| # taz.de -- Pressefreiheit im Kurdengebiet Iraks: Die Warnung an der Wand | |
| > Im kurdischen Gebiet Nordiraks verteidigt eine Organisation die | |
| > Pressefreiheit. Die Gewalt der Regionalregierung ist in ihrem Büro stets | |
| > präsent. | |
| Bild: Gefährlicher Beruf: Demonstration für den inhaftierten Sherwan Sherwani… | |
| Sulaimaniyya taz | Das kleine Büro der NGO Metro Center liegt im vierten | |
| Stock eines Einkaufszentrums, angrenzend an den Azadî-Park im Zentrum von | |
| Sulaimaniyya, der zweitgrößten Stadt der kurdischen Autonomieregion in | |
| Irak. Wofür deren Leiter Mohammed Quadir und seine Kollegin Shaee Aso | |
| tagtäglich arbeiten, wird schnell deutlich: An den Wänden des kleinen Büros | |
| hängen Fotos von getöteten JournalistInnen aus der Region. | |
| Metro Center setzt sich für Pressefreiheit und Menschenrechte in der KRI | |
| ein, wie die Autonomieregion Kurdistans in Nordirak abgekürzt wird. Ein | |
| maßgeblicher Teil der Arbeit von Quadir und Aso ist die Dokumentation der | |
| Verstöße gegen die Pressefreiheit. Seit über 15 Jahren dokumentiert Metro | |
| Center die Lage vor Ort. In den letzten fünf Jahren, berichten die beiden, | |
| habe sich die Situation der Pressefreiheit sowie die Menschenrechtslage | |
| immer weiter verschärft. | |
| Zwar nahm die Zahl registrierter Übergriffe gegen JournalistInnen ab, so | |
| verzeichnete der [1][Metro Center Jahresbericht 2024] mit 182 Übergriffen | |
| auf JournalistInnen einen Rückgang um 20 Prozent im Vergleich zum | |
| vorherigen Jahr. Allerdings hätten sich die Methoden der Verfolgung und | |
| Repression gewandelt: „Jetzt lassen sie beispielsweise verhaftete | |
| Journalisten eine Erklärung unterschreiben, in der sie versichern, dass sie | |
| einen bestimmten Ort nicht mehr besuchen oder über ein bestimmtes Ereignis | |
| nicht mehr berichten werden“, erzählt Mohammed Quadir. Zudem nutzten | |
| Ministerien zunehmend Gerichtsverfahren, um Journalisten einzuschüchtern. | |
| Die NGO unterstützt freie Medien in der Region oder | |
| InvestigativjournalistInnen, die sich trotz der Verfolgung und der | |
| Repression trauen, über die Missstände in der Region zu berichten. Dafür | |
| bietet sie methodische Ausbildungen sowie Rechtsberatung an, durch die sich | |
| JournalistInnen gegen die Repression der lokalen Behörden wehren können. | |
| ## Haft nach Korruptionsberichterstattung | |
| Wie es um die Pressefreiheit in der Region steht, zeigte der Fall des | |
| kurdischen Journalisten und Aktivisten Sherwan Sherwani. Er arbeitete als | |
| Chefredakteur des Magazins Ashur und beteiligte sich an Aktionen gegen die | |
| Korruption in der seit Jahrzehnten von zwei Familien dominierten | |
| Regionalregierung. | |
| Sherwani und seine Kollegen Guhdar Zebari und Ayaz Karam sowie die | |
| Aktivisten Shivan Saeed Omar und Hariwan Issa wurden im Februar 2021 wegen | |
| des Vorwurfs der „Untergrabung der nationalen Sicherheit“ jeweils zu sechs | |
| Jahren Haft verurteilt. | |
| Nach einem Dekret des Präsidenten Nêçîrvan Barzanî wurden drei der fünf | |
| Gefangenen freigelassen. [2][Sherwani jedoch wurde im Juli 2023 wegen des | |
| Vorwurfs der Urkundenfälschung erneut zu vier Jahren Haft verurteilt]. | |
| Dieses Urteil löste aufgrund des politisch motivierten Hintergrunds | |
| internationale Kritik aus. Dabei ist der Fall von Sherwani nur die Spitze | |
