebenen Patriotismus.“ | |
| Auch bei der Karriereberatung gebe es öfter Gespräche mit besorgten Eltern, | |
| sogar welchen, die ihren Kindern den Dienst verbieten wollen. Die | |
| Bundeswehr sieht dies aber pragmatisch. Sie führt Gespräche mit den Eltern, | |
| doch wer volljährig ist, darf eben selbst entscheiden. | |
| ## Mehr als Kämpfe | |
| Bei den Campstationen geht es um viel mehr als nur ums Kämpfen. Da ist zum | |
| Beispiel der Bereich Instandsetzung. Oder der Panzerspähwagen Fennek, der | |
| aber nur für Menschen ohne klaustrophobische Tendenzen geeignet ist. Oder – | |
| nicht zu unterschätzen – die mobile Wetterstation. | |
| Leonie, 18 Jahre alt, Haare zum Pferdeschwanz gebunden, darf heute einen | |
| roten mit Helium gefüllten Wetterballon in die Luft steigen lassen. Er wird | |
| dann, bis er in etwa 30 bis 35 Kilometern Höhe platzt, regelmäßig | |
| Echtzeitdaten an die Station schicken zu Luftfeuchtigkeit, Temperatur und | |
| Windgeschwindigkeit. Angaben, die im Ernstfall nicht nur wichtig für die | |
| Schützen sind, sondern auch mal dem ein oder anderen Fallschirmspringer in | |
| der Nähe weitergeholfen haben, wie ein Offizier von der Seite erzählt. | |
| „Das Camp macht richtig viel Spaß, wir kriegen viel gezeigt“, findet | |
| Leonie, als der Wetterballon nicht mehr zu sehen ist, dabei bleibt ihr | |
| Blick konzentriert. Das Camp wurde ihr auf einer Berufsmesse nahegelegt. | |
| „Mein Vater und mein Opa waren schon bei der Bundeswehr und ich habe mich | |
| auch schon für die Offizierslaufbahn beworben“, sagt sie. Auch sie meint, | |
| dass die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte. | |
| „Wir sollten dem Land etwas zurückgeben. Aber man sollte entscheiden | |
| können, ob man zur Bundeswehr gehen oder etwas Soziales machen möchte.“ Mit | |
| „wir“ meint sie dann doch erst mal nur die Männer, „weil es für die Fra… | |
| ja körperlich schon etwas anstrengender ist“. | |
| ## Mitfahrgelegenheit im Marder | |
| Beim Camp in Baumholder ist sie eine von 2 Frauen, die anderen 28 | |
| Teilnehmer sind Männer. Sonst sei es im Schnitt eher etwa ein Drittel | |
| Frauen, wundert sich Hehn. Die Bundeswehr biete mittlerweile auch jährlich | |
| einige Camps an, die sich nur an Frauen richten. | |
| Im Camp geht es derweil weiter. Immer wieder marschieren, rumstehen, | |
| aufmerksam zuhören. Dann ist die Station an der Reihe, auf die die meisten | |
| Teilnehmenden wohl besonders gespannt sind – und die Organisationen wie die | |
| DFG-VK besonders kritisieren. Es ist unglaublich laut, als der | |
| Transportpanzer Fuchs und der Schützenpanzer Marder angefahren kommen – | |
| wenig später rauscht noch die Panzerhaubitze 2000 mit ihrem Geschützrohr | |
| staubaufwirbelnd vorbei. | |
| Bis zu 57 Tonnen schwer ist das Gerät und hat eine Reichweite von bis zu 56 | |
| Kilometern. Stolz präsentieren die Kanoniere ihren „Lieblingspanzer“, | |
| erklären im beengten Inneren, wie es beim Schießen abläuft. Wer möchte, | |
| kann eine Geschossattrappe hochheben, sie wiegt über 30 Kilogramm. Die | |
| Mitfahrgelegenheit gibt es aber nur für Fuchs und Marder. | |
| Acht Leute dürfen nun in den Marder steigen, jeweils zwei pro Luke, Rücken | |
| an Rücken, aber immerhin mit Sicht nach draußen. „Gut festhalten“, sagt d… | |
| Fahrer bevor er die Klappe schließt. Dann gibt er ordentlich Gas. Bis zu 65 | |
| Stundenkilometer erreicht das Kettenfahrzeug. Auf der Übungsstrecke werden | |
| die nicht ganz erzielt, trotzdem geht es in unerwartet hoher | |
| Geschwindigkeit auf und ab über das Gelände, einmal etwas langsamer durch | |
| eine künstliche Wasserstelle, dann wieder in schräger Seitenlage | |
| hügelaufwärts. Es gleicht einer Achterbahnfahrt. | |
| ## Nur eine Person verlässt das Camp frühzeitig | |
| „Da sind die Amis“, schreit der junge Mann aus der Nebenluke, der | |
| angesichts des Schaukelns mittlerweile etwas bleich im Gesicht ist. | |
| Tatsächlich fährt der Marder jetzt am angrenzenden Militärflugplatz der US | |
| Army vorbei. Mehrere Minuten geht die Fahrt. Die Vorstellung, man säße | |
| dabei ganz im Inneren des Fahrzeugs, ohne Möglichkeit rauszuschauen, gibt | |
| dem heute so oft erwähnten Wort „Kameradschaft“ ein ganz anderes Gewicht. | |
| Die meisten Teilnehmenden – abgesehen von einer Person, die frühzeitig das | |
| Camp verlässt – sind begeistert von dem Angebot. Vor allem die | |
| Kettenfahrzeuge erfüllen ihren Zweck, vor dem so viele Kritiker warnen. In | |
| einem Panzer mitzufahren, ist eindrucksvoll. | |
| Danach gibt es Mittagessen. Es tut gut, im warmen Zelt zu sitzen. Draußen | |
| kommt jetzt doch noch richtiges „Baumholder-Wetter“ auf: Nieselregen. Im | |
| Zelt kommen die Kappen runter vom Kopf. Es gibt Schupfnudeln mit | |
| Geschnetzeltem aus wiederverwendbaren dunkelgrünen Kunststoffschüsseln und | |
| Joghurt zum Nachtisch. Die meisten essen ziemlich schnell. Es wird | |
| geplaudert, dann geht es schon weiter. Noch waren nicht alle Grüppchen an | |
| allen Stationen. Später folgt noch ein kleiner Wettkampf im | |
| Orientierungslauf, danach Abendessen, Und dann wird der potenzielle | |
| Nachwuchs vermutlich sehr erschöpft ins Bett fallen. | |
| 6 Dec 2025 | |
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