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# taz.de -- Proteste in Indiens Region Ladakh: Wo die Wahlmöglichkeit fehlt
> Seit der administrativen Teilung von Jammu und Kaschmir wird im indischen
> Ladakh der Ruf nach Eigenstaatlichkeit lauter. Jüngste Proteste
> eskalierten.
Bild: Ein Polizeifahrzeug wird bei den Protesten in der Stadt Leh in der Region…
Berlin taz | Es brodelt im indischen Unionsterritorium Ladakh. Die
Bevölkerung fordert mehr Selbstbestimmung. Was als Kundgebung begann,
eskalierte: In der Hauptstadt Leh kamen am Mittwoch mindestens 4 Personen
ums Leben, etwa 90 wurden verletzt. Delhi verhängte eine Ausgangssperre,
Sicherheitskräfte rückten an.
Auslöser war eine Kundgebung für verfassungsrechtliche Garantien, wie die
Aufnahme in den Sechsten Verfassungszusatz als geschütztes Gebiet oder den
Status als Bundesstaat. Eine wütende Menge setzte am Mittwoch das Büro der
hindunationalistischen Regierungspartei BJP und das Sekretariat des Ladakh
Hill Council in Brand. Das Innenministerium erklärte, ein Mob habe
öffentliches Eigentum zerstört und die Polizei angegriffen. Daraufhin
schossen Sicherheitskräfte, 50 Personen wurden festgenommen.
Kritiker:innen sprechen von einer überzogenen Reaktion.
„Die Menschen sind wütend und traurig“, sagt ein junger Mann aus der Region
gegenüber der taz. Er möchte anonym bleiben, versucht aber, über soziale
Medien Aufmerksamkeit für die Lage in seiner Heimat zu erlangen. Was
passiert sei, beschreibt er als „Aufstand gegen den Staat“. Es sind die
schwersten Unruhen seit der Umwandlung Ladakhs in ein Unionsterritorium
2019, manche sagen, seit über 30 Jahren.
Die lokalen Medien schreiben von „Gen-Z-Protesten“ und erinnern damit an
die [1][Revolution in Nepal]. Auch hier ist Jugendarbeitslosigkeit ein
Problem, und der Tourismus ist eine wichtige Einkommensquelle. Teile der
Bevölkerung sehen das gefährdet, da Weideflächen für Solarkraftwerke und
weitere Industrialisierung genutzt werden.
## Stammesgebiet oder Bundesstaat – aber selbstbestimmt!
Eine zentrale Figur der friedlichen Bewegung ist der 59-jährige Ingenieur
und Klimaaktivist Sonam Wangchuk. Er trat auch diesmal in den Hungerstreik,
um auf die Folgen des Klimawandels und fehlende Mitsprache in der
ökologisch sensiblen Region an der Grenze zu China aufmerksam zu machen. Er
brach jedoch seinen 15-tägigen Streik ab und rief zur Ruhe auf. „Ich
appelliere an die Jugend, den Unsinn zu beenden, der unserer Sache nur
schadet“, schrieb er auf X.
Ladakh wird seit fast sechs Jahren direkt von Delhi verwaltet. Anders als
im Unionsterritorium Jammu und Kaschmir, wo die Bevölkerung [2][im
vergangenen Jahr wieder wählen konnte], gibt es hier keine gewählte
Legislative. Viele sehen auch darin die Ursache für den wachsenden Unmut.
Die [3][Spannungen zwischen Delhi und Peking] sind zudem spürbar; die
lokale Bevölkerung befürchtet, Land an China zu verlieren.
Die Regierung unter Premierminister Narendra Modi (BJP) macht Wangchuk und
politisch motivierte Gruppen für die Eskalation verantwortlich.
Oppositionelle Parteien bestreiten diese Darstellung. Phuntsog Stanzin
Tsepag von der Kongresspartei soll laut Behörden auf Bildern unter den
Randalierenden zu sehen sein. Der konservative BJP-Politiker Subramanian
Swamy forderte unterdessen den Rücktritt von Innenminister Amit Shah (BJP):
„Er hat es versäumt, für Frieden in Ladakh zu sorgen.“
Kern der Forderungen ist mehr Selbstbestimmung: entweder als Stammesgebiet,
dem kultureller und geografischer Schutz garantiert wird, oder durch
Eigenstaatlichkeit. Letzteres ist mit nur 250.000 Einwohnern jedoch eher
schwierig. Selbst der Bundesstaat Sikkim, ebenfalls einst ein Königreich,
hat über 600.000 Einwohner:innen.
„Verdient Ladakh nicht Besseres? Ein unabhängiges Königreich, das zu einem
Ort ohne Demokratie auf lokaler Ebene degradiert wurde. Auf diese Weise
werden Ökologie und Kultur zerstört“, warnt Wangchuk.
Die Proteste sind Folge der Zäsur, nachdem Delhi den [4][Sonderstatus 370
von Jammu und Kaschmir aufgehoben] hatte. Das wurde zunächst von manchen
begrüßt, da Ladakh im Unterschied zum Kaschmirtal teils stark buddhistisch
geprägt ist.
Doch seitdem fehlt eine regionale Volksvertretung. Auch der
Ministerpräsident von Jammu und Kaschmir, Omar Abdullah, betont, dass es
Zeit sei, die Staatlichkeit wieder herzustellen. Sein Vater, Farooq
Abdullah, fordert Dialogbereitschaft: „Ich möchte der Regierung sagen, dass
es (Ladakh) ein Grenzstaat ist. China lauert, sie haben Land besetzt. Es
ist an der Zeit, das Problem schnell zu lösen“, sagte Abdullah am
Donnerstag.
25 Sep 2025
## LINKS
[1] /Nach-Protesten-in-Nepal/!6113060
[2] /Regionalwahl-in-Indien/!6041705
[3] /Diplomatische-Annaeherung/!6100921
[4] /Modis-Plan-fuer-ein-neues-Kaschmir/!5979021
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
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