| # taz.de -- Druckschluss der Werktagstaz: Prêt-à-papier | |
| > In wenigen Wochen steht das Ende der gedruckten Werktagstaz bevor. Zu | |
| > diesem Anlass hat die Designerin Ellena Lüking ein Kleid aus tazzen | |
| > entworfen. | |
| Bild: Nicht ganz Prêt-à-porter, sondern Haute Couture: das taz-Kleid von und … | |
| Das taz-Zeitungskleid ist ein cooler, geistreicher Entwurf und bereits das | |
| dritte Zeitungskleid der Designerin Ellena Lüking. Ohne die beiden | |
| Vorgängermodelle wäre es nicht zum taz-Kleid gekommen. Denn die kannte | |
| Johannes Kopp, Sportredakteur der taz und Nachbar von Elli Lüking, was ihn | |
| auf die Idee brachte, sie zu fragen, ob sie nicht noch ein drittes Kleid | |
| schneidern könnte, für den ganz besonderen Anlass der Einstellung der | |
| täglichen Printausgabe der taz, die künftig, mit Ausnahme der Wochentaz, | |
| nur noch digital erscheint. | |
| Eine gute Idee, die ganz frech mit der Erfahrung spielt, dass die | |
| Papierzeitung ja nicht nur gelesen wird. [1][Sie taugt auch als | |
| Verpackungsmaterial.] Bestimmt haben manche Leute die Zeitung nie gelesen | |
| und nur Fische darin eingewickelt. Dass sie stattdessen eine schöne junge | |
| Frau bekleiden soll, ist dann doch ein echter Fortschritt. | |
| Ein Fortschritt soll ja auch die Digitalisierung sein. Im konkreten Fall | |
| der Zeitung wird Papier gespart, was dem Wald und der Umwelt zugutekommen | |
| soll. Trotzdem ist nicht ausgemacht, ob die Digitalisierung ein Fortschritt | |
| ist. Denn inzwischen wird allzu deutlich, dass allein das Kapital diesen | |
| Fortschritt managt, weshalb die emanzipatorischen Möglichkeiten weitgehend | |
| auf der Strecke bleiben. | |
| ## Papierzeitung wird nicht nur gelesen | |
| Ein Fortschritt, unbestritten, war allerdings die Gründung der taz. Es ist | |
| müßig über ihre Erfolge und vor allem über die Folgen ihres Erscheinens für | |
| die gesamte deutsche Presselandschaft zu sprechen. Längst ist sie ein | |
| Schwergewicht im öffentlichen Diskurs. Das wird sich durch den Wegfall der | |
| gedruckten täglichen Ausgabe nicht ändern. Hat man sich erst einmal daran | |
| gewöhnt, die Zeitung auf dem Handy oder dem Tablet zu lesen, möchte man | |
| diesen Zugang nicht mehr missen. | |
| Nun wurde und wird die Papierzeitung nicht nur zum Einpacken verwendet, | |
| sondern auch gelesen. Deshalb muss das taz-Kleid von Ellena Lüking nicht | |
| nur als cool, sondern auch als geistreich bezeichnet werden. Schließlich | |
| finden sich darauf viele kluge Analysen und solide, faktenbasierte | |
| Argumente. Nicht zu vergessen, dass auch einige Dada-Poesie entzückt, | |
| verursacht durch die harten Montageschnitte der Zeitungsseiten. | |
| Tatsächlich hat Lüking viel Sorgfalt darauf verwendet, dass der Körper des | |
| Kleids rein im Schwarz-Weiß des Textes gehalten ist, während das Rot des | |
| taz-Logos und der taz-Überschriften bei den Verzierungen zum Einsatz kommt. | |
| Der minimalistische und zeitlose Stil des Kleids täuscht darüber hinweg, | |
| wie aufwendig seine Fertigung war. Über eine Woche lang haben Lüking und | |
| ihre Assistentin Schicht für Schicht das Kleid tragfähig geklebt. Es ist | |
| eine hervorragende Portfolioarbeit, mit der sich Ellena Lüking jederzeit | |
| für den Studiengang Kostümbild an der UdK bewerben könnte. | |
| ## Nicht das erste Kleid aus Papier | |
| Die 19-Jährige hat gerade ein Praktikum bei den Sommerfestspielen in Eutin | |
| absolviert und strebt diesen Ausbildungsgang an. Dramatik und Modernität | |
| zeigt denn auch das taz-Kleid, dessen schmal zulaufender Rock in einer weit | |
| ausgestellten Passe endet. | |
| Das Drama liegt darin, dass die Trägerin in diesem Kleid nicht wirklich | |
| gehen kann. Die Modernität, dass es dafür gemacht ist, dass sie sich an die | |
| Bar stellt und elegante Cocktails schlürft, wobei sie auf eine [2][neue | |
| erfolgreiche Ära der digitalen taz] anstößt. | |
| Kleidung aus Papier zu fertigen, ist hingegen nicht neu. Der Legende nach | |
| soll im Jahr 988 n. Chr. ein japanischer Mönch, der seine Besucher in | |
| sauberer Kleidung empfangen wollte, die Seiten der heiligen Schriften | |
| Buddhas benutzt haben, um sich daraus ein provisorisches Papierhemd zu | |
| basteln. Das war wohl schon damals cool und geistreich. | |
| Kein Wunder, dass das Tragen von Papierkleidern bei den buddhistischen | |
| Mönchen Japans zur Tradition wurde. In Europa war Kleidung aus Papier vor | |
| dem 19. Jahrhundert unbekannt. Stattdessen wurde aus Kleidung hochwertiges | |
| Papier gewonnen. Ein Hit wurden billige Wegwerf-Papierkleider in den 1960er | |
| Jahren. Selbst Prominente wie [3][Claudia Cardinale, von der wir uns gerade | |
| in Trauer verabschieden], zeigten sich im Papierkleid. | |
| 26 Sep 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Brigitte Werneburg | |
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