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# taz.de -- Tagebuch aus der Ukraine: Die flüssige Schönheit Odesas
> Unsere Autorin liebt das Schwarze Meer und seine Strände. Nun kämpft sie
> dafür, dass es dort sauber wird. Und dass es endlich Toiletten gibt.
Bild: Beliebt trotz Krieg und Verschmutzung: die Strände von Odesa
Ich liebe unser Schwarzes Meer sehr. Ich bin in [1][Odesa] geboren, lebe
mein ganzes Leben hier und möchte bis zu meinem letzten Tag hier bleiben,
sofern der Krieg diese Pläne nicht durchkreuzt. Für mich ist das Meer nicht
nur eine Landschaft hinter meinem Fenster, sondern Teil meines Alltags,
meine Quelle der Kraft und Inspiration.
Kürzlich scherzten meine Kinder, dass ich zu einer „klassischen
europäischen Frau über 40 geworden bin, die sich um die Umwelt sorgt“. Da
ist etwas Wahres dran: Ich habe mein Auto verkauft und bin auf das Fahrrad
umgestiegen. Meine erste Route war die „Gesundheitsstraße“ – etwa 15
Kilometer entlang des Meeres. Ich beschloss zu prüfen, inwieweit dieses
Gebiet für Erholung geeignet ist, ohne der Natur zu schaden.
Das Erste, was mich interessierte, waren die öffentlichen [2][Toiletten].
Das mag trivial erscheinen, aber genau damit beginnt Sauberkeit. Wenn es
keine Toiletten gibt, verrichten die Menschen ihre Notdurft im Meer oder im
Gebüsch. Es stellte sich heraus, dass es entlang der gesamten Strecke keine
einzige kostenlos zu nutzende Toilette gibt. Nur einige wenige
kostenpflichtige finden sich – und die gibt es auch erst nach sieben
Kilometern. Für eine Millionenstadt und einen Ferienort ist das eine
Schande.
Ein weiteres Problem sind die Abwasserrohre. Laut Vorschrift müssen sie
Hunderte von Metern vom Ufer entfernt ins Meer münden. In Odesa kommt es
jedoch direkt an den Stränden zu Rohrbrüchen. Das lässt sich leicht an den
Ansammlungen von Möwen und am charakteristischen Geruch erkennen. Ich habe
mich schriftlich an die Behörden gewandt, und es wurden teilweise
Reparaturen durchgeführt, aber die Leitung wurde nie wiederhergestellt.
Stattdessen wurde in der Nähe ein neuer kostenpflichtiger Strand eröffnet.
Ich möchte schreien: „Leute, ihr badet in Abwasser! Und dafür bezahlt ihr
auch noch Geld!“
## Wenigstens die Toiletten müssen renoviert werden
Als Journalistin habe ich mich mit der Bitte an die Stadtverwaltung
gewandt, zumindest eine kleine Anzahl kostenloser Toiletten einzurichten
oder die alten zu renovieren. Denn wie können wir von internationalen
Standards und der „[3][Blauen Flagge]“ träumen, wenn nicht einmal das
Nötigste gewährleistet ist? Es wurde eine Renovierung versprochen, aber
letztendlich entspricht kein einziger Strand in Odesa den Normen.
Ich liebe das Meer so sehr, dass es mir wehtut, zu sehen, wie es leidet:
unter dem Krieg, unter den Bombenexplosionen im Wasser, unter der
Verschmutzung nach der Sprengung des Wasserkraftwerks in [4][Kakhovka]. Die
jüngste Tragödie in [5][Zatoka], bei der drei Menschen ums Leben kamen, als
sie auf eine Mine traten, hat einmal mehr gezeigt, wie gefährlich es ist,
die Regeln zu ignorieren.
Zugleich sehe ich aber auch, wie das Meer versucht, sich zu erholen: Es
gibt neue Fischarten, Krabben und Muscheln vermehren sich, der kommerzielle
Fischfang ist vorübergehend verboten – und das Leben im Meer scheint wieder
aufzuleben. Es gibt weniger Kriegsschiffe und mehr Delfine.
Ich möchte, dass die Menschen verstehen: Der Strand ist keine Toilette, das
Meer ist keine Müllhalde. Die Behörden müssen erkennen: Die Frage der
Toiletten, der Sauberkeit und der Sicherheit ist keine Kleinigkeit, sondern
eine grundlegende Notwendigkeit. Ich habe gesehen, wie die Infrastruktur in
anderen europäischen Städten ausgebaut ist, und ich wünsche mir dasselbe
für meine Heimatstadt Odesa. Vielleicht gründe ich sogar eine Organisation,
die sich dafür einsetzt, dass wenigstens ein Strand in Odessa den
internationalen Standards entspricht. Denn unser Meer verdient Dankbarkeit
und Fürsorge.
[6][Tatjana Milimko] ist Chefredakteurin des ukrainischen
Onlinenachrichtenportals [7][USI.online] und Alumna der taz Panzer Stiftung
([8][Workshops für Journalist:innen aus Osteuropa])
Aus dem Russischen von [9][Tigran Petrosyan].
Finanziert wird das Projekt von der [10][taz Panter Stiftung].
12 Sep 2025
## LINKS
[1] /Odessa/!t5009857
[2] /Toilette/!t5015397
[3] /DIE-SCHWERE-GEBURT-EINES-quotREISEENGELSquot/!1746534/
[4] /Kachowka-Staudamm-in-der-Ukraine/!5936190
[5] https://www.bbc.com/news/articles/c1mpp9127dro
[6] /Tatjana-Milimko/!a127521/
[7] https://usionline.com/
[8] /Osteuropa-Workshops/!vn6047722/
[9] /Tigran-Petrosyan/!a22524/
[10] /Panter-Stiftung/Spenden/!v=95da8ffb-144e-4a3b-9701-e9efc5512444/
## AUTOREN
Tatjana Milimko
## TAGS
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