# taz.de -- IT-Experte über bedrohte Infrastruktur: „Es wird maximal rumgeei… | |
> Ob Anschläge auf Strommasten oder Drohnenangriffe: Beim neuen | |
> Kritis-Dachgesetz sieht IT-Sicherheitsexperte Manuel Atug | |
> Verbesserungsbedarf. | |
Bild: Kastrup, Dänemark, 22. September: Polizeieinsatz nach Drohnensichtung | |
taz: Herr Atug, [1][in Dänemark wurden mehrfach Drohnen über Flughäfen | |
gesichtet], die dänische Regierung spricht von einem Anschlag. Wie ordnen | |
Sie das ein? | |
Atug: Es sind definitiv große Drohnen gewesen, die mehrere Stunden in der | |
Nähe der Flughäfen unterwegs waren. Sie hatten sogar Lichter eingeschaltet | |
– insofern handelte sich eher nicht um einen Zufall, sondern vermutlich | |
Absicht. Vieles spricht für einen staatlichen Akteur, also | |
geheimdienstliche Sabotage. | |
taz: [2][Kürzlich drangen russische Drohnen in den polnischen Luftraum | |
ein]. Auch in Deutschland gibt es immer wieder Drohnenüberflüge in | |
unmittelbarer Nähe zu kritischer Infrastruktur – neben regelmäßigen | |
Cyberangriffen, Attacken auf Unterseekabel in der Ostsee und vielem mehr. | |
Würde das neue Gesetz zum Schutz kritischer Infrastruktur | |
(Kritis-Dachgesetz) gegen Drohnenangriffe helfen? | |
Atug: Es steht nicht wirklich was zu Drohnen in dem Gesetz drin. Es gibt im | |
ganzen Kritis-Dachgesetz keine klaren Anforderungen an den Schutz vor | |
unbemannten Luftfahrtsystemen. Der Begriff Drohne taucht nicht mal auf. Es | |
heißt allgemein: Man soll sich gegen Spionage aufstellen. Es soll an | |
Einrichtungen der kritischen Infrastruktur Zäune geben und klare | |
Zutrittsregeln, aber der Luftraum spielt keine Rolle. | |
taz: Wie kann sich ein Staat gegen Drohnen wehren? | |
Atug: Man müsste eine Strategie zur Drohnenabwehr erstellen; zum einen zur | |
strukturierten Erfassung mit transparenten Lageberichten; zum anderen | |
bräuchte es einen Plan zur Detektion und Abwehr. Einige sagen: Schießt die | |
einfach alle ab. Das allerdings halte ich nicht für sinnvoll: Wenn man | |
nicht trifft, können die Projektile in mehreren Kilometern Entfernung | |
herunterkommen – das kann in Siedlungsgebieten bis zur Todesfolge alles | |
beinhalten. Es gibt auch andere Methoden wie Jamming – aber zur effektiven | |
Bekämpfung braucht es zunächst vor allem auch Geld für | |
Drohnenabwehrforschung statt für Cyberdome und KI. | |
taz: Auch der Berliner Flughafen ist seit Tagen im Ausnahmezustand, weil es | |
Cyberangriffe auf den IT-Dienstleister gegeben hat – offenbar ein | |
Erpressungsversuch. Das kürzlich im Kabinett beschlossene Kritis-Dachgesetz | |
soll generell kritische Infrastruktur – etwa Energienetze, Internet, | |
Wasserversorgung – besser vor Sabotage, Terrorangriffen und | |
Naturereignissen schützen. Welche Schwachstellen sehen Sie, neben der | |
Leerstelle zu Drohnen? | |
Atug: Erhebliche Teile der Bundesverwaltung sind vom Gesetz ausgenommen, | |
ebenso die Landesverwaltung und die Kommunen. Dabei sind Staat und | |
Verwaltung natürlich ein erheblicher Sektor der kritischen Infrastruktur. | |
Der Staat selber ist nicht ausreichend gegen Sabotage, Terrorismus und | |
Naturereignisse geschützt. Wir müssen im Falle solcher Ereignisse | |
handlungsfähig bleiben – ein Gesetz, das den Staat nicht zur kritischen | |
Infrastruktur zählt, ist eher eine dekorative Hülle, als ein | |
ernstzunehmendes Gesetz. Resilienz sieht anders aus. | |
taz: Klingt so, als seien wir komplett schutzlos? | |
Atug: Ganz schutzlos sind wir natürlich nicht. Die Landes- und | |
Bundesverwaltungen machen natürlich schon etwas, aber es bleibt an vielen | |
Stellen überschaubar und riskant. Private Betreiber kritischer | |
Infrastruktur wie etwa Telekommunikationsfirmen haben natürlich auch ein | |
wirtschaftliches Eigeninteresse, funktionsfähig zu bleiben, aber all das | |
läuft dann unter der Prämisse der Erlösmaximierung, viele Risiken werden | |
auf Staat und Kunden abgewälzt. Das gilt insbesondere, da private Versorger | |
nicht der Daseinsvorsorge verpflichtet sind. Der Staat aber schon. Daher | |
muss das für kritische Infrastrukturen reguliert werden. | |
taz: In der Wirtschaft, etwa beim Branchenverband Bitkom, fürchtet man vor | |
allem das derzeit [3][allgegenwärtige Schreckgespenst Bürokratie]. Wie | |
sehen Sie das? | |
Atug: Viele unklare Papiervorgaben ohne Umsetzung und Wirkung in der | |
Resilienz sind in der Tat nur nutzlose Bürokratie. | |
