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# taz.de -- Schizophrenie: Die Mutter ist nicht schuld
> In der Psychoanalyse war man lange sicher, dass Schizophrenie an der
> Mutter liegt. Wie ein Anruf diese These ins Wanken brachte.
Bild: Diese Hirne von Zwillingen, von denen einer schizophren war, waren grundl…
Als Eleanor Owens im August 1978 im US-Bundesstaat Washington ihre Zeitung
aufschlug, las sie dort von einer schrecklichen Tat. Ein junger Mann hatte
ein Seniorenpaar getötet. [1][Er litt an Schizophrenie] und befand sich in
einem Wahnzustand.
Für Owens ein Déjà-vu. Ihr eigener Sohn, der auch an Schizophrenie litt,
hatte ein Jahr zuvor ein ähnliches Verbrechen begangen. Sie erinnerte sich,
wie schlecht es ihr danach ging. [2][So erzählt es Owens 2011 in einem
Interview mit der Seattle Times.]
In dem Moment beschloss sie, etwas Ungewöhnliches zu tun. Sie suchte im
Telefonbuch die Nummer der Eltern des jungen Mannes und rief sie an.
Es war ein Schritt gegen die [3][Gefühle von Scham und Schuld]. Denn die
damals vorherrschende Theorie zur Ursache von Schizophrenie erklärte die
Erkrankung mit der sogenannten „schizophrenogenen Mutter“. Der
Grundgedanke: Mütter, die angeblich streng, ablehnend, lieblos, dominierend
oder überbehütend waren, setzten ihre Kinder einem enormen psychischen
Druck aus. So blieb den Kindern angeblich nur noch die Flucht in
Wahnvorstellungen und Fantasien.
## Der Anfang vom Ende des Mutter-Blamings
Das Problem war nur: Die Theorie war falsch.
Bis die Öffentlichkeit das erkannte, dauerte es bis Mitte der 80er Jahre.
Dabei lieferte die Wissenschaft schon lange zuvor Hinweise, dass neben
traumatischen Erfahrungen auch genetische Faktoren das Risiko für
Schizophrenie erhöhen und die Krankheit mit Unregelmäßigkeiten im
Dopaminhaushalt einhergeht. Trotzdem hielten Psychoanalytiker*innen
noch lange an der „Mütter-Theorie“ fest.
Die Wende begann mit dem Anruf von Eleanor Owens bei der Familie des
kranken Täters. Am Telefon drückte sie ihnen ihr Mitgefühl aus. Sie bot
ihre Unterstützung an. Und sie animierte andere Familien mit schizophrenen
Angehörigen, es ihr gleichzutun.
Aus der Gruppe entwickelte sich die National Alliance on Mental Illness
(Nami). Gemeinsam kämpften sie für die Destigmatisierung von schizophrenen
Menschen und ihren Familien.
Müttern, deren Kinder heute mit Schizophrenie diagnostiziert werden, wird
nicht mehr die Schuld für die Krankheit zugeschoben. Dass das so ist, liegt
auch an der jahrzehntelangen Arbeit von Angehörigen wie Eleanor Owens.
Nur wenige Jahre später führte ihre Arbeit zu einer Dokumentation im
öffentlich-rechtlichen US-Fernsehen, die über neurobiologische Ursachen von
Schizophrenie aufklärte. Der Anfang vom Ende des Mutter-Blamings war
gekommen.
9 Sep 2025
## LINKS
[1] /Leben-mit-Psychose/!5988674
[2] https://www.seattletimes.com/pacific-nw-magazine/eleanor-owens-tireless-bat…
[3] /Die-These/!5859279
## AUTOREN
Mitsuo Iwamoto
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Medizin
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