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# taz.de -- Jakutisches Filmfestival in Berlin: Ein jakutischer Wes Anderson in…
> Die Republik Sacha, genannt Jakutien, im Osten der Russischen Föderation
> kennen nur wenige. Ein Filmfestival hilft, die ferne Kultur vorzustellen.
Bild: Am Ufer des Flusses Kolyma, Jakutien (Sacha), Russland im September 2021
Haben Sie sich schon einmal gefragt, weshalb Russland eigentlich so groß
ist? Grund sind die kolonialen Eroberungen unter den Zaren, die im 16.
Jahrhundert begannen – indigene Völker wurden gewaltsam gefügig gemacht,
russifiziert und christianisiert. Als das Sowjetimperium vor 35 Jahren
zerfiel, riefen zahlreiche dieser von Russland kolonisierten Regionen ihre
Unabhängigkeit aus, doch der Kreml ließ das nicht zu. Angehörige der
indigenen Völker, die in der Russischen Föderation Minderheiten bilden,
leiden unter Rassismus und sind besonders häufig von Armut betroffen.
Im Fernen Osten der Russischen Föderation liegt [1][die größte dieser
Regionen, die Republik Sacha, auch bekannt als Jakutien]. Benannt ist sie
nach dem Turkvolk der Sacha, das eine eigene Sprache, Kultur und Religion
besitzt. Dass diese trotz vieler Jahrhunderte russischer Hegemonie erhalten
geblieben sind, konnte man Ende September beim ersten Jakutischen
Filmfestival in Berlin erleben.
Bei einer Diskussionsveranstaltung mit jakutischen Filmemachern in der
Kulturfabrik Moabit schilderte die in Istanbul lebende Produzentin Marianna
Siegen, dass ihrer Erfahrung nach kaum jemand wisse, wo ihre Heimat
eigentlich liegt – auch nicht im Westen Russlands, wo sie für eine
Ausländerin gehalten werde. Sie berichtet in ihrer Muttersprache Jakutisch,
das ins Englische gedolmetscht wird, dass sie mit der Sacha-Religion
aufgewachsen sei, in der die Sonne das Zentrum bildet.
Ihr Kollege, der Regisseur Er Sanaa Oh-Khotor, ergänzt, die Sacha sähen
sich als Kinder der belebten Natur, der Sonnenstrahlen. Schamanen würden in
der jakutischen Gesellschaft nach wie vor mit viel Respekt behandelt, da
sie die drei Welten – die mittlere, in der die Menschen leben, die untere
und die obere, die den Geistern vorbehalten sind – miteinander verbinden
können. Trotz der Verdrängung durch das Russische in der Öffentlichkeit
bewahre man die jakutische Sprache in den Familien.
Eingeleitet wurde das Festival mit dem Dokumentarfilm „Silis“ (2022),
„Wurzeln“, der Regisseurin Diana Khudaeva. Er zeigt die von
althergebrachten Bräuchen bestimmte Lebensweise der Jakuten zu den vier
Jahreszeiten, von denen der harte Winter die längste bildet. Unterlegt ist
der Film mit einem eigens für ihn verfassten epischen Sacha-Gedicht, einem
Oloncho, das allerdings entgegen der Tradition von einer Frau rezitiert
wird und so bewusst mit ihr bricht.
## Spuk auf der Mülldeponie
Mein persönliches Highlight war der Spielfilm „Timir“ (2023). Bei der
eingängigen, bittersüßen Tragikomödie in Retro-Ästhetik handelt es sich um
den Debütfilm von Nikolai Koryakin. Die tableauhaft inszenierte Handlung
spielt in einem jakutischen Dorf, in das der Protagonist, der kleine Timir,
nach dem Tod seiner Mutter geschickt wird. Dort lernt er seinen Vater
kennen, einen schweren Alkoholiker.
Als der Junge den Gerüchten über Spuk auf der Mülldeponie im Wald nachgehen
möchte, nimmt sein tristes Leben eine unerwartete Wendung. Denn er trifft
dort auf eine in der mittleren Welt der Menschen gefangene Seele – einen
hilfsbereiten Geist mit CCCP-Baseballkappe.
Bei der Diskussion merkte der Regisseur an, er habe einen Sacha-Film [2][im
Wes-Anderson-Stil] drehen wollen. Das ist ihm gelungen.
19 Oct 2025
## LINKS
[1] /Flucht-aus-Jakutien/!6061819
[2] /Filmfestspiele-in-Cannes/!6088902
## AUTOREN
Yelizaveta Landenberger
## TAGS
Kolumne Eastsplaining
wochentaz
Russland
Jakutien
Filmfestival
Kultur in Berlin
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russische Minderheit
Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
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