| des Eisbergs. Alleine letztes Jahr wurden [3][24 JournalistInnen ohne einen | |
| Haftbefehl in der KRI verhaftet]. | |
| ## Eine blühende Medienlandschaft? | |
| „Wir haben etwa 1.200 Medienagenturen und etwa 6.000 NGOs in der Region | |
| Kurdistan. Man könnte also denken, dass alles in Ordnung ist und gut | |
| funktioniert“, erzählt Mohammed Quadir weiter. Die KRI-Regierung versuche | |
| nach außen, die angeblich vielfältige Medienlandschaft hervorzuheben. Ein | |
| Bild von einer Region, in welcher verschiedenste Meinungen gehört werden. | |
| Das ist jedoch weit entfernt von der Realität. Die meisten NGOs und | |
| Medienhäuser werden entweder von der Patriotischen Union Kurdistans (PUK) | |
| oder der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) finanziert und können nicht | |
| unabhängig arbeiten, berichtet Quadir. Die KDP regiert unter Nêçîrvan | |
| Barzani den nordwestlichen Teil und die PUK unter Bafel Talabani den | |
| nordöstlichen Teil der KRI. | |
| Die Finanzierung und die daraus folgende Einflussnahme der Parteien auf die | |
| Medienhäuser bringt insbesondere unabhängige Medien in große | |
| Schwierigkeiten. Denn sie erhalten Informationen häufig später als die | |
| durch PUK und KDP finanzierten JournalistInnen und Medienhäuser: „Nehmen | |
| wir etwa an, eine terroristische Gruppe wird in Erbil gefasst. Die | |
| Sicherheitsbehörde gibt die Informationen sofort an die Medien weiter, die | |
| der KDP angehören, etwa an Rudaw. | |
| Das Gleiche gilt auch für die Region Sulaimaniyya, die unter der Herrschaft | |
| der PUK steht“, sagt Qadir im Gespräch. Das stelle die unabhängigen Medien | |
| vor eine große Herausforderung, weil es meist darum geht, möglichst schnell | |
| Informationen zu liefern. Die Parteien können zudem ihre eigene Darstellung | |
| der Ereignisse präsentieren, während andere Perspektiven in der | |
| vermeintlich vielfältigen Medienwelt untergehen. | |
| ## Gezielte Ermordung kurdischer JournalistInnen | |
| Dass diese Unterstützung für InvestigativjournalistInnen und auch die | |
| internationale Aufmerksamkeit für die Angriffe auf die Pressefreiheit mehr | |
| als notwendig ist, zeigte nicht zuletzt die gezielte Ermordung von drei | |
| JournalistInnen durch türkische Drohnenangriffe im vergangenen Jahr. | |
| Die beiden kurdischen Journalistinnen Gulistan Tara und Hêro Bahadîn kamen | |
| im August 2024 bei einem Angriff auf ihr Auto in der Nähe von Sulaimaniyya | |
| ums Leben. Beide arbeiteten für unabhängige Medienhäuser, die weder der | |
| KDP, noch der PUK nahestehen. Zudem kam der Journalist Murad Mîrza Ibrahim, | |
| der für den jesidischen Radiosender Çira FM arbeitet, ebenfalls bei einem | |
| türkischen Drohnenangriff auf sein Auto in Şengal ums Leben. | |
| Fotos dieser Menschen schmücken die Wände des kleinen Büros über den | |
| Dächern von Sulaimaniyya. Sie sind eine Mahnung. Und sie verbildlichen die | |
| Verantwortung, die Mohammed Quadir und seine KollegInnen tragen. | |
| 22 Sep 2025 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.metroo.org/english/dreja.aspx?=hewal&jmare=24345&Jor=1 | |
| [2] https://cptik.org/reports/2025/8/20/unjust-treatment-by-the-kurdistan-regio… | |
| [3] https://www.metroo.org/english/dreja.aspx?=hewal&jmare=24345&Jor=1 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Krüger | |
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