Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mexikanische Kampfkunst in Berlin: Maskierte Akrobaten und spektaku…
> Die mexikanische Lucha Libre ist im Berliner Tempodrom zu Gast. Sie ist
> eine sehr besondere Mischung aus Sport, Theater, Kampf und Kunst.
Bild: Luchador-Legende „El Hijo del Santo“ bezwingt den bösen „Hijo del …
Noch steht der Ring inmitten des Tempodroms leer. Doch die zu großen Teilen
bunt maskierten, Selfies machenden Zuschauer lassen darauf schließen, dass
hier gleich die ganz große Show stattfindet. Heute finden hier zeitgleich
zu einem der wichtigsten mexikanischen Feiertage – dem Día de los Muertos –
gleich mehrere Wettkämpfe in einer der beliebtesten Sportarten Mexikos
statt: Lucha Libre.
Lucha Libre heißt auf Deutsch so viel wie Freistilkampf. Gemeint ist
mexikanisches Wrestling, [1][ein Showkampf,] der sich aus dem Zirkuskampf
und dem Ringen im griechisch-römischen Stil entwickelte. In den 1930ern
wurde daraus ein eigenständiger Wettkampf, besser gesagt: eine Art
Kampf-Akrobatik-Show. Denn die Choreografien stehen wie beim
US-amerikanischen Wrestling schon vorab genauso fest wie die Gewinner. Was
das Spektakel aber nicht weniger beliebt macht.
Das Charakteristische sind vor allem die Stoffmasken der Luchadores, der
Kämpfer. Sie sind Teil ihrer Identität, ihrer Figur, die sie nicht nur im
Ring verkörpern, meist treten sie auch in der Öffentlichkeit maskiert auf.
[2][Das Lucha-Libre-Event im Tempodrom] wird als „familienfreundlich“
beworben, und in der Tat sind viele begeisterte Kinder dabei, die ihre
Helden anfeuern. Aber nicht nur von den Kindern wird manch ein Luchador in
Mexiko wie ein Superheld gefeiert. Die größte [3][Lucha-Legende ist wohl
„El Santo“], der 1984 in seiner silbernen Maske begraben wurde und dessen
Beerdigung zu den größten der mexikanischen Geschichte gehört.
## Akrobatische Salti und Würfe
Es gibt sogar Comicstrips und Superheldenfilme von und mit ihm. In Berlin
tritt sein Sohn El Hijo del Santo an, ein alternder Superheld, der mit 62
zum ersten und letzten Mal in Berlin kämpft. Am 13. Dezember beendet er
seine Karriere. Die dynastische Nachfolge wird wohl sein Sohn Santo Jr.
übernehmen, der heute an seiner Seite kämpft.
Die Show beginnt. Der Ringsprecher steigt unter lautem Jubel und Musik in
den Ring. Spricht zwei Sätze Deutsch und dann nur noch Spanisch. Er erklärt
die „Regeln“: es kämpft immer gut gegen böse, die sogenanntegn „rudos�…
also die „Groben“, die auch unfair kämpfen und in der Regel vom Publikum
ausgebuht und beschimpft werden, gegen die „técnicos“. Das sind die, die
sich an die Regeln halten und angefeuert und verehrt werden. Wer seinen
Gegner zu Boden stürzt und ihn drei Sekunden halten kann, gewinnt die
Runde. Wobei über die drei Sekunden gern mal sehr inszeniert mit dem
Referee diskutiert wird.
Die erste Runde gehört zwei Luchadoras: Hardcore Diva gegen Julissa Mexa.
Auch wenn viel Schauspiel, gefakte Tritte und Haltegriffe dabei sind,
bewundernswert sind die akrobatischen Salti und Würfe allemal. Es geht
weiter mit zwei gegen zwei: Der Ringsprecher ist plötzlich der Luchador
Orlando Silva und tritt mit Tengkwa gegen den bösen Vampir Belthazar und
den „kurdischen Adler“ Sorani an. Danach braucht er erst mal eine Pause,
das ist sicherlich nicht gefakt.
