| # taz.de -- Kinderbauernhof in Alt-Großziethen: Der Anti-Antifa-Bauernhof | |
| > Ein Verein droht Mitgliedern mit Kündigungen, wenn sie sich auf dem | |
| > Gelände politisch äußern. Nach Kritik daran wird einem Pferdeprojekt | |
| > gekündigt. | |
| Bild: Antifa-Shirts sind auf dem Kinderbauernhof nicht erlaubt | |
| Berlin taz | Auf dem Kinderbauernhof „Ilse Reichel“ in Alt-Großziethen | |
| tummeln sich Hühner, Bienen, Katzen, Schafe, Ziegen, Esel und vor allem | |
| Pferde. Unweit des Berliner Flughafens hat man es sich zur Aufgabe gemacht, | |
| einen Wohlfühlort für Mensch und Tier zu sein. [1][Kinder werden in die | |
| Betreuung der Tiere mit eingebunden] und sollen so Verantwortung, Teamgeist | |
| und den respektvollen Umgang mit Tieren erlernen, heißt es auf der Website | |
| des Kinderbauernhofs. Auch ein Verein für therapeutisches Reiten ist auf | |
| dem Gelände ansässig. Das Pferdeprojekt Förderverein für Mensch & Tier e. | |
| V. bietet pferdegestützte Therapien für Kinder, Jugendliche und Erwachsene | |
| an. | |
| Mit Grundsätzen wie „füreinander dasein“ und „Verantwortung übernehmen… | |
| wirbt der Trägerverein des Kinderbauernhofs, der Eltern-Kinder-Kreis | |
| Gropiusstadt Nord e. V, auf der Website, aber auch „Demokratie lernen“. | |
| Politische Meinungsäußerungen jedweder Form will der Vorstand des | |
| Trägervereins jedoch vom Areal des Kinderbauernhofs verbannen. | |
| Das geht aus einer internen E-Mail des Vorstands an die Mitglieder des | |
| Vereins hervor, die der taz vorliegt. Darin heißt es, man dulde „politische | |
| Meinungsäußerungen, Propaganda und/oder Symbole“ nicht, „ob durch Kleidun… | |
| Verhalten, Gespräche, etc.“. Dies gelte für Mitglieder sowie | |
| „Nichtmitglieder“, also Besucher:innen. Wer sich nicht an die entsprechende | |
| Vorgabe hält, dem könne die Kündigung von Verträgen, ein Ausschluss aus dem | |
| Verein, von Veranstaltungen oder ein Hausverbot drohen. | |
| [2][Kleidung mit politischen Botschaften sorgen bekanntermaßen immer wieder | |
| für Diskussionen], so auch in diesem Fall: „Leider mussten wir feststellen, | |
| dass während des Sommerfestes (…) einige Mitglieder bzw. Unterstützer des | |
| Vereins Kleidung mit politischen Botschaften getragen haben“, heißt es in | |
| der internen E-Mail des Vorstands des Trägervereins. Auslöser für die Mail | |
| sind T-Shirts mit den Aufschriften „Alle meine Freunde hassen die AfD“ und | |
| „FCK ich bin ja kein Nazi aber …“, die auf Vereinsfesten getragen wurden. | |
| Das Verbot rechtfertigt der Vorstand des Kinderbauernhofs in der Mail an | |
| die Mitglieder auch mit Verweis auf das Grundgesetz. Zwar habe jede:r das | |
| Recht auf freie Meinungsäußerung, allerdings fänden diese Rechte „ihre | |
| Schranken (…) zum Schutz der Jugend und in dem Recht der persönlichen | |
| Ehre“, heißt es in der Mail an die Mitglieder. Zudem sei in der | |
| Vereinssatzung festgelegt, dass der Verein „parteipolitisch und | |
| konfessionell neutral“ sei. | |
| ## Mitglieder wehren sich | |
| Nun formiert sich intern Protest. Aus Sorge, zur Zielscheibe zu werden, | |
| wollen die Mitglieder des Vereins jedoch nicht mit ihrem Namen in der | |
| Zeitung stehen. „Anstatt Meinungsfreiheit zu respektieren, wird hier | |
| versucht, Stimmen zu kontrollieren und kritisches Denken kleinzuhalten“, | |
| sagt ein Mitglied der taz. Es mache Angst, dass rechte Politik zunehmend in | |
| alle Lebensbereiche eingreife „und unter dem Deckmantel der Neutralität ein | |
| Klima geschaffen wird, in dem Vielfalt und freie Haltung keinen Platz mehr | |
| haben“. Wer so handele wie der Vorstand des Kinderbauernhofs, stelle sich | |
| „nicht auf die Seite der Demokratie, sondern schwächt sie“, so das | |
| Mitglied. | |
| Ein weiteres Mitglied, das ebenso anonym bleiben möchte, sagt der taz: „Es | |
| entsteht der Eindruck, dass gesellschaftskritische Meinungen vom Verein | |
| nicht erwünscht sind“. Der Vorstand sei damit „weit übers Ziel | |
| hinausgeschossen“. Kritische Stimmen würden unter „fadenscheiniger | |
| Rechtsauslegung unterdrückt“. Eine Rücknahme des Verbots sei wünschenswert, | |
| so das Mitglied. | |
| Darüber, dass sich „einige Mitglieder“ eine Rücknahme des „Verbotes | |
