# taz.de -- „Landhaus Adlon“: Adlon heißt jetzt „Aurea“ | |
> Das Landhaus Adlon wurde durch ein rechtes Geheimtreffen bekannt. Am Tag | |
> des offenen Denkmals zeigte sich die wechselhafte Geschichte des | |
> Gebäudes. | |
Bild: Bekannt ist die Villa seit dem Rechten-Treffen – aber „Adlon“ heiß… | |
Berlin taz | Dutzende zumeist ältere Menschen sind am Sonntag in den | |
Potsdamer Stadtteil Neu Fahrland gekommen. Am Tag des offenen Denkmals | |
wollen sie das berühmt-berüchtigte Landhaus Adlon einmal von innen | |
bestaunen. Neugierig durchstreifen sie die hellen, stilvoll eingerichteten | |
Räume und Gänge, die nur vielleicht etwas kleiner sind als erwartet. Über | |
den akkurat geschnittenen Rasen schaut man auf den Lehnitzsee. | |
Denselben Blick hatten vor bald zwei Jahren, im November 2023, mehrere | |
Dutzend rechtsextreme Politiker*innen, finanzkräftige | |
Unternehmer*innen und Neonazis. [1][Sie nahmen an der berüchtigten | |
„Geheimkonferenz“ teil], in der ein perfider Plan zur Vertreibung von | |
Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt und besprochen wurde. Der | |
Rechtsextreme Martin Sellner habe dort einen „Masterplan zur Remigration“ | |
vorgestellt, schrieb das Rechercheportal Correctiv, zur Vertreibung von | |
Migrant*innen und „nicht assimilierten Staatsbürgern“. | |
Correctiv hatte den Inhalt des Treffens im Januar 2024 publik gemacht und | |
damit ein politisches Erdbeben ausgelöst. Die Recherche sorgte landesweit | |
für riesige Demonstrationen gegen rechts und machte das Landhaus Adlon | |
bundesweit bekannt. | |
Im August 2025 hat ein Teilnehmer des Treffens per eidesstattlicher | |
Versicherung die Correctiv-Recherchen bestätigt und sogar erweitert. Der | |
langjährige Rechtsextremist Erik Ahrens, der angibt, ein Aussteiger aus der | |
Szene zu sein, bestätigt, dass es bei dem „Masterplan“ um „ethnische | |
Säuberungen bzw. Vertreibungen“ von Asylbewerber*innen, Menschen mit | |
Aufenthaltsstatus und „nicht assimilierten“ Deutschen gehe – „freiwillig | |
oder unfreiwillig“. Eine „patriotische Kraft“, laut Ahrens die AfD, solle | |
das im Fall einer Machtübernahme umsetzen – etwa bei einem Wahlsieg der AfD | |
2026 in Sachsen-Anhalt, deren Spitzenkandidat Ulrich Siegmund bei dem | |
Treffen anwesend war. Damit ist das Treffen im Landhaus Adlon wieder in den | |
Fokus der Öffentlichkeit gerückt. | |
Und nun steht man also an diesem Spätsommersonntag in dem Haus, dessen | |
verschlossenes Tor zum Symbolbild für rechte Vertreibungsfantasien geworden | |
ist. Dabei hat die hundertjährige Geschichte der Villa mehr zu bieten. | |
„Menschen bauen Scheiße, nicht die Häuser“, sagt Daniela Richter im Foyer. | |
Angesichts des negativen Images wagt die 47-jährige Unternehmerin den | |
Sprung nach vorne: Sie hat das Anwesen im Mai 2024 gepachtet und vermietet | |
es heute als Eventlocation, vor allem für Hochzeiten, aber auch für | |
Geburtstage oder Teamtreffen. | |
## „Nur noch positive Vibes“ | |
Zunächst einmal hat sie den Namen geändert: Aus „Landhaus Adlon“ wurde | |
„Villa Aurea“. Das stehe sinnbildlich für eine „positive Aura“, sagt | |
