# taz.de -- AfD bei den NRW-Wahlen: Henze statt Hetze in Gelsenkirchen | |
> Die blaue Welle blieb bei den Kommunalwahlen in NRW aus. In Gelsenkirchen | |
> schaffte es die radikal rechte AfD es trotzdem in die Stichwahl. | |
Bild: Geschafft: Andrea Henze am Wahlabend in Gelsenkirchen | |
Es ist ein Satz, den man innerhalb der extrem rechten AfD dieser Tage oft | |
sagt und wie er vielfach – wohlgemerkt nicht-öffentlich – von | |
Parteivertretern geäußert wird: „Wir hätten in Gelsenkirchen auch einen | |
Besenstiel aufstellen können und er wäre gewählt worden.“ | |
Früher hat man das in den Arbeiterstadtteilen im Ruhrgebiet in der SPD | |
gesagt – heute sagt man das bei den Rechtsextremen. Sie profitieren von der | |
schlechten politischen Stimmung, Abstiegsängsten, rassistischen Debatten, | |
verfallenden Stadtteilen. Die AfD hetzt Arme gegen noch Ärmere auf und es | |
verfängt. Der Rechtsruck nicht nur der Union auf Bundesebene und der | |
weltweite Kulturkampf der globalen Rechten tun ihr Übriges. | |
Im Norden des Ruhrgebiets lässt sich beobachten, dass Rechtsextremismus | |
mitnichten ein Ost-, sondern ein gesamtdeutsches Problem ist. Obwohl der | |
OB-Kandidat der AfD in Gelsenkirchen, der 72-jährige Rentner Norbert | |
Emmerich, nicht einmal einen Social-Media-Auftritt hat und politisch | |
eigentlich nur über nennenswerte Erfahrungen als Meckerrenter verfügt, | |
bekam er bei der OB-Wahl in Gelsenkirchen 29,8 Prozent. Die AfD hat es | |
damit wie auch in Duisburg und Hagen in die Stichwahl geschafft. | |
Die extrem Rechten sind vor allem oberhalb der A40 erfolgreich – dem | |
[1][Sozialäquator NRWs]. Nördlich von der Autobahn gab es bis zuletzt noch | |
Steinkohleabbau, große Arbeiterviertel und bis heute große Probleme mit dem | |
Strukturwandel. In Gelsenkirchen schlossen die letzten Zechen im Jahr 2000, | |
die Stadt ist eine der ärmsten in Deutschland, hat hohe Arbeitslosenzahlen, | |
viele Schrottimmobilien, einen schlecht spielenden Zweitligaverein. Ähnlich | |
ist es in Herne, Oberhausen und in den nördlichen Stadtteilen von Dortmund, | |
Essen, Bochum und Duisburg. | |
## Enttäuschte AfDler | |
Dennoch lässt sich konstatieren, dass eine auch medial beschrieene „blaue | |
Welle“ auf kommunaler Ebene ebenso ausblieb wie in Ostdeutschland die | |
flächendeckende Übernahme der Rathäuser. Dort verlor am Sonntag auch im | |
[2][brandenburgischen Nauen] ein Neonazi-Kandidat für die AfD im ersten | |
[3][Wahlgang eine Bürgermeisterwahl] – viele AfD-Leute hatten sich mehr | |
ausgerechnet. In den erreichten Stichwahlen wird die AfD im Ruhrgebiet | |
mutmaßlich deutlich unterliegen – auch weil die Brandmauer hier noch auf | |
allen Ebenen als intakt gilt. | |
Und so gewann auch in Gelsenkirchen am Ende [4][die SPD-Kandidatin, die | |
Verwaltungswissenschaftlerin Andrea Henze] im ersten Durchgang deutlich mit | |
37 Prozent. Henze sagte der taz, das starke Abschneiden der AfD sei | |
erschreckend, aber nicht überraschend. „Die Herausforderungen der Stadt | |
sind groß, und es gab wahrlich keinen Rückenwind durch gute Arbeit der | |
Koalition in Berlin.“ | |
Die Menschen in Gelsenkirchen hätten das Gefühl, seit Jahren von Land und | |
Bund vergessen worden zu sein. Daraus resultierten Vorurteile und | |
Abneigungen gegen „die Politik“, „gegen die auch noch so motivierte | |
Kommunalpolitiker nicht immer ankommen“, so Henze, die im Wahlkampf über | |
400 Termine absolviert hatte und bis zur Stichwahl am 28. September weiter | |
auf Tour ist. | |
Die SPD-Kandidatin bleibt optimistisch: „Trotz alledem kann man sagen: | |
Gelsenkirchen hat mit deutlicher Mehrheit demokratische Kräfte gewählt.“ | |
Überhaupt keine Rolle spielt die AfD in Münster (4,5 Prozent), Aachen (7,7) | |
und Bonn (6). Und in vielen Gemeinden fand die AfD nicht einmal Besenstiele | |
zum Aufstellen. Tatsächlich zeigt die Wahl erneut, dass auch die AfD ihre | |
Wähler*innen mobilisieren muss und dass dies nicht immer erfolgreich ist | |
und auch kein Automatismus. | |
Trotz ihres bundesweiten Höhenflugs in den Umfragen wählten die extrem | |
rechte Partei weniger Wähler als noch bei der Bundestagswahl. Dort kam sie | |
mit 1,7 Millionen Wähler*innen auf 16,4 Prozent, nun bekam sie [5][eine | |
halbe Million Stimmen weniger] 1,1 Millionen und 14,5 Prozent. | |
Ein Grund zur Entwarnung ist das dennoch nicht: Die extrem rechte AfD hat | |
ihr Ergebnis trotz eines durchwachsenen Wahlkampfs und einer zutiefst | |
zerstrittenen Landespartei um 9,4 Prozentpunkte gegenüber 2020 gesteigert. | |
Die AfD wird in NRW nun landesweit mit 552 statt 186 Vertretern in den | |
Kommunalparlamenten weiter spalten, hetzen und Sand ins Getriebe der | |
Demokratie streuen. | |
15 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.politik-wissenschaft.org/2024/05/13/sozialstruktur-ruhrgebiet/ | |
[2] https://aktionsbuendnis-brandenburg.de/sven-kilian-afd-stadtverordneter-mit… | |
[3] https://www.rbb24.de/politik/wahl/brandenburg-buergermeisterwahlen/2025/nau… | |
[4] /Kommunalwahlen-in-Nordrhein-Westfalen/!6110067 | |
[5] https://www.wahlergebnisse.nrw/kommunalwahlen/2025/aktuell/a000000kw2500.sh… | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
Gareth Joswig | |
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