| # taz.de -- EZB führt Klimafaktor ein: Wie Zentralbanker die Natur retten woll… | |
| > Klima- und Naturkrise gefährden die Wirtschaft massiv. Die Europäische | |
| > Zentralbank will gegensteuern. Kann sie das – und darf sie es überhaupt? | |
| Bild: Nicht nur schlecht für Fische: Bei zu wenig Wasser werden Lieferketten u… | |
| Schon im [1][Frühjahr war der Rhein dieses Jahr oft flach], weil der Regen | |
| ausgeblieben war. Für die Wirtschaft ist solches Niedrigwasser ein Problem. | |
| Schiffe können dann weniger Ladung über den Fluss transportieren – weniger | |
| Rohstoffe wie Getreide, Chemikalien oder Kohle. Im Extremfall bedeutet das: | |
| Unternehmen schränken ihre Produktion ein. | |
| Die Wirtschaft ist auf die Natur angewiesen, zum Beispiel eben auf Wasser | |
| im Rhein. Das beschäftigt auch [2][die Europäische Zentralbank (EZB). Sie | |
| hat dieses Jahr ihre geldpolitische Strategie überarbeitet]: Schon länger | |
| möchte sie die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Arbeit | |
| berücksichtigen, jetzt will sie zusätzlich die Naturzerstörung im | |
| Allgemeinen in den Blick nehmen. Kann die EZB dazu beitragen, die Natur zu | |
| schützen? Und ist das überhaupt ihre Aufgabe? | |
| Ein Interesse daran hat sie auf jeden Fall. Sie beaufsichtigt die Banken im | |
| Euroraum und versucht, für ein stabiles Finanzsystem zu sorgen. Banken | |
| wiederum verleihen Geld an Unternehmen. Wenn die ökologischen Krisen des | |
| Planeten deren Geschäftsmodell bedrohen, ist das auch ein Risiko für die | |
| Banken – und deshalb wichtig für die Arbeit der EZB. Und das Risiko ist | |
| eindeutig vorhanden. | |
| Im Jahr 2023 hat die Zentralbank eine [3][Studie] veröffentlicht, die | |
| zeigt: 72 Prozent der Unternehmen im Euroraum sind stark abhängig von | |
| mindestens einer Ökosystemdienstleistung, ziehen also einen konkreten | |
| Nutzen aus der Natur. 75 Prozent der Bankkredite gehen an genau diese | |
| Unternehmen. | |
| ## EZB führt sogenannten Klimafaktor ein | |
| Wenn Banken sich Geld bei der Zentralbank leihen, müssen sie Sicherheiten | |
| hinterlegen. Das können etwa Wertpapiere sein oder Kreditforderungen. In | |
| diesem Zusammenhang [4][hat die EZB für 2026 einen Klimafaktor | |
| angekündigt]. Das bedeutet: Für Sicherheiten aus besonders klimaschädlichen | |
| Geschäften könnten die Banken weniger Geld bekommen. | |
| Wie hoch der Faktor ausfallen wird, weiß man noch nicht. Entsprechend ist | |
| fraglich, ob er einen großen Einfluss haben wird. Er ist aber ein | |
| Instrument, das die Zentralbank Schritt für Schritt verschärfen könnte. Und | |
| sie könnte ihn auch auf bestimmte Naturrisiken ausweiten. „Prinzipiell | |
| könnte die EZB auch wirtschaftliche Aktivitäten einbeziehen, die besonders | |
| zur [5][Entwaldung] beitragen oder [6][zu Wasserstress]“, sagt Yannis | |
| Dafermos, der den Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der | |
| Soas-Universität London leitet. | |
| Noch weiter gehend könnte die EZB besonders klima- und umweltschädliche | |
| Unternehmensanleihen komplett als Sicherheiten verbieten. Und auch in ihrem | |
| eigenen Portfolio könnte die Zentralbank solche Anleihen durch die von | |
| umweltfreundlicheren Unternehmen ersetzen. | |
| ## Naturzerstörung schwer bezifferbar | |
| Doch der Umgang mit Naturzerstörung ist noch komplizierter als der mit | |
| Klimarisiken. Das hängt auch damit zusammen, dass sie schwieriger zu | |
| berechnen ist. „Für CO2 gibt es ganz klare Metriken, wie das | |
| Erwärmungspotenzial oder das CO2-Budget“, sagt Jens van ’t Klooster, der an | |
| der Universität Amsterdam unter anderem zu Zentralbanken forscht. „Andere | |
| Formen von Umweltschäden sind viel schwieriger in die Finanz- und | |
| Geldpolitik aufzunehmen.“ | |
| Deshalb untersucht die Zentralbank vor allem erst einmal: Welche | |
| Unternehmen hängen von welchen Beiträgen der Natur ab? Wie wahrscheinlich | |
| ist es, dass diese Beiträge ganz oder teilweise ausfallen? Und was würde | |
| das für das Wirtschafts- und Finanzsystem bedeuten? | |
| Eine [7][erste Veröffentlichung] zu einer neuen Analyse der EZB zeigt: Zu | |
| wenig Oberflächenwasser, also Wasser in Flüssen, Seen oder der | |
| Erdoberfläche, ist das größte Naturrisiko für die Wirtschaft im Euroraum. | |
| „Wasser ist eine Ressource, ohne die kein industrieller Prozess auskommen | |
| kann“, sagt auch Frauke Fischer. Sie ist Biologin und hat eine | |
| Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Biodiversität gegründet. „Und wie auf | |
| diesem Planeten Wasser vorhanden ist – in welcher Menge, an welchem Ort und | |
| in welcher Reinheit –, das entscheiden eben nicht Wasserwerke, sondern das | |
