| # taz.de -- 1.304 Tage Krieg in der Ukraine: Wenn Hotels zur Todesfalle werden | |
| > In der Ukraine werden immer wieder auch Hotels durch russische | |
| > Luftangriffe zerstört. Unter den Opfern sind auch Medienschaffende. | |
| Bild: Das beschädigte Hotel Bristol in Odessa nach dem russischen Angriff im F… | |
| Das Hotel Bristol in Odessa, das im letzten Winter teilweise durch | |
| russische Raketen zerstört wurde, hat unlängst seine Wiederherstellung und | |
| die Neueröffnung angekündigt. Einerseits ist das natürlich gut: Die | |
| Wirtschaft in der Stadt entwickelt sich sogar im Krieg. Andererseits gibt | |
| es keine Garantie dafür, dass sich solche Attacken nicht wiederholen. | |
| Seit Beginn des russischen Großangriffs sind [1][25 ukrainische Hotels ganz | |
| oder teilweise durch russische Luftschläge zerstört worden]. Das betrifft | |
| hauptsächlich die frontnahen Gebiete, den Donbass und Saporischschja. Aber | |
| größere Angriffe gab es auch in Kyjiw, Tschernihiw und Odessa. Eine | |
| besondere Situation gibt es in der Stadt Krywyj Rih, in der praktisch alle | |
| Hotels zerstört wurden. | |
| Einmal verbrachte ich mit westeuropäischen Fernsehjournalisten fast die | |
| ganze Nacht im Keller eines Hotels, während die Stadt pausenlos bombardiert | |
| wurde. Wir saßen da, schauten immer wieder in die einschlägigen | |
| Telegram-Kanäle und fragten uns, aus welcher Richtung die nächste Rakete | |
| oder Shahed-Drohne kommen würde. Wir kamen zu dem Schluss, dass unsere | |
| Seite des Kellers die ungünstigste war. Wir trösteten uns dann aber mit der | |
| Tatsache, dass russischen Waffen nicht die präzisesten seien. | |
| Für die folgende Nacht buchten wir Hotelzimmer in Mykolajiw. Auch dort | |
| waren die Hotels bereits wiederholt von russischen Streitkräften | |
| angegriffen worden. Die ausländischen Journalisten entschieden sich also | |
| gleich dafür, dass sie lieber in Schlafsäcken im Keller schlafen würden. | |
| ## Angriffe auf Pressevertreter | |
| Alle diese Maßnahmen haben ihren Grund. In den dreieinhalb Kriegsjahren | |
| wurden schon Dutzende von Medienleuten bei Anschlägen auf Hotels verletzt. | |
| Darunter auch Kollegen, die ich persönlich kannte. Eine ukrainische | |
| Journalistin, die als Fixerin für ausländischen Medien tätig war, musste | |
| schwer verletzt aus einem zerstörten Charkiwer Hotel zur Behandlung nach | |
| Kyjiw transportiert werden. Und im Hotel Saphir in Kramatorsk wurde ein | |
| Filmteam von Reuters angegriffen. Sie waren dort die einzigen Gäste | |
| gewesen. | |
| [2][Ein Journalist starb], ein anderer musste auf die Intensivstation. Am | |
| Vorabend des Angriffs hatte ich noch mit einem guten Freund gesprochen, dem | |
| lokalen Koordinator der Gruppe. Und schon am nächsten Morgen versuchte ich | |
| mit klopfendem Herzen, ihn telefonisch zu erreichen. Er hatte überlebt und | |
| nur persönliche Gegenstände verloren. Und er hatte eine | |
| Gehirnerschütterung. | |
| ## Kriterien für die Hotelauswahl | |
| Wenn wir als Journalisten heute in einem beliebigen Ort der Ukraine ein | |
| Hotel buchen, achten wir nicht auf den Preis fürs Frühstück oder die | |
| Aussicht aus dem Fenster des Zimmers. Wichtigstes Auswahlkriterium ist | |
| jetzt: Sind dort Militärobjekte in der Nähe? Gefolgt von: Gibt es im Hotel | |
| einen Schutzraum und in welchem Zustand ist er? Kleinere Hotels sind | |
| besser. Das Zimmer bucht man am besten in den unteren Etagen. In den | |
| Zimmern achten wir darauf, zu welcher Seite die Fenster zeigen und wie nah | |
| das Bett daran steht. Gut ist, wenn der Schlafraum sich im Keller befindet | |
| und überhaupt keine Fenster hat. | |
| Aber immer häufiger vermeiden wir generell Hotels und quartieren uns in | |
| Mietwohnungen ein. Große internationale Medien ändern sogar ihre | |
| Sicherheitsprotokolle zugunsten einzelner Appartments, weil es wiederum | |
| keine Garantie dafür gibt, dass die Russen nicht auf die Idee kommen, das | |
| nächste Hotel anzugreifen. | |
| Warum sie das tun? Ich weiß es nicht. Es sieht nach Terror gegen die | |
| Zivilbevölkerung aus. In den Medien kursiert seit langem ein trauriger Witz | |
| über gefälschte Berichte der Russen: Ganz egal, wo die Rakete einschlägt – | |
| sie behaupten trotzdem, dass sich dort eine NATO-Basis oder ausländische | |
| Söldner befanden. | |
| Aus dem Russischen [3][Gaby Coldewey] | |
| 19 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Artem Perfilov | |
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