Richter etwas wolkig zur taz. „Ich distanziere mich völlig von dem, was da | |
passiert ist“, sagt sie aber auch. Sie habe nur Gutes vor, betont Richter, | |
„ich möchte nur noch positive Vibes in diesem Haus“. Es solle ein Ort sein, | |
an dem „jeder willkommen ist“. | |
Das war vorher anders. Das Landhaus Adlon gehört immer noch dem | |
CDU-Mitglied Wilhelm Wilderink. Dessen ehemalige Lebensgefährtin Mathilda | |
Huss ist Biologin und Unternehmerin und gut in der rechtsextremen Szene | |
vernetzt. Vor wenigen Jahren war sie zudem mit dem AfD-Politiker Maximilian | |
Krah liiert. „Natürlich bin ich rechts“, sagte sie noch im August der | |
Berliner Zeitung. Doch laut Daniela Richter hat Huss das Anwesen in Potsdam | |
abgegeben, die von ihr geleitete Betreiberfirma wird abgewickelt. Huss hat | |
stattdessen die Burg Reinsberg in Sachsen gekauft, an deren Erwerb | |
ursprünglich die Identitäre Bewegung gehindert wurde. | |
Nun beginnt also ein neues Kapitel in der wechselvollen Geschichte der | |
Villa. Das Landhaus Adlon wurde 1925 im Stil des Neobarock im Auftrag des | |
Hoteliers Louis Adlon erbaut, dem bereits das Hotel Adlon am Pariser Platz | |
gehörte. | |
Im kleinen Veranstaltungsraum hat Eric Flemming ein Grammofon aufgestellt. | |
Er legt eine Schellackplatte von Marek Weber auf, um die Goldenen Zwanziger | |
aufleben zu lassen, als in diesem Gästehaus internationale Prominenz zu | |
dieser Schlagermusik tanzte. In seinem schwungvollen Vortrag zeichnet der | |
Historiker ein positives Bild des erfolgreichen Hotelunternehmers Adlon und | |
seiner durchsetzungsstarken und kreativen zweiten Ehefrau Hedda und erzählt | |
Anekdoten rund um das Gebäude. | |
Orchesterleiter Marek Weber war ein Freund der Adlons, der wegen seines | |
jüdischen Glaubens bereits 1933 ins Exil gezwungen wurde, den Adlons aber | |
verbunden blieb. „Louis Adlon hasste Hitler, und Hitler hasste Adlon“, so | |
Flemming, obwohl der 1940 der NSDAP beitrat. 1944 habe Adlon abhörsichere | |
Hotelräume in Berlin den Verschwörern des Hitler-Attentats vom 20. Juli zur | |
Verfügung gestellt. Die anschließende Verfolgungswelle ging an ihm vorbei. | |
Doch nur neun Monate später, nach der Eroberung Potsdams durch die Rote | |
Armee, wurde er vom sowjetischen Geheimdienst NKWD so schwer gefoltert, | |
dass der 70-Jährige einen Tag vor Kriegsende starb. | |
## Geschichte als Kinderklinik | |
Nach 1945 diente die Villa kurzzeitig als Unterkunft sowjetischer | |
Marineangehöriger während der Potsdamer Konferenz. Von 1948 bis 1966 | |
beherbergte das Landhaus eine psychiatrische Kinderklinik, die damals vom | |
Land Brandenburg als sogenannte „Bettnässer-Klinik“ eingerichtet wurde. | |
„In der Zeit von 1948 bis 1956 wurden in die Klinik primär Kinder mit den | |
Diagnosen „Enuresis“ (Bettnässen) und „kindliche Neurose“ eingewiesen�… | |
erklärt Sabrina Knüppel. Sie ist ehrenamtliche Leiterin des Informations- | |
und Begegnungszentrum (IBZ) Königsheide, das sich der Aufarbeitung der | |
DDR-Heimgeschichte am historischen Ort des einst größten Kinderheimes der | |