| entscheidet die Natur.“ | |
| So weit ist jetzt also auch die EZB. „Im nächsten Schritt müssen wir die | |
| wissenschaftliche Forschung in ökonomische Modelle übersetzen“, sagt Andrej | |
| Ceglar, Klimawissenschaftler an der EZB. „Modelle, die uns dabei helfen, | |
| die ökonomischen Auswirkungen von Naturzerstörung zu verstehen, zum | |
| Beispiel auf das BIP, die Inflation oder die Arbeitsproduktivität.“ | |
| ## Darf die EZB überhaupt zur Naturschützerin werden? | |
| Man kann sich fragen, wieso die EZB weiter herumrechnet, während wir doch | |
| überhaupt keine Zeit mehr haben. Schon länger fordern viele NGOs und | |
| Forschende ein Vorsorgeprinzip: Auch wenn wir nicht im Detail verstehen, | |
| wie welches Unternehmen von den Leistungen der Natur abhängt, ist klar: | |
| Wenn Unternehmen weiter Kohle und Öl fördern oder intakten Regenwald | |
| abholzen, heizt das die Klima- und Naturkrise an. Und es gefährdet das | |
| Finanzsystem. | |
| Klar ist deshalb, dass die Mandate der EZB durchaus auch mit Klima- und | |
| Naturschutz zu tun haben. Das Erste ist die Preisstabilität. Wenn Ernten | |
| ausfallen, wie es etwa Klimawandel oder Insektensterben wahrscheinlicher | |
| machen, [8][steigen die Preise für Lebensmittel]. Wer gerade Kaffee im | |
| Supermarkt kauft, zahlt zum Beispiel deutlich mehr als im letzten Jahr. | |
| Außerdem eine wichtige Aufgabe der EZB: das Finanzsystem stabil zu halten. | |
| Und das wird durch die Folgen der Klima- und Naturkrise bedroht: Brechen | |
| Ökosysteme zusammen, kommen Unternehmen ins Straucheln, fallen Kredite aus, | |
| sind die Banken in Gefahr. | |
| Die EZB hat auch noch ein sekundäres Mandat: Sie soll die | |
| Wirtschaftspolitik der EU unterstützen, wenn sie damit nicht der | |
| Preisstabilität schadet. Klimaschutz ist klar in der EU-Politik verankert, | |
| und die Klima- und Naturkrise hängen miteinander zusammen. Man kann also | |
| argumentieren, dass die EZB sich auch unter dem sekundären Mandat mit | |
| Naturrisiken beschäftigen sollte. | |
| Genau diese Argumente nutzt die Zentralbank bereits, um ihre bisherigen | |
| Maßnahmen in dem Feld zu begründen. Fragt man Menschen, die sich schon | |
| lange mit der EZB beschäftigen, warum die Zentralbank angesichts der | |
| verheerenden Prognosen zu Extremwettern, Naturverlust oder Kipppunkten | |
| nicht noch viel mehr tut, bekommt man oft gleichlautende Antworten: | |
| Zentralbänker:innen sehen das nicht als ihre Aufgabe. Obwohl es | |
| zwischen ihren Mandaten und Klima- und Naturschutz klare Verbindungen gibt, | |
| haben sie Angst, zu viel zu machen. Um einzelne Unternehmen oder Banken | |
| einzuschränken, brauchen sie eine sehr gute Datengrundlage. | |
| Was könnte die EZB noch tun, um dabei zu helfen, die planetaren Krisen in | |
| den Griff zu bekommen? Eine andere Gruppe Forschender hat sich – gefördert | |
| unter anderem durch die Umweltorganisation WWF – mit Kipppunkten in | |
| Ökosystemen und den Gefahren für das Finanzsystem beschäftigt. Sie schlagen | |
| [9][als weitere Maßnahme vor]: Zentralbanken und Aufsichtsbehörden sollten | |
| höhere Kapitalpuffer fordern, wenn Banken Geld an Unternehmen verleihen, | |
| die besonders zur Naturzerstörung beitragen. Das bedeutet, dass Banken mehr | |
| Eigenkapital vorhalten müssten – solche Kredite würden dann unattraktiver. | |
| Obwohl er die Ansicht vertritt, Zentralbänker:innen sollten mehr tun, | |
| sieht van ’t Klooster von der Universität Amsterdam vor allem gewählte | |
| Parteien stärker in der Pflicht. „Ich bin Demokrat und ich denke, es ist | |
| nicht gut, wenn Zentralbanken mit ihrer beschränkten Aufgabe zu weit | |
| weggehen von dem, was unsere Regierungen entscheiden“, sagt er. „Da machen | |
| wir jetzt katastrophal dumme Entscheidungen, aber daran ist die EZB nicht | |
| schuld.“ Und auch eine Sprecherin der EZB sagt: „Wir sind einer von vielen | |
| Mitwirkenden.“ | |
| 23 Dec 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Trockenheit-und-niedrige-Pegelstaende/!6076577 | |
| [2] /Isabel-Schnabel/!6066010 | |
| [3] https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpops/ecb.op333~1b97e436be.en.pdf | |
| [4] https://www.ecb.europa.eu/press/pr/date/2025/html/ecb.pr250729_1~02d753a029… | |
| [5] /Vertagte-EU-Waldschutz-Verordnung/!6133558 | |
| [6] /Klimakrise-und-Finanzen/!6099410 | |
| [7] https://www.ecb.europa.eu/press/blog/date/2025/html/ecb.blog20250523~d39e3a… | |
| [8] /Kaffee-Orangensaft-Olivenoel/!6089894 | |
| [9] https://wwfint.awsassets.panda.org/downloads/wwf_gfri_ucl-iipp-tipping-poin… | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Mau | |
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