| # taz.de -- Biografie über Björn Höcke: Ein planvoll agierender Ideologe | |
| > Frederik Schindler hat die erste umfassende Biografie über Björn Höcke | |
| > (AfD) geschrieben. Die Recherche enthüllt neue Details aus dessen | |
| > Sozialisation. | |
| Bild: Er sei ein „eitler Gockel“, sagen Parteifreunde über Höcke, hier in… | |
| Wenn Björn Höcke in Deutschland die Position innehätte, die er haben will – | |
| dann wäre dieses Buch wohl nie erschienen. Die erste umfassendere | |
| Höcke-Biografie des Welt-Journalisten Frederik Schindler ist eine Recherche | |
| über viele Dinge, die der völkisch-nationalistische AfD-Landeschef aus | |
| Thüringen lieber für sich behalten hätte. Investigativrecherche – Höcke | |
| hasst diesen Trick. | |
| Zwar war es auch vor Schindlers Buch kein Geheimnis, dass Höcke ein | |
| Rechtsextremist ist, den man aufgrund seiner ideologischen Überzeugungen | |
| als Faschisten bezeichnen kann. Man wusste bereits, dass Höcke schon | |
| [1][2010 an einer Neonazi-Demo teilnahm], Kontakte zum [2][NPD-Kader | |
| Thorsten Heise pflegte], mutmaßlich unter dem Pseudonym [3][„Landolf Ladig“ | |
| pseudointellektuelle Fascho-Pamphlete] in NPD-Blättchen schrieb und dass er | |
| als Kind beim Kuscheln im Ehebett seiner Großeltern von der guten alten | |
| Zeit in Ostpreußen erzählt bekam. Dass sein größter Einflüsterer der | |
| rechtsextreme Ideologe Götz Kubitschek ist, war ebenso bekannt wie die | |
| Tatsache, dass die extrem Rechten die 2013 als | |
| rechtskonservativ-marktradikal gestartete [4][AfD] als Vehikel gezielt | |
| genutzt haben, [5][um ihre völkische Ideologie zurück in den Mainstream zu | |
| führen] – leider erfolgreich. | |
| Aber Schindler trägt in seinem Buch nicht nur sorgfältig zusammen, was | |
| bekannt ist, sondern hat auch zahlreiche neue Fakten ans Tageslicht | |
| gebracht – vor allem zur politischen Sozialisation Höckes in seiner | |
| ebenfalls ziemlich gesichert rechtsextremen Familie. Schindler hat dafür | |
| mit Mitschüler*innen und Schüler*innen von Höcke gesprochen, mit | |
| Lehrerkolleg*innen und Parteifreund*innen. Er wertete zahlreiche Mails | |
| aus, sprach mit weggebissenen Parteifeinden und zeichnet die schonungslose | |
| Gleichschaltung des Thüringer Landesverbands nach – von wo aus Höcke mit | |
| seinem völkisch-nationalistischen Netzwerk die Bundespartei erfolgreich | |
| radikalisierte. | |
| Dabei kommen durchaus saftige Details zutage: Höcke trug als Schüler | |
| offenbar Springerstiefel und beteiligte sich am Mobbing von | |
| Klassenkameraden, soll „Jude“ als Beleidigung benutzt haben. Als | |
| Geschichtslehrer ließ er in seinem Klassenzimmer eine Karte von Deutschland | |
| in den Grenzen von 1914 aufhängen. Als sich Schülerschaft und | |
| Lehrerkollegium an seinem Gymnasium gegen die drohende Abschiebung eines | |
| Schülers einsetzen wollen, stellt Höcke sich quer und droht mit einer Klage | |
| auf Grundlage des Neutralitätsgebots. | |
| ## Sachlich und nüchtern | |
| Parteifreunde, die er politisch kaltgestellt hat, bescheinigen Höcke ein | |
| „richtiger Diktator“ zu sein, ein „völkisch-nationaler Sozialist“ und … | |
| „eitler Gockel, der alle auf seine Linie bringen will“. Zusammen mit seinen | |
| Vertrauten führe er den Landesverband wie einen Clan zu seiner eigenen | |
| Machtsicherung, heißt es. Schindler analysiert aber auch historisch | |
| fundiert Höckes Geschichtsrevisionismus und entkleidet dabei dessen | |
| verschwurbelte Sprache bis auf ihren menschenverachtenden sowie häufig | |
| strukturell antisemitischen Kern – und landet am Ende häufig erstaunlich | |
| nah bei Hitler. | |
| Eine Stärke des Buchs ist dabei vor allem, wie sachlich und nüchtern | |
| Schindler seine Rechercheergebnisse und Analysen vorstellt. Wohl auch | |
| deswegen hat Höcke die zahlreichen Fragen zu den neuen und alten Fakten | |
| unbeantwortet gelassen. Der Satz zieht sich in zahlreichen Varianten wie | |
| ein Running Gag durch das Buch: „Auch hierzu wollte Höcke sich nicht | |
| äußern.“ | |
