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# taz.de -- Mit dem Faltboot im Spreewald: Paddeln, bis die Schleuse kommt
> Südöstlich von Berlin teilt sich die Spree in Europas größtes Binnendelta
> auf. Dort mit dem Boot hineinzukommen, ist nicht einfach.
Bild: Kann auch einsam sein: Paddeln im Spreewald
Das Dunkel hat den Kahnfährhafen in Schlepzig geschluckt. Am Himmel nur der
Große Wagen und die Sterne, die um ihn tanzen. Stacheln sie ihn an, endlich
loszufahren?
Doch der Große Wagen macht Pause. Wie unser Faltboot. Es ist schon früh
Nacht im Spreewald südöstlich von Berlin. Zu hören ist nur das Glucksen des
Zerniasfließes, so heißt der Zufluss zur Spree, auf dem wir uns befinden.
Wann habe ich zuletzt eine solche Stille erlebt? Und einen solchen
Sternenhimmel?
Immer im August sind wir auf dem Wasser. Mal in den Teupitzer Gewässern, in
die schon Fontane mit seiner „MS Sphinx“ aufgebrochen war. Zuletzt immer
wieder über den Storkower See Richtung Scharmützelsee, Fontanes „Märkisches
Meer“.
## Mehr als tausend Fließe
In diesem August wollen wir wieder in [1][den Spreewald], auch wenn wir
wissen, dass das Tor zum größten Binnendelta Europas mit seinen mehr als
tausend Fließen mit einem mehr als fünf Meter langen und voll bepackten
Boot nur schwer zu passieren ist. Am Wehr in Märkisch Buchholz müssen wir,
weil die Bootsschleppe seit Jahren defekt ist, das Boot umtragen. Der
Höhenunterschied beträgt sechs Meter.
Doch dann gleiten wir hinein ins Paradies. Immer dichter werden die
Erlenwälder entlang der Wasserburger Spree, und als wir endlich am
Puhlstrom angekommen sind, schließt sich über uns das Blätterdach. Nun ist
alles ein großer Tanz.
Es pogen die nimmermüden Wasserflöhe vor dem Ufer. Der Eisvogel kommt aus
seinem Versteck und verkriecht sich gleich wieder. Die Mücken tanzen uns
auf der Nase herum, wir klatschen und klatschen, der Spreewald hat den
Beifall verdient.
Schau mal, ist der Graureiher echt? Quatsch, der ist nicht echt. Er bewegt
sich aber!
Auf einem toten Ast stellen sich die Enten tot und schlafen, und ein
Kormoran trocknet seine Flügel. Auch am Tage ist es still im Spreewald, die
Stille nur unterbrochen vom Schlag unserer Paddel.
## Außer Betrieb
Dann geht es nicht mehr weiter: Am Ende des Puhlstroms ist die Schleuse
außer Betrieb. Noch einmal umtragen geht nicht. Viel zu steil sind die
Treppen an der Böschung.
Also wieder zurück ins Gewirr der Fließe. Abbiegen in den Schiwasstrom und
hinein ins Zerniasfließ, das uns nach Schlepzig tragen soll. Auf dem
Biwakplatz am Kahnhafen eine Gruppe Holländer und zwei junge Frauen of
Colour. Eine von ihnen ist in ein Buch vertieft. Vielleicht liest sie
Fontane?
Über Lehde, das Dorf im Oberspreewald, das lange Zeit nur über Kähne
erreichbar war, schreibt [2][der Altmeister des Brandenburger
Tourismusmarketings]: „Es ist die Lagunenstadt in Taschenformat, ein
Venedig, wie es vor 1.500 Jahren gewesen sein mag, als die ersten
Fischerfamilien auf seinen Sumpfeilanden Schutz suchten. Man kann nichts
Lieblicheres sehen als dieses Lehde, das aus ebenso vielen Inseln besteht,
als es Häuser hat. Die Spree bildet die große Dorfstraße, darin schmalere
Gassen von links und rechts her einmünden.“
## Viele Fließe sind gesperrt
Es ist die von sorbischen Siedlern geschaffene Kulturlandschaft, die
Fontane beschreibt, nicht die Wildnis, die im Spreewald inzwischen auch
sein darf. Viele Fließe sind für Paddler und Kähne gesperrt, auch wenn das
nicht jedem passt. „Spreewald statt Wildnis“ heißt eine Bürgerinitiative,
deren Plakate im Oberspreewald unübersehbar sind.
In Schlepzig im Unterspreewald ist davon nichts zu sehen. Es ist still im
Kahnhafen, als wir uns ins Zelt verkriechen. Doch dann. Hast du gehört?
Stimmen. Gelächter. Ein Kreischen.
Über das Zerniasfließ gleiten zwei Touristenkähne zum Hafen, der eine mit
blauen, der andere mit roten Scheinwerfern. Abendfahrt. Großes Hallo beim
Aussteigen und zum Abschied. Die Touristen steigen in einen an der Straße
wartenden Bus.
Am nächsten Morgen verlassen wir in Leibsch den Unterspreewald. An der
Selbstbedienungschleuse wartet ein Jugendlicher und öffnet die
Schleusenkammer.
Noch bevor wir wieder in der Welt sind, trauern wir dem Paradies hinterher.
Die Mückenstiche werden uns noch ein paar Tage daran erinnern.
19 Sep 2025
## LINKS
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[2] /Fontane-wird-200/!5648758
## AUTOREN
Uwe Rada
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