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# taz.de -- Die Wahrheit: Beleidigte Leberwursttanke
> Unter den Trollen im Internet ist der Tankstellenbeschimpfer eine sehr
> spezielle Figur, der mit leidenschaftsloser stoischer Ruhe begegnet wird.
Tankstellenrezensionen im Internet bieten unerwartete Einblicke in die
seltsamen Leidenschaften der Menschen. Mein persönliches Highlight findet
sich unter den Einträgen für die Jet-Tankstelle in der Berliner
Kreuzbergstraße:
„Super unhöflich, habe gerade angerufen und gefragt ob sie dort Leberwurst
verkaufen. Habe nur eine Blöde Antwort erhalten und nur weil ich anonym
angerufen habe, ich tue dies nur weil ich mich unwohl fühle dass fremde
Leute meine Nummer kennen!Unmöglich so ein Verhalten 😡. Muss einen Stern
geben weil man keine 0 geben kann“
Auf der Seite war ich bloß, weil ich wissen wollte, welche Tankstelle einen
Münzstaubsauger hat. Es versteht sich von selbst, dass ich beim Kauf der
Jetons den Mitarbeiter an der Kasse frage: „Haben Sie Leberwurst?“
Zwinkerzwonker. Ich muss das fragen, ich bin immer im Dienst. Auch meinen
Alltag bestreite ich im Geiste einer endlosen Humor-Performance.
„Nein, haben wir nicht.“ Er sagt das total leidenschaftslos. Als hätte ich
eine ganz normale Frage gestellt. Dabei hätte ich gedacht, jeder kennt hier
die Rezension – ein eingerahmter Ausdruck hängt im Pausenraum. Für das
Personal ist sie ein Running Gag. Da braucht nur einer „Leberwurst“ zu
sagen, und die gesamte Besatzung schüttet sich aus vor Lachen. Einen
frischen Praktikanten schicken sie ins Lager, „die Leberwurst sortieren“.
Jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, sagt einer, „da will bestimmt wieder
nur jemand wissen, ob es hier Leberwurst gibt.“
Jedenfalls wiehern alle nur noch den ganzen Tag rum und arbeiten gar nicht
mehr richtig, sodass der Chef mahnen muss: „Jetzt hört doch endlich mal mit
dieser Leberwurstscheiße auf.“
Ich dachte also, dass die meine Anspielung sofort verstehen und, je nach
Temperament und Laune, entweder als unverschämte Provokation sehen, „Ach,
Sie sind das Schwein mit dem einen Stern? Hauen Sie ab, bevor ich Sie töten
kann“, oder aber schlagfertig das Spiel mitspielen: „Haben schon, Meesta,
aber vakoofn nicht.“ Höhö.
Nein, stattdessen nur ein müdes Hamwanich. Doch vielleicht darf die Frage
auch nicht am Verkaufsschalter gestellt werden, sondern muss zwingend
anonym am Telefon erfolgen. Nur so entfaltet sie ihre volle Wirkung. Noch
besser wäre allenfalls ein Brief, oder gar ein Einschreiben.
„Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jet-Tankstelle. Auf
diesem Wege möchte ich gerne in Erfahrung bringen, ob Sie in Ihrem Hause
Leberwurst führen. Die Marke spielt keine Rolle – was Tankstellenleberwurst
betrifft, bin ich von vergleichsweise genügsamer Natur. Ich bitte Sie um
eine Antwort innerhalb eines zumutbaren Zeitraums, da meine Anfrage Sie
keinesfalls bei Ihren anderweitigen Aufgaben behindern soll. Ein
frankierter Rückumschlag liegt selbstverständlich bei. Mit freundlichen
Grüßen, Uli Hannemann“.
7 Oct 2025
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Trolle
Internet
Autofahrer
Eltern
Autobahn
Kolumne Die Wahrheit
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