| # taz.de -- Lästige Insekten: Angriff der Essigfliegen | |
| > Wenn in Unterfranken die Trauben reif werden, schlüpfen auch die Muggli. | |
| > Das sind kleine Fliegen, die Winzer und Gäste in den Wahnsinn treiben. | |
| Bild: Drosophila melanogaster, auch Essigfliege oder Fruchtfliege oder Muggli g… | |
| Das absolute Ende des Sommers ist immer dann, wenn man sich den Muggli | |
| nicht mehr erwehren kann. Jedes Jahr gibt es ein Wochenende, an dem die | |
| Gäste an ihren Tischen von klitzekleinen Fliegen umgeben sind. | |
| Muggli – so wird hier in Unterfranken die Drosophila melanogaster genannt, | |
| die kleine Essigfliege. Ihre Saison beginnt, wenn Anfang September [1][die | |
| Trauben reif werden]. Sie leben von den Hefen und Bakterien, die auf | |
| beschädigten und gärenden Trauben einen Nährboden finden. Die Insekten | |
| können diese Mikroorganismen über den ganzen Weinberg verteilen, zum | |
| Beispiel das Essigsäurebakterium, und damit viel Schaden anrichten. | |
| Mancher Winzer richtet sich bei der Lese daher nicht nur nach dem | |
| Öchslegrad der Früchte, also dem Zuckergehalt im Most, sondern auch nach | |
| der Muggli-Dichte in seinem Weinberg. Weil alle zwei Wochen eine neue | |
| Muggli-Generation schlüpft, ist Mitte Oktober der Höhepunkt der Saison | |
| erreicht. Dann schlüpft die dritte und vierte Generation, in den Weinbergen | |
| wird es den vielen Fliegen bald zu eng, es mangelt an Nahrung und die | |
| Nächte werden kälter. Myriaden von ihnen drängen in die Häuser. | |
| Die Muggli sind so in der Überzahl, dass weder Fliegengitter noch | |
| Essigfallen etwas gegen sie ausrichten. (Ein Tropfen Spüli im Essig reicht, | |
| um die Oberflächenspannung der Flüssigkeit zu verändern. Die kleinen | |
| Fliegen können dort also nicht mehr landen – und versinken sofort.) Die | |
| Zahl der Tiere, die in den Schälchen mit verdünntem Essig ertrinken, fällt | |
| gegen die Tiere, die nachkommen, allerdings nicht ins Gewicht. | |
| ## Bald hat es sich ausgespukt | |
| Muggli sind im Übrigen nicht mit Muggn oder Muggala zu verwechseln. Muggn | |
| sind Mücken oder Bremsen, das Muggala dagegen ist ein Kalb. Muggn hatten | |
| wir in diesem Jahr wenige, genau wie Wespen, was einen in Zeiten des | |
| Insektenschwunds doch etwas beunruhigt. Das Muggli-Vorkommen hingegen | |
| entwickelte sich sogar überdurchschnittlich, ganz parallel zu den Unmengen | |
| an Birnen, Äpfeln, Zwetschgen, Mirabellen und Quitten, die unsere Obstbäume | |
| im Spätsommer zu tragen hatten. Einige brachen sogar unter der Last der | |
| Früchte zusammen. | |
| Ist die Erntezeit vorbei, kommt das eine Wochenende, an dem ich die Gäste | |
| beim ersten Gang entschuldigend bitte, die Bierdeckel nicht unter, sondern | |
| am besten auf die Gläser zu legen. Dann zeigt sich, wer woher kommt. Gäste | |
| aus der Stadt schauen mich ungläubig an und versuchen, die Plagegeister | |
| wegzuwedeln. Die vom Land winken schon bei meinen Erklärungsbemühungen ab | |
| und ignorieren die Muggli. Sie wissen: Bald ist der Spuk vorbei. | |
| 5 Nov 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jörn Kabisch | |
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