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# taz.de -- Sammelklage gegen Booking.com: Die Hotel-Rebellen
> Jahrelang zwang Booking.com Hotelbesitzer:innen, ihre Zimmer auf der
> Plattform so günstig anzubieten wie nirgends sonst. Jetzt rächt sich die
> Branche.
Bild: Es hätte viel günstiger sein können: Schlüssel in einem Thüringer Ho…
## 1 Über 15.000 Hoteliers klagen gegen Booking.com. Warum eigentlich?
Sie wollen Geld, genauer gesagt Schadenersatz von Booking.com. Um wie viel
Geld es geht, weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Aber die Summe könnte
gewaltig sein. Die Hotels fordern Schadenersatz rückwirkend für einen
Zeitraum von 20 Jahren. Bis Freitag, den 29. August, konnten sich Hotels
der Klage vor dem Amsterdamer Bezirksgericht anschließen.
Der Grund: Über mehrere Jahre hinweg hat die Buchungsplattform Hotels an
eine sogenannte [1][Bestpreisklausel] gebunden. Das heißt, die Hotels
durften ihre Zimmer nicht günstiger anbieten als auf der Plattform. Die
Plattform wollte damit erreichen, dass alle nur noch bei Booking.com
buchen, und verhindern, dass Urlauber*innen sich nur ihrer schön
aufbereiteten Informationen bedienen und dann über eine andere Seite oder
direkt beim Hotel buchen. „Das sogenannte Trittbrettfahren ist in der
Praxis allerdings eher selten“, sagt Rupprecht Podszun. Er ist Direktor
des Instituts für [2][Kartellrecht] an der Universität Düsseldorf.
Die Bestpreisklausel von Booking.com ist jedenfalls kartellrechtswidrig.
Das haben Kartellbehörden in Deutschland schon vor zehn Jahren so
eingestuft. 2021 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass die Hotels
ihre Zimmer günstiger anbieten dürfen als auf Booking.com. Eine
[3][Bestpreisklausel] schaltet nämlich die anderen Wettbewerber aus, weil
sie dieselbe Leistung teurer anbieten müssen. 2024 hat dann auch der
Europäische Gerichtshof geurteilt, dass dieses Vorgehen gegen
EU-Wettbewerbsrecht verstößt. Booking.com hat die Klauseln dann im selben
Jahr wegen des sogenannten Digital Markets Act abgeschafft. Dieser trat
2022 in Kraft und führte strengere Regeln für große Onlineplattformen
ein. 1:0 für die Hoteliers.
Die Sammelklage gegen Booking.com soll noch vor Ende dieses Jahres
eingereicht werden.
## 2 Wie geht es jetzt weiter mit der Sammelklage der Hoteliers?
„Schadenersatzklagen im Kartellrecht sind immer sehr aufwendig“, sagt
Rupprecht Podszun. Der Verstoß von Booking.com steht zwar schon fest, aber
jetzt müssen die Hotels nachweisen, was für ein Schaden überhaupt
entstanden ist: Was haben die Hotels tatsächlich eingenommen, und was
hätten sie ohne Klausel einnehmen können? Beide Seiten legen dafür
ökonomische Gutachten auf den Tisch, die wohl jeweils das Gegenteil
begründen werden. „Bis das dann geklärt und durch alle Instanzen gegangen
ist, kann es Jahre dauern“, so der Kartellrechtsexperte. Jurist*innen
könnten sich auf ein „spektakuläres Wettmessen zwischen zwei
Schwergewichten“ freuen. Ob die Klage des europäischen Hoteldachverbands
Hotrec erfolgreich sein wird oder nicht, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwer
einzuschätzen.
## 3 Wie viel müssen die Hotels an die Plattform zahlen?
Hotels zahlen in der Regel fast ein Fünftel des Zimmerpreises als Provision
an die Buchungsplattform. Der Hotelier Marco Kirchner vom Thüringer Hof
nahe Schmalkalden rechnet vor: Wenn der Zimmerpreis auf Booking.com 100
Euro beträgt, gibt er 15 Euro plus die Umsatzsteuer, insgesamt also etwa 18
Euro ab. 15 Prozent sei die minimale Provision, so der Hotelier. Wer mehr
zahlt, 20 Prozent zum Beispiel, werde höher gelistet. „Aber das mache ich
nicht“, sagt Kirchner.
