| # taz.de -- Immer wieder Ärger mit der Post: Ein schnelles Tänzchen in der Po… | |
| > Alle Klischees über deutsche Bürokratie-Tristesse und Mitarbeiterwillkür | |
| > lassen sich bestätigen, meint unser Kolumnist. Wenn man nur ein Postfach | |
| > hat. | |
| Bild: Ein Weg, den man doch auch gern gehen will zu seiner Post | |
| War ja klar, dass es irgendwann auch mich erwischen würde, dachte ich mir | |
| damals. Bei den meisten meiner Nachbar:innen war es längst passiert. | |
| Einigen sogar schon öfter. Und nun, das ist jetzt drei Jahre her, auch mir: | |
| ein aufgebrochener Briefkasten. | |
| Aus beruflichen Gründen wollte ich mir eh schon länger ein Postfach | |
| einrichten lassen. Was soll’s, dann also jetzt. Ich ging auf die | |
| [1][Website der Post] und – was soll ich sagen – ich war begeistert! So | |
| viel niedrigschwellige Dienstleisterei! Mashallah, Deutschland! Die | |
| Online-Anmeldung war überraschend unkompliziert, der günstige Jahrespreis | |
| lag im unteren zweistelligen Bereich. Außerdem gebe es vorab per Mail einen | |
| Scan von jedem Umschlag. So weiß man auf Anhieb, ob das Abholen der Briefe | |
| eilt. Wie toll! | |
| Ehe das hier zur Dauerwerbekolumne ausartet, eines schon mal vorweg: Das | |
| Schönste hatte ich damit schon hinter mir. Die folgenden Jahre entsprachen | |
| allen Klischees über deutsche Bürokratie-Tristesse und Mitarbeiterwillkür. | |
| Knapp zwei Wochen später lag der Brief mit dem Termin für die Abholung der | |
| beiden Postfachschlüssel im reparierten Briefkasten. Sollte ich verhindert | |
| sein, konnte ich jemanden bevollmächtigen. Tatsächlich stand eine Reise an, | |
| und ich erwartete einen wichtigen Brief. Ein Freund wollte alles für mich | |
| erledigen und das Postfach leeren. Gut gelaunt gab ich ihm die nötigen | |
| Unterlagen. | |
| ## Drei wunderbare Jahre | |
| Tja, natürlich kam es anders. Mein Kumpel traf auf eine störrische | |
| Mitarbeiterin, die ihre Macht zu genießen wusste. Mit einer Vollmacht sei | |
| die Schlüsselübergabe nicht möglich. Das war der Auftakt zu drei | |
| wunderbaren Jahren: Gab es etwas zu klären, traf ich in neun von zehn | |
| Fällen auf frustrierte Mitarbeitende. Einfache Fragen wurden oft erst nach | |
| dem dritten Anlauf halbgar beantwortet. | |
| Einmal bekam ich eine Mahnung. Ich hätte das Fach lange nicht mehr geleert | |
| (stimmte!) und es sei voll (stimmte gar nicht!), ich solle kommen, sonst | |
| Kündigung. Tatsächlich war noch locker Platz für dreimal so viele Briefe. | |
| Na ja, so sammelten sich über die Jahre hinweg die unerfreulichen | |
| Erfahrungen. | |
| Dann, vor wenigen Wochen, ein neuer Brief: Die Filiale mache dicht, das | |
| Postfach ziehe ein paar Straßen weiter. Mein erster Impuls: vom Regen in | |
| die Traufe. Als ich ein letztes Mal an alter Stelle meine Post abholen | |
| wollte, kam ein Mitarbeiter – immerhin ungefragt – zu mir in den | |
| menschenleeren Raum mit den Fächern. Aber nur, um verlautbaren zu lassen, | |
| dass die Fächer doch längst am neuen Standort seien. Unterton: Was wollen | |
| Sie denn noch hier?! Ich dankte und ging kopfschüttelnd – vom Regen der | |
| Traufe entgegen. | |
| Doch vor Ort dann ein echter Plot-Twist: Ich stand plötzlich mitten in | |
| einem riesigen Späti. Der Raum lichtdurchflutet und voller bunter Artikel. | |
| Es lief laut Salsa-Musik. | |
| Eine junge Frau sortierte gerade die Tagespost in die Fächer ein und machte | |
| etwas eher Ungewöhnliches für eine Postfiliale: Sie tanzte dabei. Sie stand | |
| mit dem Rücken zu mir. Als ich sie ansprach, erschreckte sie sich. Ich | |
| schwang sofort die steife Hüfte mit – kurz, kurz, lang nach rechts, kurz, | |
| kurz, lang nach links – und erklärte mich. Sie musste lachen. Zwei Minuten | |
| später hielt ich meine neuen Schlüssel und die ersten Briefe in der Hand. | |
| „Wir haben sieben Tage die Woche geöffnet. Rund um die Uhr“, sagte sie | |
| noch. | |
| Ich verließ den Laden mit einem breiten Grinsen. Klar, die Post will | |
| sparen, und so ein 24/7-Späti funktioniert nicht ohne Selbstausbeutung. | |
| Dazu an anderer Stelle mehr. An diesem Tag dachte ich nur: Almanya, geht | |
| doch! Hier ein Lächeln trotz entgrenzter Arbeit, dort trübe Blicke bei | |
| soliden Arbeitsbedingungen. | |
| 28 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.deutschepost.de/de.html | |
| ## AUTOREN | |
| Bobby Rafiq | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Kolumne Bobsens Späti | |
| Deutsche Post | |
| Bürokratie | |
| Alltagsleben | |
| Social-Auswahl | |
| Reden wir darüber | |
| Deutsche Post | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Beschwerden über Zustellung: Bundesnetzagentur droht Deutscher Post | |
| Über 38.000 Beschwerden sind bei der Bundesnetzagentur über die Deutsche | |
| Post eingegangen. Nun droht die Behörde erstmals mit einer Geldstrafe. Bis | |
| zu zehn Millionen Euro wären möglich. | |
| Schlechte Jobs: Wehrt euch! | |
| Manchmal reicht es, nach einer Lohnbescheinigung zu fragen. Und in die | |
| Gewerkschaft einzutreten schadet auch nicht. | |
| Nachdenken im Herbst: Gründe für Wut, Gründe für Dankbarkeit | |
| Oft, sagt unsere Kolumnistin, überwältigt sie die Stadt: die Menschen, ihr | |
| Elend, ihre Gemeinheit. Aber auch ihre Güte und Fröhlichkeit überwältigen | |
| sie. | |
| Wo die Stadt schreit: W wie Warschauer, W wie Wachkoma | |
| Wenn man mal länger nicht in Berlin war, weiß man mit der hibbeligen | |
| Warschauer Straße doch gleich wieder, meint unser Kolumnist, was man hat an | |
| der Stadt. |