| # taz.de -- Sanktionen gegen Iran: Mit der Geduld am Ende | |
| > Die UN-Sanktionen gegen den Iran sind wieder in Kraft. Am Sonntag ist der | |
| > sogenannte Snap-Back-Mechanismus wirksam geworden. | |
| Bild: Der Baharestan-Platz in Teheran | |
| Berlin taz | Man habe „keine andere Wahl gehabt“, sagte Bundesaußenminister | |
| Johann Wadephul (CDU) vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in | |
| New York. Er bezog sich [1][auf die Sanktionen gegen den Iran], die vor | |
| zehn Jahren ausgesetzt worden waren und nun, Sonntag früh, 2.01 Uhr, wieder | |
| in Kraft getreten sind. Teheran hat im Atomstreit nicht eingelenkt und so | |
| hat der 2015 mit dem Atomdeal vereinbarte, sogenannte Snap-Back-Mechanismus | |
| zugeschnappt. | |
| Vor knapp zehn Jahren hatten der Iran, die USA und Russland sowie die | |
| sogenannten E3 – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – einen | |
| Atomdeal geschlossen. Damals war der Dealmaker noch Barack Obama und nicht | |
| Donald Trump. Vereinbart wurde in dem Nuklearabkommen JCPoA, dass Iran | |
| seine Urananreicherung auf einen Anreicherungsgrad von Uran-235 Isotopen | |
| von 3,67 Prozent nicht überschreitet. Im Gegenzug wurden alle UN-Sanktionen | |
| gegen das Land aufgehoben. | |
| Iran sollte so [2][der Weg zur Atombombe] verbaut und die Rückkehr in die | |
| internationale Wirtschaftsgemeinschaft geebnet werden. Doch die Zweifel an | |
| Teherans Vertragstreue wuchsen. Vor allem als bekannt wurde, dass ein | |
| Anreicherungsgrad von 60 Prozent überschritten worden war. | |
| Trump war schon 2018 einseitig aus dem JCPoA ausgestiegen. Einseitig hatte | |
| er „die härtesten Sanktionen aller Zeiten“ gegen das Mullahregime verhäng… | |
| Die E3 hingegen versuchten seither, Teheran zum Einhalten des Abkommens zu | |
| bringen und wirtschaftliche Beziehungen aufrechtzuerhalten. | |
| ## Entzug des US-Marktes | |
| Beides scheiterte. Trumps Sanktionen waren stärker als alle | |
| EU-Anstrengungen: Sie bestraften alle Unternehmen weltweit mit einem Entzug | |
| des US-Marktes und vor allem mit einer Verbannung von amerikanischen | |
| Finanzmärkten, wenn diese weiter Handel mit Iran betrieben. Teherans | |
| Führung ihrerseits beendete die Zusammenarbeit mit der Internationalen | |
| Atomenergiebehörde (IAEA) und verwies die Atomkontrolleure des Landes. | |
| Das Misstrauen gegen Iran wuchs weiter und so stellten die E3 Teheran ein | |
| Ultimatum: Der im Atomabkommen vereinbarte „Snap-Back-Mechanismus“ trete | |
| innerhalb eines Monats in Kraft, wenn Iran bei der Urananreicherung und der | |
| Zusammenarbeit mit der IAEA nicht einlenke. Iran lenkte nicht ein, nun sind | |
| die UN-Sanktionen wieder eingesetzt. | |
| Der „Snap-Back-Mechanismus“ ist Bestandteil des Atomabkommens. Beide Seiten | |
| können ihn nutzen, wenn sie der Meinung sind, dass die andere Seite ihre | |
| Verpflichtungen nicht einhält. Die Auslösung des „Snap Back“ bedeutet, da… | |
| die durch das JCPoA ausgesetzten UN-Sanktionen ohne ein mögliches Veto der | |
| iranfreundlichen Vetomächte im Weltsicherheitsrat, Russland und China, | |
| automatisch wieder in Kraft treten, wenn Teheran nicht binnen 30 Tagen | |
| wieder vollumfänglich mit der IAEA kooperiert und seine Atomanlagen unter | |
| Kontrolle dieser UNO-Behörde stellt. Das war bis Sonntagmorgen nicht der | |
| Fall. | |
| Europäische Diplomaten werfen Teheran zwar einerseits vor, nicht einlenken | |
| zu wollen und so den Bau der Bombe heimlich voranzutreiben. Zugleich aber | |
| machen sie vor allem Trump den Vorwurf, in seiner ersten Amtszeit aus dem | |
| JCPoA ausgestiegen zu sein und so die Hardliner in Teheran angestachelt zu | |
| haben. | |
| ## Völlig anderes Bild | |
| Denn bis zum Ausstieg Trumps aus dem Abkommen hatte sich der Iran | |
| IAEA-Beobachter:innen zufolge an die Auflagen gehalten. Dafür sprach auch, | |
| was über die in den iranischen Atomanlagen installierten Kameras zu sehen | |
| war. Zugleich war der Handel mit Iran deutlich angestiegen. | |
| Seit der Trump-Entscheidung 2018 änderte sich das Bild völlig: IAEA-Kameras | |
