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# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Selbstbestimmung statt Kontrolle
> Berlin diskutiert über männliche Einsamkeit, Scham und das Recht, über
> den eigenen Körper zu bestimmen zu dürfen.
Bild: Gegenprotest: Fundis müssen lernen, dass sie nicht über den weiblichen …
„Ich bin der traurigste Clown vom Kotti. Nur leider niemand da, der
applaudiert.“ Mit diesen Worten eröffnet der Kreuzberger Schauspieler und
Autor Anton Weil seinen Debütroman „Super einsam“. [1][Es geht darin um
Einsamkeit], vor allem die Männliche. Studien der letzten 30 Jahre zeigen,
dass die sozialen Netzwerke von Männern im Vergleich zu denen von Frauen
kontinuierlich geschrumpft sind. Inzwischen ist die Rede von einer
„Epidemie männlicher Einsamkeit“.
In Anton Weils Worten klingt das so: „Die Freunde sind zu Kollegen und die
Kollegen zu Bekanntschaften geworden. Man grüßt sich vielleicht noch, wenn
man ineinanderrennt, aber zum Stehenbleiben fehlt die Zeit.“
Feministinnen kritisieren den Ausdruck „Epidemie männlicher Einsamkeit“ als
zu passiv. Er suggeriere, Männer seien bloße Opfer, die ohne eigenes Zutun
in die Einsamkeit geraten. Ursache sei jedoch vielmehr, dass Männer im
Patriarchat oft nicht lernen würden, die Bedeutung von Freundschaften und
Gemeinschaften zu erkennen und emotionale Kompetenzen zu entwickeln –
anders als viele Frauen. Deshalb schlagen Kritiker*innen vor,
stattdessen von einer „Fähigkeiten Lücke“ zu sprechen.
Am Freitag spricht Anton Weil beim [2][25. internationalen
literaturfestival] gemeinsam mit dem Soziologen Janosch Schobin über das
Thema männliche Einsamkeit. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach der Rolle von
Freundschaften, Gaming und Sozialisation. Und: Kann man sich selbst
heraushelfen, etwa durch Denken, Schreiben und Sprechen? (Freitag, 19.
September, Haus der Berliner Festspiele, 18 Uhr)
## „Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine!“
Die Einsamkeit birgt nicht nur eine Gefahr für das Individuum, sondern auch
für die Demokratie. Einsame Männer tendieren laut Studien häufiger zur Wahl
rechter Parteien. Die Unsicherheit gegenüber Vielfalt und der Wunsch nach
klaren Rollenbildern – Männer als Väter, Frauen als Mütter – manifestiert
sich auch an diesem Samstag wieder.
Dann ziehen Abtreibungsgegner*innen mit „I love Jesus“-Shirts,
Holzkreuzen und „Töten ist keine ärztliche Kunst“-Schildern durch Berlin.
Beim „Marsch für das Leben“, eine der größten öffentlichen Veranstaltun…
der sogenannten „Lebensschutzbewegung“, demonstrieren seit 2008 jedes Jahr
Tausende für ein vollumfängliches Abtreibungsverbot.
In den letzten Jahren nahmen an der Demo neben
Abtreibungsgegner*innen auch konservative Politiker*innen,
christliche Fundamentalist*innen und vermehrt auch Ultrarechte teil,
darunter AfD-Politikerin Beatrix von Storch. Diese [3][Allianz zwischen der
christlichen Fundamentalismusbewegung und der extremen Rechten] wurde in
den letzten Jahren immer deutlicher. In Deutschland bestehen enge Kontakte
sowohl zur Union als auch zur AfD.
Das queerfeministische Bündnis „What the Fuck!?“ kritisiert: „Die
‚Lebensschutzbewegung‘ ist ein Vehikel für reaktionäre, antifeministische
und queerfeindliche Ideologien“. Es warnt: „Die Bewegung hat in den letzten
Jahren immer mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit erlangt, auch aus Teilen
der bürgerlichen Mitte, die sich als ‚besorgt‘ über den ‚Trend‘ der
Geschlechtervielfalt geben.“ So zeige etwa Markus Söders (CSU) Vergleich
von Deutschlands Industrie mit einer „Dame ohne Unterleib“, dass die
Gleichsetzung von der Wertigkeit eines Menschen mit seiner Gebärfähigkeit
über fundamentalistische Kreise hinausreiche.
Dagegen will das Bündnis am Samstag demonstrieren. Sie rufen um 11 Uhr zur
Gegendemo auf dem Europaplatz am Hauptbahnhof auf. Das Motto: „Ob Kinder
oder keine, entscheiden wir alleine!“ (Samstag, 20. September, Europaplatz
am Hauptbahnhof, 11 Uhr)
## Ausbeutung oder Selbstbestimmung?
Mehr Selbstbestimmung wünscht sich auch eine andere Gruppe:
Sexarbeiter*innen. Bevormundung über sie ist nach wie vor die Norm. [4][Ist
Sexarbeit weibliches Empowerment oder ein Akt der Unterdrückung?] Über
diese Frage diskutieren Feminist*innen seit jeher – und sprechen dabei
oft über Sexarbeiter*innen, selten mit ihnen.
Ab Donnerstag bietet sich wieder ein aktueller Anlass für die Debatte. Dann
startet in den Messehallen am Funkturm die 28. Venus, Europas größte
Erotikmesse. Das bedeutet: ein wilder Geruchscocktail aus Schweiß, Sperma
und Schlagsahne, eine schummrig beleuchtete Show-Area auf deren Bühne sich
halbnackte Frauen mit Schlagsahne besprühen, sich ablecken und befriedigen
– festgehalten durch schamlos große Linsen und Camcorder umherstehender
sabbernder Männerscharen.
Dieses Mal soll es aber auch gezielt um die Männer gehen, genauer: ihre
Unsicherheiten. Erstmals werden auf der Messe zwei häufige, aber stark
tabuisierte sexuelle Funktionsstörungen bei Männern thematisiert: erektile
Dysfunktion und vorzeitige Ejakulation. Studien zufolge ist etwa jeder
dritte Mann im Laufe seines Lebens davon betroffen. Eine
Aufklärungskampagne in der Messehalle soll Männer ermutigen, aus dem
Schweigen herauszutreten. (25. – 28. September, Venus, Messehallen am
Funkturm)
19 Sep 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Lilly Schröder
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glaubwürdig ist das?
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