| politischer Äußerungen“ wünschen, will der Vorstand nichts wissen. | |
| Zutreffend sei, dass „zwei Mitglieder (…) Kommunikationsbedarf mit dem | |
| Vorstand angemeldet haben“, heißt es in der Antwort des Vorstands auf eine | |
| taz-Nachfrage. Der Vorstand des Eltern-Kinder-Kreises Gropiusstadt Nord e. | |
| V. beharrt auf den angebrachten Argumenten und sieht sich im Recht: In der | |
| Antwort heißt es, die Mehrheit der Mitglieder habe sich gewünscht, dass er | |
| seine „satzungsgemäßen Aufgaben“ wahrnehme. Den Vorwurf, dass man mit dem | |
| Verbot „gesellschaftskritische Meinungen“ unterdrücke, weist der Vorstand | |
| zurück. Auf rechtsextreme Verhaltensweisen eines Mitglieds habe man in der | |
| Vergangenheit „genauso bzw. noch deutlicher“ reagiert. | |
| ## Symbole sind von der Meinungsfreiheit gedeckt | |
| Doch ist eins solches Verbot auf einem Vereinsgelände überhaupt rechtlich | |
| zulässig? Mit Blick auf die angesprochenen Symbole stellt Lukas Theune vom | |
| Republikanischen Anwaltsverein fest, diese seien [3][„selbstverständlich | |
| von der Meinungsfreiheit gedeckt“]. Theune hält das Vorgehen des Vereins | |
| für „absolut unzulässig“. Etwaige politische Botschaften dürften nicht z… | |
| Grundlage von Sanktionen gemacht werden. Die Behauptung, man habe in der | |
| Vergangenheit auch etwas gegen rechtsextremes Verhalten gemacht“, sei | |
| „selbstverständlich nicht geeignet, die Meinungsfreiheit der Mitglieder | |
| einzuschränken“, sagt Theune. | |
| Dieser Einschätzung schließt sich auch der Rechtsanwalt Michael Röcken mit | |
| Schwerpunkt Vereinsrecht an. Zwar könne ein Verein im Rahmen seines | |
| Hausrechtes auf bestimmte Verhaltensweisen hinweisen und Gäste des | |
| Vereinsgeländes bei Verstößen verweisen. Problematisch werde es jedoch, | |
| „wenn diese ‚Verstöße‘ Ausdruck der Meinungsfreiheit sind“. Für die | |
| entsprechenden T-Shirts treffe das allerdings zu. | |
| Nach interner Kritik scheint die Situation auf dem Gelände zu eskalieren. | |
| Dem auf dem Gelände ansässigen Pferdeprojekt für therapeutisches Reiten | |
| werden Ende September Koppel, Weide, Reithalle und Räumlichkeiten mit einer | |
| sechsmonatigen Frist ohne Angabe von Gründen gekündigt.Das Pferdeprojekt | |
| hatte nach taz-Informationen erst Anfang September das Verbot in einer | |
| internen Mail an den Vorstand des Kinderbauernhofs stark kritisiert. | |
| Einen Zusammenhang weist der Vorstand des Kinderbauernhofs von sich und | |
| rechtfertigt die Kündigung damit, dass das Pferdeprojekt „schon seit | |
| längerer Zeit konkrete Trennungsabsichten“ hege. Das betroffene | |
| Pferdeprojekt wollte sich auf taz-Anfrage dazu in der Zeitung nicht äußern, | |
| wohl auch, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Das Pferdeprojekt sucht | |
| derweil bereits nach einem neuen Gelände für ihre Tiere. Bis April müssen | |
| sie das Gelände räumen. | |
| 8 Oct 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Kinderbauernhof-in-Kreuzberg/!5045935 | |
| [2] /Rechtsextreme-Mode/!6105320 | |
| [3] /Strafverteidiger-ueber-Letzte-Generation/!5936702 | |
| ## AUTOREN | |
| Nicolai Kary | |
| ## TAGS | |
| Neutralitätspflicht | |
| Kinderbauernhof | |
| Politische Bildung | |
| Charlie Kirk | |
| Rechts | |
| IG | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Nach dem Attentat auf Charlie Kirk: Antifa-Forscher flieht nach Morddrohungen a… | |
| Der US-Professor und Experte für die linke Antifa-Bewegung, Mark Bray, ist | |
| mit seiner Familie nach Spanien geflohen. Rechte Aktivisten hatten ihn | |
| attackiert. | |
| Rechtsextreme Mode: Das trägt der Nazi heute | |
| Rechtsextreme verbreiten ihre Ideologie auch mit Streetwear, Symbolen und | |
| Codes. So sickern ihre Botschaften unbemerkt in den Alltag ein. | |
| Strafverteidiger über Letzte Generation: „Geht um Stigma des ‚Kriminellen�… | |
| Rechtsanwalt Lukas Theune hält die Razzien für politisch motiviert. Die | |
| Organisation stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. | |
| Kinderbauernhof in Kreuzberg: Hausbesetzer mit Herz | |
| Der Kinderbauernhof am Mauerplatz wird 33. Das Projekt hat viele Kämpfe | |
| hinter sich - und noch einige vor sich, sagt Gründungsmitglied Heike | |
| Böziger. |