| wurden sukzessive abgebaut, es wurden deutlich höhere | |
| Uran-Anreicherungsgrade bekannt. Iran verfüge über 408 Kilogramm auf 60 | |
| Prozent angereichertes Uran, hatte die IAEA im Mai festgestellt. | |
| Für zivile atomare Nutzung, etwa Atomstrom oder Röntgenstrahlung, wurde im | |
| JCPoA ein Anreicherungsgrad von Uran-235 Isotopen von 3,67 Prozent | |
| verankert. Natürliches Uran enthält etwa 0,7 Prozent Uran-235. Für | |
| Atombomben ist eine Anreicherung auf circa 90 Prozent nötig. | |
| Trumps „Secondary Sanctions“, die er nach der Aufkündigung des Abkommens | |
| einführte, trafen die iranische Wirtschaft hart. Sogar große chinesische | |
| Banken haben sich aus dem Iran-Geschäft aus Angst vor US-Sanktionen | |
| zurückgezogen. Europäische Unternehmen, vor den Sanktionen groß im | |
| Irangeschäft, nahmen ihre Beziehungen dorthin nicht wieder auf. | |
| ## Verpflichtungen missachtet | |
| Iran konnte seither sein Öl nur deutlich unter Weltmarktpreisen verkaufen – | |
| zumeist nach China. De facto sind alle westlichen Banken und Versicherungen | |
| – bedeutsam im internationalen Öl- und Tankergeschäft – raus aus dem | |
| Iran-Handel. | |
| Iran habe über Jahre hinweg seine Verpflichtungen missachtet, begründete | |
| Wadephul die Haltung der E3: „Es gibt keine plausible Begründung, Uran auf | |
| 60 Prozent anzureichern. Iran ist der einzige nichtatomar bewaffnete Staat | |
| der Welt, der so hoch angereichertes Uran besitzt.“ Mit dem Snap Back, so | |
| Wadephul, ende zwar ein Kapitel unserer diplomatischen Bemühungen. Doch der | |
| Iran habe die Möglichkeit, „ein neues Kapitel von Diplomatie | |
| aufzuschlagen“. Es sei an ihm, den Weg hin zu neuen Gesprächen zu | |
| beschreiten: „Wir sind dafür bereit.“ Es müsse sichergestellt werden, dass | |
| der Iran niemals in den Besitz von Atomwaffen gelange. | |
| Teherans Außenministerium verurteilte am Sonntagmorgen das Vorgehen scharf | |
| und kündigte eine „entschlossene und angemessene“ Reaktion an. Zudem wurden | |
| alle Staaten aufgefordert, sich nicht an die nun wieder geltenden | |
| UN-Sanktionen zu halten. Diese umfassen ein Waffenembargo, Einschränkungen | |
| für den Banken- und Finanzsektor sowie Verbote für den Im- und Export | |
| zahlreicher Güter. Zudem werden Vermögenswerte von hochrangigen iranischen | |
| Persönlichkeiten eingefroren, gegen die auch ein Reiseverbot verhängt wird. | |
| Auch dürfen wieder Frachtgüter bei iranischen Flug- und | |
| Schiffsgesellschaften überprüft werden. Damit soll verhindert werden, dass | |
| Teheran mögliche Programme zum Bau einer Atombombe und zur Entwicklung und | |
| Produktion ballistischer Raketen finanzieren und eingekaufte Teile nach | |
| Iran transportieren kann. | |
| ## Hinter vorgehaltener Hand | |
| In den vergangenen Monaten hatte es immer neue Verhandlungsrunden zwischen | |
| Vertretern Irans und der E3-Staaten gegeben. Von einer „Hinhaltetaktik“ | |
| seitens des Iran war dabei von europäischer Seite hinter vorgehaltener Hand | |
| die Rede. | |
| Vor einem Monat riss der Geduldsfaden und die E3 gaben bei der UNO bekannt, | |
| dass weitere Verhandlungen ohne diplomatische Eskalation wie der Verhängung | |
| des sogenannten Snap-Back-Mechanismus nun „nicht mehr zielführend“ seien. | |
| Den USA und Israel war der Geduldsfaden schon viel früher gerissen: Israels | |
| Luftwaffe hatte unter dem Codenamen „Operation Rising Lion“ Mitte Juni das | |
| schiitische Kernland am Persischen Golf angegriffen. Dabei wurden | |
| Radaranlagen, Militäreinrichtungen, Nuklearfabriken, Atomwissenschaftler | |
| und hochrangige Militärs und Revolutionsgarden getötet. | |
| Iran hatte mit Raketen- und Drohnenangriffen auf Israel reagiert. Unklar | |
| ist bis heute, wie verheerend die US-Schläge gegen die verbunkerten | |
| Atomanlagen waren. Iran behauptet, sie wurden getroffen, aber nicht | |
| vollständig zerstört. | |
| 29 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Mathias Brüggmann | |
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