# taz.de -- Was ist eine Frau?: Spekulationen und Paranoia | |
> Die aktuellen Diskussionen um Trans-Rechte dienen vor allem der | |
> Selbstvergewisserung einer Gesellschaft, die von ihren Vorurteilen nicht | |
> lassen mag. | |
Bild: Trans-Flagge im Gendersternchen | |
Derzeit diskutiert Deutschland mal wieder darüber, was eine Frau ist. Und | |
darüber, ob die Selbstdeklaration nach dem Selbstbestimmungsgesetz | |
ausreicht, um das zu beurteilen. Die Diskussion verdanken wir [1][dem Sieg | |
einer trans Frau vor dem Landgericht Frankfurt gegen das rechte Portal | |
Nius, ] verdanken wir Nazis, die Nazi-Dinge tun, und CDU-Innenministern, | |
die konservative Dinge tun. Um die Situation von trans Personen geht es in | |
der Diskussion nicht. | |
Es geht nicht um die Lücken in der Gesundheitsversorgung. Es geht nicht um | |
die Lücken im Gewaltschutz. Schutzhäuser sind trotz der Realität häuslicher | |
Gewalt nicht immer zugänglich. | |
Es geht nicht um rassistische, transphobe und transmisogyne Erzählungen, | |
[2][wie jene gegen die Schwarze trans Frau Cleo], die im Zuge ihres | |
Gerichtsprozesses im April dieses Jahres [3][und ihrer Verurteilung wegen | |
Totschlags] zum Zentrum der öffentlichen Schaulust wurde. Gutachterlich | |
wurde festgestellt, dass sie in ein Männergefängnis gepackt und ihr | |
gesamtes Verhalten als manipulativ abgestempelt wird. Dass für sie das | |
Selbstbestimmungsgesetz ohnehin nicht zugänglich ist, weil sie eine | |
abgelehnte Asylbewerberin ist, spielt dabei keine Rolle. | |
Nein, die laufende Diskussion dient vor allem der Herstellung eines | |
transfeindlichen und vor allem transmisogynen gesellschaftlichen Klimas. | |
Ein Coming-out wird durch die Diskussion schwerer. Sie nährt die | |
gesellschaftliche Paranoia. Wann ist eine trans Frau Frau genug, um nicht | |
misgendert zu werden? | |
## Queere Queerfeindlichkeit | |
Stattdessen könnte man über den Fall [4][der inzwischen wohl nach Russland | |
geflüchteten Marla-Svenja Liebich sagen:] Liebich [5][kann sich | |
identifizieren, wie Liebich das möchte]. Und das ist das Gute am | |
Selbstbestimmungsgesetz. Wir können über die Absichten spekulieren, und | |
vielleicht waren sie finster, aber es bleiben Spekulationen. Liebich war | |
für Queerfeindlichkeit bekannt, das wäre aber unter Queers kein | |
Alleinstellungsmerkmal. Die Diskussion über den Missbrauch des | |
Selbstbestimmungsgesetzes hat mit Liebich nichts zu tun, sondern ist dem | |
Wesen des Selbstbestimmungsgesetzes geschuldet, welches überall den | |
Verdacht eines Missbrauchs hat. | |
Ein anderes Beispiel ist der Fall des [6][Amoklaufes durch eine trans Frau | |
in den USA letzte Woche]. Sofort greifen rechtsradikale Nachrichten die | |
Transgeschlechtlichkeit der Täterin auf und sehen einen manipulativen Mann | |
am Werk. In deutschen Medien wird die Täterin nun regelmäßig misgendert. | |
Den unmittelbaren Schaden davon tragen trans Menschen, allen voran trans | |
Frauen. | |
Auch mittel- und langfristig wird der Fall Liebich der Community schaden. | |
Innenminister Dobrindt hat bereits ankündigt, das Selbstbestimmungsgesetz | |
für agender, trans, inter und nonbinäre Menschen zu verschärfen. Also genau | |
das zu tun, was die CDU im Wahlkampf ankündigte, nur jetzt mit perfekter | |
Rechtfertigung für die Paranoia. | |
Und dabei sind die derzeit angestrebten Sonderregister noch nicht mal | |
erwähnt. Für all jene, denen diese entgangen sind: Die CDU/CSU fordert | |
Sonderregister, in welchen die Personenstandsänderungen von queeren, | |
agender, trans, inter und nonbinären Menschen festgehalten werden sollen. | |
Warum das jahrzehntelang unter dem alten Transsexuellengesetz kein Problem | |
war, erklären sie nicht. | |
## Rechter Kulturkampf | |
All diese Fälle werden dafür sorgen, dass trans Menschen, vor allem trans | |
Frauen, stärker und härter von der Gesellschaft beargwöhnt werden und ihr | |
Frausein abgesprochen bekommen. Hier findet genau das statt, was radikalere | |
Stimmen in der Beratung über das Selbstbestimmungsgesetz vorhergesagt | |
haben. Am Ende müssen Gerichte die Arbeit erledigen, indem trans Menschen | |
in mühsamen, kostspieligen und langwierigen Prozessen ihr Recht erstreiten. | |
Aber dann immer noch nicht anständig versorgt sind, während der rechte | |
Kulturkampf weitergeht. | |
Es ist auch eine Frage der Intersektionalität: Inwiefern akzeptiert dich | |
die Gesellschaft wirklich und was braucht es, um nicht mehr akzeptiert zu | |
sein? Das ist nicht nur ein Kampf, den trans Menschen führen, sondern jede | |
Minderheit, die gesellschaftlich unterdrückt wird. Und gerade mehrfach | |
marginalisierte Menschen wie Cleo sind da am schlechtesten dran. | |
Alle diese Fälle zeigen trans Menschen, wie konditional die | |
Mehrheitsgesellschaft unser Geschlecht toleriert. Sie stellt ihre eigenen | |
Vorurteile nicht infrage, sieht in Transgeschlechtlichkeit vor allem einen | |
Trick und glaubt, die Biografie jeder trans Frau ausleuchten zu müssen, um | |
den Fall beurteilen zu können. Die Pflicht zu Gutachten wurde durch eine | |
gesamtgesellschaftliche Begutachtung abgelöst. | |
4 Sep 2025 | |
## LINKS | |
[1] https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/lg-ffm-203o12925-misgendern-reiche… | |
[2] https://perspektive-online.net/2025/04/schwarze-trans-frau-im-maennergefaen… | |
[3] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/landeshauptstadt/urteil-im-wachmann-pro… | |
[4] /Marla-Svenja-Liebich-auf-der-Flucht/!6107701 | |
[5] /Kritik-am-Selbstbestimmungsgesetz/!6106300 | |
[6] /Amoklauf-in-Minneapolis/!6106680 | |
## AUTOREN | |
Jyn Rimmele | |
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