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# taz.de -- Reiseziel Reggio Calabria: Pier Paolo Pasolini und die „Insta-Hö…
> Drogenumschlagplatz, Sitz von Mafiabossen und Touristenattraktion: Die
> Reggio Calabria ganz im Süden Italiens hat viele Gesichter.
Bild: Der italienische Regisseur Pier Paolo Pasolini mit Sonnenbrille
Mit dem Slogan „Italiens verstecktes Juwel“ bewirbt eine Fluglinie aktuell
Reisen nach [1][Reggio Calabria]. Biografische Zufälle haben mich mehrmals
an die Stiefelspitze geführt, und in den vergangenen Herbstferien war ich
nun wieder da, mehr oder weniger pünktlich zum 50. Jahrestag der Ermordung
von Pier Paolo Pasolini am 4. November 1975.
Anfang der 1990er kam ich noch mit dem Zug, schlief im Liegewagen auf
meiner Brille ein, der das nicht gefiel. Bis zur Ankunft in Reggio wurde
ich gesotten im Abteil und draußen halbblind ins gnadenlose Licht des
tiefen Südens gestellt. Dann einen Monat Party mit lustigen Spaniern in
einer WG für die Zeit unseres Sprachkurses, aber unvergessen die Szene, als
fiese Typen vor der Stranddisco auftauchten, einen Straßenhund wegtraten
und sich überhaupt wie Herrenmenschen benahmen.
Von Mafia hatte ich damals nur im „Paten“ gehört, von der kalabresischen
Ausprägung [2][’ Ndrangheta] jedoch noch nie. Was ich von der Stadt
mitbekam, war jenseits von Strand und Palmen desolat, die jungen Leute, die
wir kennenlernten, wollten nichts wie weg. Ich kam wieder, zwei Jahrzehnte
waren vergangen, ließ mir von Antimafiaaktivisten und einer Spezialeinheit
der Carabinieri die Villen der Bosse zeigen, den [3][Kokainhafen Gioia
Tauro], die in die toten Flüsse gesetzten Bauruinen.
Noch mal Jahre später, eine [4][Recherche zum Menschenhandel], 200
sogenannte illegale Erntearbeiter in einer verrotteten Lagerhalle, ein
Wasserhahn. Und nun in sechs Stunden von Tür zu Tür, mit Familie und Taxi
und in jedem Raum der Ferienwohnung ein Bildschirm. Das Stadtzentrum, eine
Art touristischer Themenpark, gruppiert rund um die museale
Hauptattraktion, die sogenannten [5][Bronzen von Riace.]
Wie hätte Pasolini das gefunden? Entspricht Reggio Calabria nicht genau
seinem [6][Modell von ökonomischer Entwicklung ohne humanen Fortschritt?]
Eine Stadt, die jahrzehntelang unter dem Albtraum mafioser Herrschaft
gedämmert hat und nun geradezu explodiert, noch für wenige Monate ein
„verstecktes Juwel“, danach einfach eine weitere Insta-Hölle? Oder ist
alles schlicht eine Frage, durch welche Brille man schaut? In ihrem
[7][Nachruf auf Pasolini schrieb Rossana Rossanda vor 50 Jahren]: Wenn er
es überlebt hätte, er hätte den 17-Jährigen, der ihn totprügelte,
verteidigt.
16 Nov 2025
## LINKS
[1] https://monde-diplomatique.de/artikel/!5364216
[2] /Buch-ueber-die-Antimafia/!5788490
[3] /Kokain-Container-am-Mittelmeer/!5128439
[4] https://pag-asa.be/medias/ressourcepublicationitem/30/file/nld/Menschenhand…
[5] https://turismo.reggiocal.it/de/kultur/archaeologie-und-geschichte/die-bron…
[6] https://www.cittapasolini.com/post/pier-paolo-pasolini-sviluppo-e-progresso…
[7] https://ilmanifesto.it/in-morte-di-pasolini
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
Kolumne übrigens
Pier Paolo Pasolini
Drogenkartell
Pier Paolo Pasolini
Schwerpunkt LGBTQIA
Italien
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