DDR in Berlin-Johannisthal widmet. | |
Erst seit 2014 gibt es Hinweise von Ehemaligen auf die Kinderklinik Neu | |
Fahrland. In Kooperation mit der Fachhochschule Potsdam und Studierenden | |
ging die IBZ Königsheide den Hinweisen nach und eröffnete nun am Tag des | |
offenen Denkmals eine erste Ausstellung zur Kinderklinik. Zur Eröffnung der | |
Ausstellung im Foyer sind auch ehemalige Bewohner*innen gekommen. „Hier | |
haben wir früher gespielt“, erinnert sich ein Mann und zeigt in den Garten. | |
Auf Schautafeln berichten einige der damaligen Kinder von sehr | |
unterschiedlichen Erfahrungen in der Kinderklinik – Angst, Isolation und | |
psychische Kälte, aber auch Ausflüge, Spielräume und wenig Verbote. Die | |
Leitung der Klinik wurde von der Stasi überwacht, 1966 wurde sie dann | |
plötzlich geschlossen. | |
## Zweifelhafte Berühmtheit | |
Anschließend befand sich im Gebäude die Bezirksschule für | |
Zivilverteidigung. Von 1992 bis 2007 war hier die Landesakademie für | |
öffentliche Verwaltung Brandenburgs untergebracht. Der Besitz war | |
zwischenzeitlich wieder an die Adlon-Erben übertragen worden. 2011 kaufte | |
das damalige Unternehmerpaar Wilderink und Huss die Villa und betrieb es | |
als Gästehaus am Lehnitzsee – bis zum Geheimtreffen im November 2023, durch | |
das die Villa zweifelhafte Berühmtheit erlangte. | |
Es ist später Nachmittag, noch immer kommen und gehen Dutzende Menschen. | |
Die meisten bleiben nicht für die Ausstellung oder die Vorträge, sie wollen | |
das berühmte Haus nur mal kurz von innen sehen. Sicherlich wissen alle von | |
dem rechtsextremen Treffen, es ist quasi der Elefant im Raum. Sprechen | |
wollen sie darüber aber eher nicht. | |
Jetzt wagt Pächterin Daniela Richter einen Neuanfang. Das Wort | |
Schlussstrich vermeidet sie, stattdessen sagt sie: „Es ist für mich | |
wichtig, dass wir eine Chance bekommen.“ | |
16 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Klagen-gegen-Correctiv-Recherche/!6060879 | |
## AUTOREN | |
Darius Ossami | |
## TAGS | |
Schwerpunkt AfD in Berlin | |
Martin Sellner | |
Psychiatrie | |
Schwerpunkt AfD | |
Correctiv | |
Schwerpunkt AfD | |
Schwerpunkt Demos gegen rechts | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wegen Sicherheitsbedenken: Bundestag sperrt mehrere AfD-Mitarbeiter | |
Der Bundestag verweigert Mitarbeitern der AfD die Hausausweise wegen | |
Sicherheitsbedenken. Unter ihnen ist auch der „Koordinator Sicherheit“. | |
Klagen gegen Correctiv-Recherche: Rechtsstreits zum Rechtsextremen-Treffen | |
Wer behauptet, beim Potsdamer Treffen sei es um die „Ausweisung“ von | |
Deutschen gegangen, wird verklagt. Das bedeutet nicht, dass es harmlos war. | |
Kritik zu „Correctiv“-Recherche: Peinliches Penisfechten | |
Eine „Correctiv“-Recherche zum Treffen rechter Kräfte wird nun kritisiert. | |
Doch eine ehrliche Debatte über journalistische Praxis sieht anders aus. | |
Potsdamer „Remigrations“-Treffen: Correctiv muss sich korrigieren | |
Ein Teilnehmer des Potsdamer Treffens war vor Gericht gezogen. Der Kern der | |
Correctiv-Recherche bleibt davon allerdings unberührt. |