Seit der BGH 2021 die Bestpreisklausel für rechtswidrig erklärt hat, kostet
ein Zimmer im Thüringer Hof bei direkter Buchung etwa 10 Prozent weniger
als über die Plattform. In manchen Monaten zahle er 1.200 Euro an
Booking.com, sagt Kirchner. „Wenn ich dann die Rechnung sehe, ärgere ich
mich schon.“ Hätten die Gäste doch nur bei ihm direkt gebucht, denke er
sich dann.
## 4 Aber profitieren Hoteliers nicht auch von Booking.com?
Ja, es gibt auch Vorteile. Der Thüringer Hof ist ein kleines Hotel im
ländlichen Raum. „Über die Plattform sind wir sichtbarer“, so Kirchner.
Urlauber*innen landeten bei ihm, die niemals nach dem Ort gesucht
hätten, meint er. Deshalb schloss er sich der Klage auch nicht an. Etwa 20
bis 25 Prozent seiner Gäste buchten ihr Zimmer über Booking.com, 30 Prozent
über regionale Vermittlungsagenturen, die übrigen direkt.
## 5 Wie wurde Booking.com überhaupt so mächtig?
Mitte der 90er Jahre wurde die Hotelbuchungsplattform in den Niederlanden
gegründet. Aber erst seit den 2010er Jahren suchen Urlauber*innen ihre
[4][Hotels] vermehrt im Internet. Schnell war Booking.com die Nummer eins
und schaffte es, die meisten Nutzer*innen an sich zu binden. Es folgte
der sogenannte Netzwerkeffekt: „Je mehr Leute auf einer Plattform sind,
desto wertvoller wird sie“, sagt Podszun. Wenn alle Hotels bei Booking.com
sind, lohnt es sich für Verbraucher*innen, dort zu suchen. Andersherum
genauso: Dort, wo viele Verbraucher*innen suchen, lohnt es sich für
Hotels, gelistet zu sein.
Inzwischen vermittelt Booking.com nicht mehr nur Hotelzimmer, sondern auch
gleich die ganze Reise mit Flug, Mietauto und Versicherung. Stärkere
Kundenbindung und noch mehr Marktmacht sind das Resultat. Im Jahr 2023 war
der Mutterkonzern Booking Holdings mit einem Marktanteil von 71 Prozent die
mit Abstand meistgenutzte Reisebuchungsplattform in Europa.
Im selben Jahr wurden in Deutschland etwa 31 Prozent der Hotelbuchungen
über Onlineportale abgeschlossen. Diese Zahlen gehen aus einer Studie des
Hotrec-Verbands und der Fachhochschule Westschweiz hervor. Rund 25 Prozent
der gesamten Reservierungen auf Booking.com stammen tagesschau.de zufolge
aus asiatischen Ländern.
## 6 Kann Booking.com entmachtet werden?
Marktmacht an sich ist noch nicht rechtswidrig. „Das Kartellrecht kann
grundsätzlich nur eingreifen, wenn ein Fehlverhalten festzustellen ist“,
sagt Experte Rupprecht Podszun – so wie bei den Bestpreisklauseln. Seit
ein paar Jahren beobachtet Podszun aber mehr politische Maßnahmen, die
mächtigen Plattformen Grenzen aufweisen. Die Europäische Kommission etwa
prüfe die Fusionen von Booking.com heute viel kritischer und gehe gegen den
Aufkauf von kleineren Unternehmen vor.
2024 hatte die EU Booking.com als sogenannten Gatekeeper eingestuft, also
als „große digitale Plattform“, die eine „starke wirtschaftliche Position
mit erheblichen Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat und in mehreren
EU-Ländern aktiv ist“.
Damit ist die Plattform an zahlreiche Verpflichtungen gebunden, die die
Geschäftsmöglichkeiten der Hotels ausweiten und die der Plattformen
einschränken sollen. „Booking.com wird also stärker reguliert, aber ich
sehe keine Tendenzen, die Plattform zu zerschlagen und ihre Monopolmacht
aufzubrechen“, sagt Podszun.
## 7 Wenn ich nicht mehr bei Booking.com buchen will, welche Alternativen
gibt es dann für mich?
Viele andere Websites bieten denselben Service wie Booking.com. Allerdings
verlieren die Hoteliers auch bei ihnen Geld über die Provision. Alternativ
kann man Hotels etwa über Google Maps oder OpenStreetMap suchen und diese
dann per Mail oder Telefon direkt kontaktieren. Nicht zuletzt gibt es die
Hotelrubrik im guten alten Reiseführer. Und für Abenteuerlustige: Noch
stehen sie am Straßenrand, die „Zimmer frei“-Schilder.
30 Aug 2025
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## AUTOREN
Clarissa Hofmann
## TAGS
Hotel
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