| Dennoch bleibt das Buch basiert auf Fakten, wägt Interpretationen | |
| sorgfältig ab und bildet auch Höckes Perspektive bestmöglich anhand seiner | |
| Selbstzeugnisse, geleakter Mails und Social-Media-Beiträge ab. | |
| So entsteht auch ein Eindruck von der Sogwirkung, die Höcke erzeugen kann: | |
| Anhänger und Weggefährten vergöttern ihn geradezu, weil seine demagogische | |
| Rhetorik und sein pseudo-intellektueller Nimbus verfängt. [6][Seine | |
| Anhänger*innen wähnen sich als Teil einer Gemeinschaft von | |
| „Aufgewachten“ im Widerstand]. | |
| Viele ehemalige Schüler*innen reden aber auch von Höcke als Lehrer | |
| durchaus positiv – er wurde mehrfach zum Vertrauenslehrer gewählt, eine | |
| Klasse pflanzte zum Abschied sogar einen Obstbaum in Höckes Garten. Dass er | |
| damit heute extrem rechte Propaganda macht, gefällt seinen ehemaligen | |
| Schüler*innen allerdings weniger. | |
| ## Er ist der prägende Politiker der AfD | |
| In der Summe ergibt sich das Bild eines planvoll agierenden Ideologen, der | |
| sich selbst als den großen Führer einer rein zu haltenden Volksgemeinschaft | |
| sieht und sich auf ein Netzwerk von Überzeugungstätern verlassen kann. | |
| Relevant ist das Buch leider, weil Höcke langfristig betrachtet der | |
| prägende Politiker der AfD ist, seine Ideologie mittlerweile die Partei | |
| bestimmt und diese bekanntlich auf Bundesebene derzeit zweitstärkste Kraft | |
| ist. Auch wenn einige langjährige politische Beobachter*innen schon | |
| Höckes Stern sinken sahen und er sich als entscheidungsschwacher Zauderer | |
| noch nie auf die große politische Bühne getraut hat, wartet er geduldig | |
| darauf, dass sein Moment kommt. | |
| Eine Leerstelle im Buch bleibt neben nur groben Rahmendaten zu Höckes | |
| Studienzeit auch der mediale Umgang mit Höcke und der von ihm | |
| radikalisierten AfD. Unerwähnt bleibt auch das Phänomen einer gewissen | |
| medialen Fixierung auf den Rechtsextremisten, die unnötige Normalisierung | |
| von rechtsextremen Diskursen und der verantwortungslose Umgang mit medialer | |
| Reichweite (kein Shout-out an den Springer Verlag). Mittlerweile führt die | |
| Welt selbst rechtsradikale Hetzkampagnen von Nius gegen linke NGOs fort – | |
| in einem Zungenschlag, wie auch Höcke ihn seit Jahren propagiert. Höcke und | |
| die gesamte AfD erreichen ihre Wirkmacht auch unter freundlicher Mithilfe | |
| faktenferner Mediendiskurse zu Migration, angeblich linksextremen | |
| Verfassungsrichterinnen und linken NGOs. | |
| Es wäre schön, wenn auch Schindlers Kolleg*innen – vor allem | |
| Vorgesetzte! – und Politiker wie der Staatsminister Wolfram Weimer sein | |
| Buch lesen und verstehen würden. Dann würden sie vielleicht die Bedrohung | |
| für die Demokratie, die von der AfD ausgeht, ernst nehmen – anstatt | |
| spalterische Kulturkämpfe zu führen. Ähnliches gilt natürlich für die | |
| Union. Es darf keine Zusammenarbeit mit einer Partei geben, die einen Höcke | |
| und seine Ideologie toleriert. Das vor allem zeigt dieses Buch. | |
| Immerhin: Welt-Chefreporter mit „Lanz“-Dauerkarte, Robin Alexander, hat das | |
| Porträt schon gelesen. Er bringt es [7][im Vorwort] auf diesen für ihn | |
| offenbar neuen Punkt: „Höckes Feindbild ist nicht Merkel, sondern | |
| Adenauer.“ Deswegen sei jegliches Entgegenkommen auch seitens der Union | |
| einer von Höcke geprägten AfD vergeblich. Ist doch schön, wenn was hängen | |
| bleibt. | |
| 4 Nov 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.tagesspiegel.de/politik/bjorn-hocke-seit-an-seit-mit-neonazis-6… | |
| [2] https://www.zeit.de/2018/38/bjoern-hoecke-afd-neonazi-freundschaft-rechtsex… | |
| [3] https://andreaskemper.org/tag/landolf-ladig/ | |
| [4] /Gewaltbereite-AfD-Politikerinnen/!6089080 | |
| [5] /Was-steht-im-AfD-Gutachten/!6087894 | |
| [6] /AfD-Jugend-gruendet-sich-in-Giessen-neu/!6117457 | |
| [7] https://www.welt.de/politik/deutschland/article68c948df420d2a3ce3b51b2f/Hoe… | |
| ## AUTOREN | |
| Gareth Joswig | |
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