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# taz.de -- Gefährliches Radfahren: Freihändig im Dunkeln über Rot
> Im Straßenverkehr kann einem angesichts Earphones tragender helmloser
> Radfahrer mulmig werden. Aber ist nicht die ganze Welt ähnlich
> leichtsinnig?
Bild: Helm? Lichter? Hände am Lenker? Respekt für die StVO? Fehlanzeige
Auf dem Weg nach Hause stehe ich abends mit dem Fahrrad an der roten Ampel
und träume vor mich hin. Plötzlich rechts neben mir: Wuuuusch, ein
Windhauch pfeift knapp an meinem Ellenbogen vorbei und schießt über die
leere Kreuzung. Moment: kein Windhauch. Ein junger Mann auf seinem
modischen Bike zischt durch die Dunkelheit in Richtung Fahrradstreifen.
Ich blicke ihm nach und schüttle mein greises Haupt. Dass RadfahrerInnen in
Berlin eine rote Ampel maximal als freundlichen Hinweis zur Gestaltung
ihres individuellen Verkehrsverhaltens begreifen, bin ich gewohnt. Dass sie
lautlos und blitzschnell von hinten millimeterknapp an alten Leute
vorbeifliegen, denen ein Mordsschreck in die morschen Glieder fährt –
geschenkt.
Dass manche unter ihnen wie viel zu viele Automenschen darauf setzen, dass
sich alle anderen aber schön brav an die Regeln halten, denn sonst würde es
noch viel häufiger knallen – macht mich sauer bis rasend. Aber dass sie das
auch noch freihändig tun und ohne Chance zu reagieren, sollte etwas
schiefgehen – meine Fresse.
Ich blicke dem FreeBiker hinterher und schüttele mein greises, aber
helmbewehrtes Haupt immer heftiger: Der junge Mann fährt nicht nur
freihändig. Er hat die Hände auch noch ganz lässig in den Hosentaschen. Er
hat Kopfhörerstöpsel in den Ohren stecken. Er trägt natürlich keinen Helm,
das könnte ja die Frisur seiner sauber polierten Glatze zerstören. Ich sehe
ihn nur von hinten, aber plötzlich bin ich sicher: Sein Rad hat kein Licht.
Und bestimmt fährt er auch noch mit geschlossenen Augen.
## Schlaf- und Stoppschafe
Ich fasse es nicht. Welches lebensgefährliches Risiko manche Leute
eingehen, nur um – was? An der Ampel nicht bremsen zu müssen? Den Schwung
nicht zu verlieren? Nicht zu den Schlaf- und Stoppschafen zu gehören, die
sich der Tyrannei der Verkehrsregeln unterwerfen? Sich um nichts and
niemanden anderes kümmern zu müssen außer der eigenen Welt? Und das um den
Preis, sich und andere schwer zu verletzen oder zu töten?
Das wäre ja, denke ich immer noch mit einem Fuß auf dem Boden an der roten
Ampel, als würden wir alle blind und fröhlich pfeifend auf die Katastrophe
zutreiben. Als würden wir jedes Jahr [1][50 Milliarden Tonnen Klimagift in
die Atmosphäre pumpen], die Wälder der Erde niederbrennen, die
[2][Wasserspeicher der Gletscher abtauen], die fruchtbaren Böden vergiften
oder auswaschen, die Atemluft in den Städten verpesten, die [3][Flüsse und
Meere mit Plastik verseuchen], giftige Stoffe herstellen, von denen keiner
weiß, was sie anrichten.
## Her mit der Knechtschaft
Es wäre so, als würden wir tödlichen und strahlenden Müll produzieren, ohne
zu wissen, wohin damit, als würden wir Tierarten, Pflanzen und [4][ganze
Biosysteme ausrotten], auch wenn unsere Ernährung und unser Wohlergehen an
ihrer Arbeit hängt. Es wäre so, als würden wir uns gegen Veränderung
sperren, obwohl wir wissen, dass es ohne solche Veränderungen bald riesige
Verwerfungen geben wird, die niemand mehr beherrscht. Oder als würden wir
die offene, freie und wohlhabende Gesellschaft, in der wir hier leben,
missachten und uns nach autoritärer Knechtschaft sehnen.
Das alles wäre selbstverständlich in höchsten Grade dumm, verantwortungslos
und gefährlich. Deshalb machen wir es ja auch nicht. Sondern radeln
höchstens mal freihändig über eine Kreuzung. Die Ampel wird grün.
31 Oct 2025
## LINKS
[1] /Ewiges-Eis-schmilzt-dahin/!6074211
[2] /Internationale-Gletscherkonferenz/!6090863
[3] /Verhandlungen-zu-UN-Plastikabkommen/!6104728
[4] /Wasserkraft-in-Bosnien/!5942738
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Wir retten die Welt
Verkehr
Psychologie
Indigene Kultur
Schwerpunkt Klimawandel
Wir retten die Welt
Vogelgrippe
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