Am Merchstand stehen einige maskierte Akrobaten, die schon im Ring standen,
verschwitzt und mit Schrammen auf den nackten Oberkörpern, ein wenig Lucha
ist beim Lucha Libre dann doch dabei. Berlin sei eine Station ihrer
einjährigen Tournee, erzählen sie. Gestern seien sie in London gewesen,
ansonsten kämpften sie hauptsächlich in Mexiko. Sie wirken müde. „Ich habe
bis jetzt noch nichts gegessen“, sagt Hardcore Diva. Das Touren sei
anstrengend und Lucha Libre bedeute jeden Tag Training. Vor allem richtig
zu fallen muss trainiert werden. Seit 16 Jahren ist sie Luchadora. „Früher
habe ich Fußball gespielt, wollte aber mal einen anderen Sport
ausprobieren“, sagt sie.
## Publikum als Teil der Show
Nach der Pause geht es weiter mit abgefahrenen seidenen Kostümen,
glitzernden Umhängen mit Marienabbildungen und einer geschnitzten
Tigermaske mit aztekischen Elementen. Sport, Theater, Kampf, mexikanische
Kunst – im Lucha Libre vermischt sich alles. Puma King tritt mit Bobby Lee
jr. gegen Tigre Blanco und Redimido auf. Letzterer gehört in seiner engen
lila Leggins zu den Publikumslieblingen. Denn das Publikum schaut nicht nur
brav zu, es ist Teil der Show. „Chinga tu madre“ („F* deine Mutter“)
schreien sie die Bösewichte an. Und: „Culero“ („Arschgeige“). Dazu imm…
wieder der krachende Knall beim Aufprall der Luchadores auf der harten
Ringmatte, gefolgt durch das „Oooh“ der Zuschauermenge.
Dann kommt der besondere Moment des Abends – so der Ringsprecher. Der
größte Kampf steht noch aus: El Hijo del Fishman, Texano jr. und El Hijo de
L. A. Park versus Ciclon Ramirez, Santo jr. und El Hijo del Santo.
Allerspätestens jetzt weiß man, warum die vorderen Reihen gewarnt wurden,
auf keinen Fall während des Kampfes den roten Teppich um den Ring herum zu
betreten. Die Hebefiguren, Haltegriffe, Saltosprünge von den Seilen runter
und das High Flying finden nicht nur im Ring statt.
Selbst der Referee ist irgendwann machtlos; alles gerät aus dem Ruder, die
Luchadores kämpfen und fliegen umher. Auch in die Bestuhlung, die
Bierbecher und halbvollen Popcorntüten hinein (freilich mit Vorwarnung).
Ein „rudo“ versucht sogar El Hijo del Santo die Maske vom Kopf zu reißen,
doch er beißt sich daran fest, zerbeißt sie fast selbst.
Am Ende gewinnen dann doch bei allen Kämpfen die Guten. Zu einer
Demaskierung kommt es natürlich nicht in Berlin. Hier ist Lucha Libre vor
allem Show. In Mexiko ist es aber auch der Traum des Aufstiegs und oftmals
auch ein symbolischer Kampf gegen den bösen Amerikaner. In Mexiko komme es
gar regelmäßig zu internen Auseinandersetzungen zwischen der Arbeiterklasse
auf den billigen hinteren Rängen und den Reichen, die sich die Plätze
direkt am Ring leisten können, erzählt eine Zuschauerin. Dieser Aspekt kam
im Tempodrom in Berlin leider nicht zur Geltung.
3 Nov 2025
## LINKS
[1] /Dragqueens-beim-Wrestling/!6078248
[2] https://www.wblive.co.uk/events/luchalibreworld-berlin
[3] https://www.deutschlandfunkkultur.de/lucha-libre-wrestling-in-mexiko-nicht-…
## AUTOREN
Ruth Lang Fuentes
## TAGS
Kampfsport
Wrestling
Mexiko
Actionfilm
Wrestling
Film
## ARTIKEL ZUM THEMA
Hulk Hogan ist tot: Wrestling-Legende, Actionheld, Trump-Unterstützer
Er war das Gesicht des US-Wrestlings und eine umstrittene Figur der
Pop-Kultur. Jetzt ist Hulk Hogan mit 71 Jahren gestorben.
Dragqueens beim Wrestling: Ringen bis zum Untergang
Den oft sexistischen, homophoben und rassistischen Wrestlingshows in den
USA setzt die Gruppe Choke Hole ein queeres Spektakel entgegen.
Wrestling als Widerstand: Die Umdeutung seines Körpers
Marie Losiers kluges Film-Porträt eines berühmten, mexikanischen und
schwulen Wrestlers „Cassandro the Exotico!“ wird bei MUBI gezeigt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.