| # taz.de -- Begegnungsstätte Stille Straße in Pankow: Wo ein Wille ist, da is… | |
| > Die Senioren-Begegnungsstätte Stille Straße 10 in Pankow bleibt vorerst | |
| > bestehen. Das soll ein Vertrag mit dem Bezirksamt regeln – der Kampf ist | |
| > aber nicht zu Ende. | |
| Bild: Aktionstag in der Stillen Straße 10 im Oktober | |
| taz | Die gute Nachricht zuerst: Die Stille Straße 10, eine | |
| [1][Begegnungsstätte für Senior*innen in Berlin-Niederschönhausen], wird | |
| im kommenden Jahr voraussichtlich in ihren Räumlichkeiten bleiben können – | |
| und im besten Fall auch darüber hinaus. Das soll fortan ein Nutzungsvertrag | |
| zwischen dem zuständigen Bezirksamt Pankow und dem Förderverein Stille | |
| Straße 10 regeln, der aber noch zwischen den beiden Parteien verhandelt | |
| werden muss. In trockenen Tüchern ist der langfristige Fortbestand der | |
| Begegnungsstätte somit noch nicht. | |
| Trotzdem zeichnet sich ein vorsichtiges Lächeln auf dem Gesicht von Eveline | |
| Lämmer ab, als sie am frühen Dienstagabend den Saal im Bezirksamt Pankow | |
| verlässt, in dem sich der Ausschuss für Soziales, Senior*innen und | |
| Gesundheit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) gerade mit der Zukunft | |
| der Stillen Straße befasst hat. Lämmer ist Vorstandsmitglied des | |
| Fördervereins und sagt: „Ich bin erleichtert.“ Dann unterbricht sie sich, | |
| beugt sich ein Stück vor und setzt erneut an: „Unter Vorbehalt. Euphorisch | |
| bin ich nicht.“ | |
| Die Stille Straße 10 ist kein gewöhnlicher Senior*innentreff. Ein Blick in | |
| die kämpferische Geschichte des Vereins genügt, die im Jahr 2012 mit | |
| [2][einer über 100 Tage andauernden Hausbesetzung] ihren Ausgangspunkt | |
| nahm. Denn schon einmal drohte der Begegnungsstätte die Räumung durch das | |
| Bezirksamt Pankow, dessen Eigentum das Haus ist. Abgewendet werden konnte | |
| die Räumung schließlich unter der Bedingung des Bezirksamtes, dem Verein | |
| das Haus zur Nutzung weiterhin zur Verfügung zu stellen, ohne selbst an den | |
| Kosten beteiligt zu sein. | |
| In der Folge sprang die Volkssolidarität Berlin als Trägerin ein und | |
| übernahm die laufenden Betriebskosten. Gekittet wurde dieses Arrangement | |
| durch einen Nutzungsvertrag zwischen dem Bezirksamt und der | |
| Volkssolidarität, der jedoch Ende dieses Jahres ausläuft. Eine Verlängerung | |
| ist ausgeschlossen. Grund dafür sind die [3][Sparmaßnahmen des Senats], | |
| durch die sich die Volkssolidarität gezwungen sieht, die Förderung der | |
| Stillen Straße 10 einzustellen. | |
| ## Viel Zeit bleibt nicht mehr | |
| Kämpferisch zeigen sich am Dienstagabend auch die rund 30 | |
| Unterstützer*innen der Stillen Straße 10, die der Ausschusssitzung | |
| beiwohnen. Sie halten ein Transparent mit der Ankündigung „Stille Straße 10 | |
| wird laut“ hoch und nehmen es erst herunter, als die Entscheidung eine | |
| Stunde später verkündet wird. | |
| Schnell zeichnet sich ab, dass der ungesicherte Fortbestand der | |
| Begegnungsstätte vor allem vom Geld abhängt. Denn das Haus muss dringend | |
| saniert werden. Viel Zeit für eine Lösung zwischen dem Bezirksamt Pankow, | |
| der BVV und dem Verein bleibt bis zum Jahreswechsel nicht mehr. | |
| Doch zunächst kommen von Grünen, Linken und SPD anerkennende Worte für das | |
| unermüdliche Engagement der Senior*innen. Von „unheimlich viel Energie und | |
| Ressourcen für unterschiedliche Perspektiven“ spricht Sozialstadträtin | |
| Dominique Krössin (Linke). Die SPD-Verordnete Birgit Mickley nennt die | |
| Stille Straße einen „Ort, der zeigt, dass ältere Menschen ihre Interessen | |
| sehr viel stärker vertreten können, als ihnen oftmals zugetraut wird“. | |
| Geht es nach der Pankower Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne), | |
| soll die Begegnungsstätte künftig um zwei Geschichtsprojekte mit | |
| Jugendlichen ergänzt werden. „Wir haben die Stille Straße 10 von Anfang an | |
| in die Konzepte mitgedacht“, betont Koch mehrfach. Die Projekte seien | |
| beantragt, aber noch nicht bewilligt. Mit einer Entscheidung rechne sie in | |
| diesem Jahr „eher nicht“ mehr. | |
| Wann und aus welchen Mitteln das marode Haus saniert werden soll, ist | |
| völlig unklar. Von Koch hieß es: „Im Augenblick wird da überhaupt gar | |
| nichts gemacht.“ Zunächst müssten die Projekte starten, danach werde man | |
| einen Antrag auf Sanierungsmittel stellen. | |
| Anders sieht das Eveline Lämmer. Für sie ist Aufschub keine Option: „Wir | |
| können nicht mehr warten.“ Was passiert, wenn die Heizung plötzlich | |
| kaputtgeht? Oder wenn es erneut zu einem Rohrbruch kommt? Von der BVV und | |
| dem Bezirksamt fordert sie „langfristige Zusagen“ und einen unbefristeten | |
| Nutzungsvertrag. Eine vorsichtige Absage kommt von Stadträtin Krössin: | |
| Unbefristete Mietverträge seien „schwierig“ und so gut wie ausgeschlossen. | |
| Auch Lämmer stellt ein Konzept zur Finanzierung und Erhaltung der | |
| Begegnungsstätte vor, das der Förderverein ausgearbeitet hat. Über | |
| Kooperationen und Stiftungen wolle man finanzielle Unterstützung einholen. | |
| Zudem sei die Spendenbereitschaft der Pankower Bewohnerschaft groß. Die | |
| Betriebskosten für das kommende Jahr könnten damit bereits abgedeckt | |
| werden. Eine langfristige und sichere Finanzierungsoption sei dies jedoch | |
| nicht. | |
| Nach der Verkündung durch das Bezirksamt, dem Verein Stille Straße 10 einen | |
| Nutzungsvertrag vorzulegen, dämpft Bezirksstadträtin für Soziales Krössin | |
| sogleich zu hohe Erwartungen: „Ich will nicht die Stimmung versauen, aber | |
| wir fangen jetzt erst an zu verhandeln. An den Rahmenbedingungen müssen wir | |
| uns noch abarbeiten, das ist klar.“ Für Eveline Lämmer steht fest: „Wir | |
| bleiben hartnäckig dran. Und wir sind bereit.“ | |
| 5 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Nina Schieben | |
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