| # taz.de -- Radsport: Ohne Reue in Ruanda | |
| > Magdeleine Vallieres ist Weltmeisterin. Die Kanadierin hat am Ende eines | |
| > kraftraubenden Radrennens noch Körner und düpiert die Favoritinnen. | |
| Bild: Oops! Magdeleine Vallieres ist Weltmeisterin und kann es kaum fassen | |
| Das Straßenrennen der Frauen [1][in Ruandas Hauptstadt Kigali] war eines | |
| der verrücktesten des Frauenradsports in den letzten Jahren. Denn keine | |
| einzige der großen Favoritinnen war nach langen und erschöpfenden 146,6 | |
| Kilometern in Reichweite der Medaillen. Völlig überraschend gewann die | |
| Kanadierin Magdeleine Vallieres vor der Neuseeländerin Liamh Fisher-Black | |
| und der Spanierin Mavi Garcia. | |
| „Es war ein verrücktes Rennen. Lange Zeit war es ruhig. Als es dann so | |
| richtig losging, waren alle völlig erschöpft“, beschrieb die frühere | |
| Tour-de-France-Siegerin und Kapitänin des niederländischen Top-Teams, | |
| [2][Demi Vollering], das Szenario. Sie wurde am Ende 7., einen Platz hinter | |
| der Rosenheimerin Antonia Niedermaier. Die andere große Favoritin, Pauline | |
| Ferrand-Prevot, [3][Siegerin der diesjährigen Tour de France] und lediglich | |
| 16. in Kigali, meinte nur zerknirscht: „Ich bin besonders enttäuscht für | |
| meine Teamkolleginnen, denn sie sind den ganzen Tag gefahren.“ | |
| Tatsächlich übernahm ihr französisches Team lange die Kontrolle über das | |
| Rennen. Nur einzelne Ausreißerinnen wurden weggelassen, allerdings an der | |
| ganz kurzen Leine. Erst als sich etwa 32 Kilometer vor dem Ziel eine | |
| siebenköpfige Gruppe mit den späteren Medaillengewinnerinnen aus dem | |
| Hauptfeld löste, kam plötzlich Dynamik auf. Es war ein guter Schachzug, an | |
| dem auch Niedermaier ihren Anteil hatte. Auch Teamkollegin Franziska Koch | |
| war in diesem Moment noch in Reichweite. Sie optierte aber fürs | |
| Kräftesparen. | |
| „Ich habe gesehen, Antonia ist ja da und deswegen bin ich nicht gefolgt“, | |
| sagte sie hinterher. Es war eine Entscheidung, die sie dann im Ziel | |
| bereute. „Im Nachhinein bin ich natürlich ein bisschen enttäuscht, weil ich | |
| ja schon noch einen guten Punch hatte“, gab sie zu. Es reichte zu einem 12. | |
| Platz, über den sie sich vom Ergebnis her zwar freute, der ihr angesichts | |
| des Rennverlaufs aber auch ein bisschen mager vorkam. | |
| ## Favoritinnen zauderten | |
| Schuld daran war vor allem, dass die Favoritinnen hinter der Gruppe nicht | |
| mitspielten. Sie zauderten und zögerten. Sehr hart ging deshalb die | |
| Italienerin [4][Elisa Longo Borghini] mit ihren Rivalinnen und auch mit | |
| sich selbst ins Gericht. „Wir waren wirklich dumm. Alle haben sich nur | |
| gegenseitig angeguckt. Und alle dachten wahrscheinlich, dass wir von einem | |
| Moment auf den anderen wieder vorn dran wären. Aber die vorne waren die | |
| Mutigen. Sie haben den richtigen Zug gemacht, dann an sich geglaubt und es | |
| auch durchgezogen. Ich hingegen bin im Schachspiel derer, die eigentlich | |
| die großen Fahrerinnen sein sollten, gefangen gewesen“, meinte die | |
| zweimalige Siegerin des Giro d’Italia. | |
| Ein paar Gespräche in der Mixed Zone später stellte sich heraus: Es war | |
| nicht nur pure Dummheit. Den Top-Favoritinnen fehlten einfach Kraft und | |
| Mut. „Ich hatte nicht mehr die Power wie bei der Tour und auf dem | |
| Kopfsteinpflaster von Kimihurura auch nicht die Kräfte, die ich noch bei | |
| Paris-Roubaix gehabt hatte“, gab mit Ferrand-Prevot die diesjährige | |
| Siegerin dieser beiden Rennen zu. Sie konstatierte auch: „Ich habe einen | |
| Angriff von Demi erwartet und sie von mir.“ | |
| ## „Sparsam mit Energie“ | |
| Die wiederum klagte: „Ich hatte immer wieder Probleme mit der Ernährung. | |
| Ich hatte auch ein bisschen Angst, dass ich irgendwann zu wenig Kraft habe. | |
| Deshalb bin ich sehr sparsam mit meiner Energie umgegangen.“ Deshalb | |
| entschloss sie sich zu einer eher zurückhaltenden Fahrweise. „Ich dachte | |
| nur: Warte, warte, warte. Wenn alle einen Pfeil abgefeuert haben, dann gibt | |
| es vielleicht einen Moment für mich. Denn diese Pfeile sind hier teuer. | |
| Wenn man ein paar Mal zu weit in den roten Bereich fährt, ist es schwer, | |
| sich zu erholen“, meinte sie. | |
| Natürlich hätten die Favoritinnen angesichts ihrer beschränkten Mittel an | |
| diesem Tag auch ihren Teamkolleginnen den Freibrief zur Attacke ausstellen | |
| können. So aber wurde der Weg frei für eine Handvoll Außenseiterinnen, von | |
| denen die Kanadierin Vallieres sich als die Stärkste erwies. | |
| „Die Mädels haben an mich geglaubt, also habe ich an mich geglaubt“, nannte | |
| sie als ziemlich simples Motivationsrezept. „Ich wusste auch, dass ich in | |
| guter Form bin, und sagte mir, ich wollte nichts bereuen.“ Das muss sie | |
| auch nicht, als eine von ganz wenigen an diesem verrückten WM-Tag in | |
| Ostafrika. | |
| 28 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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