Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Todesstrafe für Simon Desue in Dubai?: Babel in der Wüste
> Hinter Dubais glänzenden Fassaden lauern Kontrolle, Angst und Ausbeutung.
> Die Verhaftung von Influencer Simon Desue zeigt, wie brüchig der Traum
> ist.
Bild: Turm zu Dubai
Nach der Sintflut lebten alle Menschen an einem Ort und sprachen eine
gemeinsame Sprache. Sie beschlossen, eine Stadt zu bauen und darin einen
Turm, der bis in den Himmel reichen sollte. Sie wollten sich einen Namen
machen und nicht über die Erde verstreut werden. Dieses biblische Bild von
Babel, vom Aufstieg und Hochmut passt heute gut – auf eine Stadt, die
selbst zur Legende geworden ist: Dubai.
Die glamouröse Metropole inmitten der Wüste der Vereinigten Arabischen
Emirate [1][zieht seit Jahren Tausende Influencer:innen an], das nicht
[2][zuletzt wegen saftiger Steuervorteile.] Sie wohnen dort in eleganten
Hochhäusern, posten Fotos von leuchtenden Fassaden, teuren Autos,
Luxushotels. Als wäre das Leben hier selbst ein TikTok-Filter.
Auch die deutsche Rap- und Popkultur bejubelt die Metropole: Luciano rappt:
„Flieg nach Dubai und sammel die Meilen.“ Bushido besingt den Burj Khalifa,
das höchste Bauwerk der Welt. Und der Hype ist auch in Deutschland nah,
wahlweise durch Dubai-Schokolade oder unzählige Lifestyle-Videos, die uns
auf den sozialen Medien erreichen. Sie zeichnen das Bild einer Stadt, in
der alles möglich scheint. Der Turm zu Babel wurde gebaut, und er glänzt.
Doch Dubai ist auf dem Rücken tausender südasiatischer
Gastarbeiter:innen gebaut, die unter prekären Bedingungen die
Megaprojekte ermöglichen. Für sie bleibt wenig außer Schulden, Hungerlöhnen
und katastrophalen Lebensbedingungen, bei sommerlichen
Durchschnittstemperaturen von über 35 Grad. Queere Menschen,
Transvestitismus, öffentliche Zuneigung – all das ist verboten. Die
strengen Drogengesetze der Vereinigten Arabischen Emirate bestrafen jeden
Fehltritt hart.
## Harte Strafen
Ein aktuelles Beispiel dafür: [3][Simon Desue. Der deutsche Influencer] –
bekannt geworden durch sein YouTube-Format „HalfcastGermany“ und später
durch zahlreiche Mitwirkungen bei Sendungen etwa bei RTL und ProSieben –
wanderte 2019 nach Dubai aus. In den vergangenen Jahren zog er sich aus der
Öffentlichkeit zurück, jetzt gab es aber eine neue Nachricht: Nach noch
unbestätigten Berichten wurde er kürzlich wegen Drogenbesitzes verhaftet.
Dafür droht ihm eine hohe Haftstrafe, wenn nicht sogar die Todesstrafe. Ein
Einzelfall? Eher ein Symptom eines Systems, das keine Fehler verzeiht.
Dass Influencer:innen nach Dubai pilgern, ist mehr als ein
individueller Traum. Sie sind Sprachrohre, die Millionen Menschen das Bild
einer Stadt verkaufen, die nur für einige gemacht ist. Die Regierung hat
sogar eine eigene Influencer-Akademie.
Die NGO „[4][Detained in Dubai]“ kritisiert das im April dieses Jahres
scharf: Die Akademie sei nichts als ein Versuch der Regierung, die Realität
zu übertünchen – die Repression, die Zensur, die systematische
Unterdrückung hinter einem Glamour-Vorhang zu verstecken. Tourist:innen
und Nachwuchs-Creator:innen folgen den TikTok-Träumen, ahnen aber selten,
dass das, was sie sehen, sorgfältig inszeniert ist.
Die Schattenseiten treffen auch die Influencer:innen selbst. So etwa
das ukrainische [5][OnlyFans-Model] Maria Kowaltschuk, die im April 2025
mit gebrochenen Armen, Beinen und Rückgrat am Straßenrand in Dubai gefunden
wurde. Offizielle Quellen sprechen von einem Selbstmordversuch, aber es
gibt auch Hinweise darauf, dass sie Opfer sexualisierter Gewalt wurde. In
letzter Zeit häufen sich Berichte darüber, dass es in Dubai ein grausames
System aus Macht, Sex und Gewalt gibt. Aus Angst vor strengen Repressionen
werden die Taten nur selten angezeigt.
## Hochmut und Verwirrung
Dubai ist wie Babel: hoch gebaut, verlockend. Aber es steht auf einer
Basis, die ausgrenzt und verschweigt. Influencer:innen verbreiten die
glänzende Fassade und verwirren die Sprache der Realität.
Am Ende bleibt die Frage: Wer bezahlt den Preis für den Traum vom Luxus? Es
sind nicht die Influencer:innen selbst, sondern all jene, deren
Geschichten hinter den glänzenden Fassaden verschwinden. Und während Simon
Desue nun selbst vom System verschluckt wurde, erinnert uns das Bild von
Babel daran: Hochmut, Glamour und der Wunsch nach Unsterblichkeit enden oft
in Verwirrung. Vielleicht ist es Zeit, genauer hinzusehen, bevor wir der
nächsten Person folgen, die gerade ihren Flug nach Dubai gebucht hat.
23 Oct 2025
## LINKS
[1] /Influencer-Team-bei-Steuerfahndung-NRW/!6100884
[2] /Influencer-Team-bei-Steuerfahndung-NRW/!6100884
[3] https://www.instagram.com/simondesue/?hl=de
[4] https://www.detainedindubai.org/
[5] /Leaks-bei-Onlyfans/!6077315
## AUTOREN
Ann-Kathrin Leclere
## TAGS
Dubai-Schokolade
Influencer
Dubai
Social Media
Saudi-Arabien
talkshow
Social-Auswahl
Social Media
wochentaz
Big Tech
## ARTIKEL ZUM THEMA
Deutscher Travelcontent aus Afghanistan: Tiktoken mit den Taliban
Anfang der Woche hatten die Taliban das Internet landesweit abgestellt.
Währenddessen reisen Travel-Influencer ins Land und machen Geld mit
Content.
Politik auf Social Media: Die Supermacht der Influencer
Der erschossene Podcaster Charlie Kirk war einer der engsten
Trump-Vertrauten. Doch nicht nur in den USA gewinnen Social-Media-Stars an
politischem Einfluss.
„Influencer-Team“ bei Steuerfahndung NRW: Stars sollen 300 Millionen Euro h…
Sie arbeiten in den sozialen Medien und zahlen dafür oft keine Steuern.
Jetzt nimmt der Staat Influencer*innen ins Visier. Der Schaden ist
riesig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.