taz: Was sind Ihre konkreten Kritikpunkte am Gesetz? | |
Atug: Behörden sollen erst bis 2030 verbindlich Vorgaben für Resilienzpläne | |
entwickeln – bis dahin soll zunächst geklärt werden, wer überhaupt die | |
Aufsichten übernimmt. Und dann steht noch alles unter Haushaltsvorbehalt. | |
Es wird maximal rumgeeiert. Insgesamt fehlen konkrete Handlungsanweisungen | |
und Mindestverpflichtungen – was eigentlich das Ziel der EU-Richtlinie war, | |
die dem deutschen Gesetz zugrunde liegt. Wir haben da ein erhebliches | |
strukturelles Defizit. | |
taz: Was könnte man konkret noch verbessern? | |
Atug: Es sind maximal Bußgelder von 500.000 Euro vorgesehen, meistens sogar | |
nur 200.000 Euro. Als privater Betreiber von kritischer Infrastruktur | |
müsste ich aber zum Schutz Millionen investieren – viele werden dann lieber | |
die Strafe zahlen, weil das deutlich billiger ist. Das Gesetz ist ohne | |
wirksame Bußgelder ein zahnloser Tiger. | |
taz: Wie sind staatliche Stellen aufgestellt? | |
Atug: Der zweite Warntag kürzlich lief schon mal deutlich besser als der | |
erste – das ist gut, dafür übt man ja. Dennoch gibt es zahlreiche Probleme: | |
Stand heute sind rund die Hälfte aller Notwasserbrunnen in Deutschland | |
nicht gewartet, ausgetrocknet, kaputt oder verrostet. Das lässt sich aber | |
kaum thematisieren, weil die Liste der Notbrunnen geheim ist, damit „die | |
Bösen“ nicht wissen, wo die sind. Es ist allerdings eher eine Simulation | |
von Geheimhaltung: Denn natürlich kann man über die Kommune gut begründet | |
erfahren, wo die Standorte sind. Ebenso weiß jede Feuerwehr, wo es im | |
Notfall Wasser gibt. Die Geheimhaltung verschleiert hier eher, dass die | |
Hälfte der Brunnen nicht funktioniert. Das geht in Richtung Fahrlässigkeit, | |
hier würde mehr Transparenz helfen. | |
taz: Sie beschäftigen sich in der unabhängigen Arbeitsgruppe AG Kritis | |
bereits einige Zeit mit Sicherheitslücken in der kritischen Infrastruktur. | |
Die EU-Richtlinie fordert schon lange, dass Mitglieder sich besser schützen | |
müssen, gegen Deutschland läuft ein Vertragsverletzungsverfahren. Wie kann | |
es sein, dass die Bundesrepublik erst jetzt ein Kritis-Dachgesetz | |
verabschiedet? Musste erst Nord Stream 2 gesprengt werden? | |
Atug: Es ist leider so, dass man viel redet und befürchtet, aber dann wenig | |
macht. Papier ist geduldig. Die Ampel war zwar willens was zu machen, aber | |
leider gab es einen Infiltrator, der die Koalition zerschießen wollte – was | |
ja auch funktioniert hat. Deswegen ist das vorbereitete Gesetz nicht mehr | |
umgesetzt worden. In der neuen Legislatur musste das Gesetzgebungsverfahren | |
von vorne aufgerollt werden. | |
taz: Sie haben schon bei der Ampelvorlage ähnliche Schwachstellen | |
kritisiert. Hat sich auch etwas verbessert im Vergleich zum Ampelgesetz? | |
Atug: Leider nein. Es wird zwar viel über Verbesserungen diskutiert und | |
alle Parteien sagen, wir müssen hier dringend handeln und investieren, aber | |
am Ende passiert wenig. Im Hintergrund heißt es dann: Es kostet alles zu | |
viel Geld. Die einen wollen nicht, dass staatliche Einrichtungen unter das | |
Gesetz fallen und viel investieren müssen, die anderen wollen nicht, dass | |
die Wirtschaft unter Sicherheitsvorgaben leidet. Und schließlich braucht es | |
auch innerhalb der Behördenstrukturen Ansprechpartner – auch das kostet | |
Geld. Und anstatt den Schutz von real bedrohter Infrastruktur in die Hand | |
zu nehmen, spricht CSU-Innenminister Alexander Dobrindt lieber vom | |
Cyberdome, also einem kommenden Maut 2.0 Desaster. | |
taz: Gibt es auch eine Sache, die Sie am Gesetz gut finden? | |
Atug: Es ist sehr sinnvoll, das Meldewesen zu synchronisieren. Betreiber | |
müssen Vorfälle nur beim BSI melden, wofür nun eine einheitliche | |
Meldestelle geschaffen wird. Das reduziert den Aufwand für Unternehmen, | |
aber man ermöglicht auch ein einheitliches und übergreifendes Lagebild. Wir | |
fordern wiederum, dass diese Lagebilder auch immer in einer öffentlichen | |
Version verfügbar sein müssen, damit man Defizite transparent verbessern | |
kann. | |
25 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Drohnen-ueber-Daenemark/!6115808 | |
[2] /Drohnen-ueber-Polen/!6109336 | |
[3] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Bitkom-KRITIS-Dachgesetz | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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