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# taz.de -- Waldbrände in Brasilien: Vor dem ersten Funken
> Der Umweltingenieur Josivaldo Lucas Galvão Silva arbeitet an Prognosen
> zum Waldbrandrisiko im Amazonasregenwald. Diese können Wald und Leben
> retten.
Bild: Rauch behindert die Sicht auf der Autobahn AM-070 am Ursprungsort eines F…
MANAUS taz | taz: Herr Galvão Silva, Sie haben mit anderen Wissenschaftlern
die vorhandenen Modelle zur Vorhersage des Waldbrandrisikos im
Amazonasgebiet verfeinert. Warum war das nötig?
[1][Josivaldo Lucas Galvão Silva]: Bislang wurden die meisten Studien zum
Brandrisiko auf globaler Ebene durchgeführt, mit Modellen mit geringer
Auflösung, die die Besonderheiten der Region nicht erfassen. Wir wollten
diese Lücke mit einer hochauflösenden Modellierung und einer detaillierten
Analyse der Branddynamik und der atmosphärischen Zirkulation unter den
Bedingungen der Amazonasregion schließen.
In der Praxis liefert jedes Klimamodell unterschiedliche Ergebnisse, je
nachdem welche Formeln und Daten verwendet werden. Das eine Modell
prognostiziert mehr Niederschläge, das andere weniger. Kein Modell ist für
sich genommen das einzig richtige. Es braucht eine Kombination mehrerer
Modelle, eine Reihe von Simulationen. Dadurch lassen sich die Ergebnisse
vergleichen und es lässt sich überprüfen, ob sie auf denselben Trend
hindeuten. Das macht unsere Studie. Und wenn verschiedene unabhängige
Modelle zu ähnlichen Ergebnissen kommen, erhöht sich das Vertrauen in die
Vorhersage.
taz: Im Vorjahr erlebte Brasilien verheerende Waldbrände – dadurch ging der
Baumbestand auf einer Fläche größer als Kalifornien verloren. Laut
[2][Daten von MapBiomas] ist das ein Anstieg von zwei Dritteln gegenüber
2023, die Zahl der Brandherde legte um über 40 Prozent zu. Wenn das so
weitergeht, wird vom Regenwald irgendwann nichts mehr übrigbleiben …
Galvão Silva: Wir haben ein extremes Szenario simuliert, das kurzfristig
zwar unwahrscheinlich ist, aber nützlich ist, um die Grenzen des Systems zu
verstehen: vollständige Abholzung des Amazonasregenwalds, Ersatz durch
Weideland und ein dadurch erzeugter deutlicher Anstieg der Treibhausgase.
Unsere Daten zeigen, wie wichtig der Wald für die Regulierung des Klimas
und die Verringerung der Brandgefahr ist.
Die Warnung ist klar: Wenn die Zerstörung weitergeht, könnte der Amazonas
einen Kipppunkt erreichen, an dem er seine Fähigkeit zur Regeneration
verliert. Dies würde einen Kreislauf von Veränderungen in der Vegetation
und im lokalen Klima in Gang setzen, der immer häufigere Brände begünstigen
würde, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf das globale Klima und die
Artenvielfalt.
taz: Welche Rolle spielt die Abholzung beim Brandrisiko?
Galvão Silva: Das Amazonasgebiet ist ein natürlich feuchter Tropenwald, da
sind spontane Brände selten. Und selbst bei für Brände günstigen
klimatischen Bedingungen – lange Trockenperioden, niedrige Luftfeuchtigkeit
und hohe Temperaturen – ist eine Zündquelle erforderlich. Und diese hat
fast immer etwas mit menschlichen Aktivitäten zu tun, insbesondere der
illegalen Abholzung. Durch das Abholzen des Waldes werden der Boden und die
verbleibende Vegetation der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt, wodurch
die Luftfeuchtigkeit sinkt und sie leichter entflammbar werden. Das Roden
von Lichtungen und das Anlegen von Straßen erleichtern den Zugang und
erhöhen die Wahrscheinlichkeit von absichtlichen oder versehentlichen
Bränden.
taz: Wie kann Ihr Modell praktisch helfen? Nehmen wir den Rauch der Brände,
unter dem sogar weiter vom Brandherd entfernt liegende Städte und Gemeinden
leiden …
Galvão: Einige Atmosphärenmodelle können die Ausbreitung von Rauchwolken
vorhersagen. Bei der Identifizierung eines Brandherdes kann dann
abgeschätzt werden, wohin sich der Rauch ausbreiten wird, sodass Behörden
und Anwohner Zeit haben, sich vorzubereiten – sei es durch das Tragen von
Masken oder durch die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Eine
Verhinderung von Rauchsmog ist jedoch nur möglich, wenn illegale Brände
verhindert werden.
taz: Was braucht es noch, um die Genauigkeit und praktische Anwendbarkeit
der Klimaprognosen im Amazonasraum zu verbessern?
Galvão Silva: Die Indizes und Modelle für das Brandrisiko werden ständig
weiterentwickelt. Der Amazonas braucht einen eigenen Index, der an seine
Besonderheiten angepasst ist. [3][INPE, das Nationale Institut für
Weltraumforschung], und die Universität des Bundesstaates Amazonas bieten
bereits eine Überwachung per Satellit an. Jetzt müssen die
Entscheidungsträger diese Vorhersagen nur ernst nehmen und die
prognostizierten Szenarien für die Planung von Maßnahmen zur
Schadensminderung nutzen.
Mit zuverlässigeren Prognosen könnte die Regierung vor der Trockenzeit in
Präventionskampagnen investieren und die Überwachung in Risikogebieten
verstärken. Dies würde dazu beitragen, unbeabsichtigte Brände – wie durch
verbrannten Müll oder Zigarettenkippen verursachte Brände – zu vermeiden
und illegale Aktivitäten zu bekämpfen. Angesichts der Größe des Waldes ist
dies jedoch eine Aufgabe, die große Anstrengungen und Koordinierung
erfordert.
Interviewer Cley Medeiros ist ein brasilianischer Journalist. Er arbeitet
für die Tageszeitung A Crítica in Manaus.
Übersetzt aus dem Portugiesischen von Ole Schulz
14 Sep 2025
## LINKS
[1] https://www.escavador.com/sobre/12217703/josivaldo-lucas-galvao-silva
[2] https://rainforestfoundation.org/engage/brazil-amazon-fires/
[3] http://www3.inpe.br/ingles/index.php
## AUTOREN
Cley Medeiros
## TAGS
Amazonien im Fokus
Brasilien
Amazonas
Waldbrände
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