Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- NS-Aufarbeitung bei der DLRG: Verpasste Chance der Lebensretter
> Die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft präsentiert eine Studie zu ihrer
> Rolle während der NS-Herrschaft. Eine wichtige Frage bleibt offen.
Bild: Alles für die gute Sache? Ambivalenz zwischen Idealismus und NS-Ideologie
„Ja, man hätte das Ganze schon 20 Jahre vorher machen können“, sagt Ute
Vogt. „Aber ich bin froh, dass es das jetzt gibt.“ Vogt ist seit 2021
Präsidentin der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG), bekannt wurde
sie als SPD-Politikerin.
„Das Ganze“ ist eine Aufarbeitung der DLRG-Geschichte bis 1945. Der Verband
hat ein Autorenteam beauftragt, die „erste fundierte Darstellung“ der Rolle
der DLRG vor und während der NS-Herrschaft vorzulegen. Der Auftrag ging an
einen Sportwissenschaftler, eine Literaturwissenschaftlerin, einen
Juristen, einen Arzt und einen Geschichtslehrer. Geleitet wurde das Team
von Kerstin Teicher, einer Wirtschaftswissenschaftlerin.
Am Mittwoch haben Teicher und ihr Team gemeinsam mit der DLRG-Spitze in
Berlin die Ergebnisse vorgestellt. E[1][ine „Ambivalenz zwischen Idealismus
und NS-Ideologie“] konstatiert Teicher, die sie so erklärt: „Es gab eine
DLRG-Innenwelt, und es gab eine DLRG-Außenwelt.“
Die Innenwelt habe sich etwa in weiterhin gepflegter Kameradschaft gezeigt,
da habe sich der ursprünglich humanitäre Anspruch erhalten. Bei einer
Rettung habe niemand gefragt: „Gehörst du der Partei an oder nicht?“ Nur in
der DLRG-Außenwelt habe man sich an das Regime angepasst. Entsprechend
klang auch die Einschätzung, ob die DLRG sich denn hätte widersetzen
können: „Nach unserer Quellenlage wäre das sehr schwierig gewesen, die DLRG
hätte verboten werden können“, sagt Teicher.
„Der DLRG-Führer“
Vor diesem Problem stand die DLRG freilich nie. Aus dem geschäftsführenden
Vorsitzenden Georg Hax wurde 1933 der „DLRG-Führer“. Gleich gab sich die
DLRG einen Arisierungsparagrafen. 1934 bekannte sich die DLRG dazu, „im
Sinne des und für den nationalsozialistischen Volksstaat zu arbeiten“, und
ab 1939 wurde die DLRG zur kriegswichtigen Organisation. Für die DLRG war
dies eine erfolgreiche Zeit: Die Mitgliederzahlen gingen nach oben.
Ablesbar ist der Boom an den DLRG-Abzeichen: 1928 waren es circa 30.000,
1935 über 250.000, 1937 dann mehr als 500.000, und 1942 über 900.000
Prüfungen.
An Chroniken zur Geschichte der 1913 gegründeten und 1925 neu aufgestellten
DLRG herrscht kein Mangel. 1977 etwa erschien ein offizielles Buch, das für
1933 dem Verband „eine Pause der Besinnung und Neuorientierung“
bescheinigt. Dort bedankt man sich auch beim [2][Funktionär Franz
Breithaupt], der erfolgreich für die Selbstständigkeit der Organisation
gekämpft habe. Breithaupt war ab 1942 DLRG-Führer und ansonsten als
SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS ganz weit oben in der
NS-Hierarchie.
Mit Lobhudelei von Leuten wie Breithaupt hat die neue Studie nichts am Hut.
Vielmehr stellt sie die Integration der DLRG in den NS-Staat gerade entlang
der Biografien solcher Funktionäre dar. Doch die Chance, die Bedeutung von
Verbänden wie der DLRG für das Aufkommen der NS-Herrschaft zu untersuchen,
wird nicht genutzt. Breithaupt etwa war schon 1925 zum stellvertretenden
Vorsitzenden der DLRG ernannt worden, da war er bereits überzeugter Nazi.
1932 wurde er gar schon SS-Sturmbannführer. Für die Autoren der Studie
tritt der Bruch aber erst 1933 ein: „Aus demokratisch gesinnten Menschen
wurden DLRG-Funktionäre, mindestens Mitläufer oder gar Mittäter des
Regimes“, heißt es.
Nur an zwei jüdische DLRG-Mitglieder, die hinausgeworfen wurde, wird
erinnert. Einem von beiden, der die Schoa überleben konnte, wird dankbar
bescheinigt, dass er „die Größe hatte, nach dem Krieg der DLRG die Hand zu
reichen“.
Welche Lehren mag die DLRG, mit 600.000 Mitgliedern immerhin einer der
größeren Sportverbände, aus der Studie ziehen? [3][Ute Vogt] berichtet,
dass es Fälle von Funktionären gegeben habe, die auf Social Media mit
rechtsextremen Hassbotschaften aufgefallen seien. „Da sorgen wir dafür,
dass die ihr Amt ruhen lassen.“ Schwierig sei es jedoch, einfache
Mitglieder verfassungsfeindlicher Parteien abzuwehren.
29 Oct 2025
## LINKS
[1] https://www.dlrg.de/news/news-detail/zwischen-idealismus-und-ns-ideologie-d…
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Breithaupt
[3] /DLRG-Praesidentin-Ute-Vogt/!6104440
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Rettung
Aufarbeitung
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Rennreiten
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Fußball und Politik
## ARTIKEL ZUM THEMA
NS-Aufarbeitung im Pferdesport: Hippologisches Hinterfragen
Wie belastet war Reitsportfunktionär Gustav Rau? Sein Einfluss in der
Nazizeit ging wohl über den eines einfachen NS-Mitläufers weit hinaus.
Berliner Fußball-Clubs in der NS-Zeit: Mitläufer und Mittelstürmer
Der Berliner Fußball-Verband lässt seine Rolle während der Nazizeit
wissenschaftlich aufarbeiten. An der TU wurden nun erste Ergebnisse
vorgestellt.
Magazin „Kicker“ im Nationalsozialismus: Mitgeschossen, mitgemacht
Eine Studie widmet sich dem Fußballblatt „Kicker“ im Nationalsozialismus.
Sie zeigt, dass der Ballsport immer schon ein politisches Umfeld hatte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.