# taz.de -- Klimawandel im Gebirge: Es war einmal eine Eishöhle | |
> Bislang galt den Menschen in den Alpen der Berg stets als Macht. Sie | |
> richteten sich nach ihm. Doch die Verhältnisse haben sich geändert. | |
Bild: Gletscher verschwinden, der Permafrost, der die Gesteinsmengen zusammenh�… | |
Es ist gar nicht so, wie der [1][Wolfgang Ambros] singt. „Oba da Berg, der | |
wüll sei Opfer“, der Berg wolle seine Opfer, heißt es in [2][„Der Watzmann | |
ruft“] des österreichischen Rocksängers. Der Watzmann ist einer der | |
höchsten Berge Deutschlands, mit einer Eishöhle am Fuße seiner Ostwand. Die | |
ist jetzt eingestürzt. Ein Opfer des Berges, könnte man meinen. Aber das | |
stimmt nicht. | |
Die Eiskapelle, wie sie auch genannt wurde, war ein Hohlraum in einem | |
Firnfeld, eine Gletscherhöhle. Ständig änderte sie sich, die Eingänge | |
wechselten, oft von Schnee bedeckt. Dieses Geotop zeigte uns, wie Natur | |
ohne Menschenhand sein kann, richtiger: sein könnte. Nicht der Berg hat die | |
Kapelle verschwinden lassen. Aufgrund des Klimawandels brach sie zusammen. | |
Bislang galt den Menschen in den Alpen der Berg stets als Macht. Sie | |
richteten sich nach ihm. Der Berg, so heißt es in Mythen, nimmt’s sich. | |
Doch die Verhältnisse haben sich geändert. Der Mensch hat das Klima | |
beschädigt. Damit raubt er dem Berg seine Macht. Gletscher verschwinden, | |
der Permafrost, der die Gesteinsmengen zusammenhält, schmilzt. Der Berg | |
reagiert, wird unberechenbarer. | |
Der [3][Alpinismus] begann mit der Aufklärung und der bürgerlichen | |
Gesellschaft. Es ging um das Verstehen der Welt. Früher dachte man beim | |
Donnergrollen in den Bergen, das seien die Götter, nun traute man sich | |
hinauf. „Vor meinen Augen erstrecken sich über vierzig Meilen hinweg | |
schneebedeckte Bergketten, auf die noch nie ein Mensch, ja nicht einmal ein | |
Vogel, seinen Fuß gesetzt hat.“ So begeisterte sich Voltaire 1764. Dass der | |
Montblanc, der höchste Berg der Alpen, kurz vor der Französischen | |
Revolution, erstbestiegen wurde, 1786, wäre ohne Aufklärung nicht möglich | |
gewesen. Auch die Eiskapelle am Watzmann wurde 1797 von Alexander von | |
Humboldt besucht und erforscht. | |
Für mich ist der Watzmann etwas Besonderes. Vor 19 Jahren haben meine Frau | |
und ich in Berchtesgaden geheiratet, und nach der Trauung starteten wir im | |
Watzmannhaus die Überschreitung des Gebirgsstocks. Die ist anspruchsvoll, | |
erst am Dienstag ist ein 27-jähriger Mann abgestürzt. Wir waren | |
erfolgreich. Aber müde, sehr müde, im Grunde überfordert, stiegen wir ab, | |
um uns in der [4][Wimbachgrieshütte] zu regenerieren. Wie schwer es mir | |
fiel, dort eine einfache Treppe hinunterzugehen, vergesse ich nie. | |
Die Wimbachgrieshütte ist ein Naturfreundehaus, das Watzmannhaus gehört dem | |
Alpenverein. Sowohl das bürgerliche, nicht selten nationalistische Lager | |
des Alpenvereins als auch das sozialistische, eher internationale der | |
Naturfreunde sind hier vertreten. Der Watzmann rief sie alle. | |
Von dem Höhleneinsturz sind auch die Zustiege in die Ostwand betroffen. Vor | |
allem ihre Länge, 1.800 Meter, macht sie so schwierig. Und zugleich war | |
auch die gefährliche Ostwand ein Ort, in dem die Natur Menschen half: Im | |
August 1936 trafen sich hier kommunistische und sozialdemokratische | |
Kletterer, um gemeinsam die Wand zu durchsteigen und um Widerstand zu | |
planen. Der Berg bot Schutz, auch seine Höhlen gewährten ihn. | |
Damit könnte es bald vorbei sein. Aber wer weiß: Die Berge haben schon viel | |
überdauert. Und mit etwas Glück könnte sich sogar die Eiskapelle am | |
Watzmann irgendwann neu formen. | |
13 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Oesterreichischer-Musiker-Wolfgang-Ambros/!5838719 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=GZRwXSA7hTw | |
[3] /Alpinismus/!t5652602 | |
[4] https://www.wimbachgrieshuette.de/ | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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