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# taz.de -- Gedenken an Lorenz A.: Hetze gegen Polizeiopfer
> In Oldenburg wird es keinen „Lorenz-Platz“ geben: Dessen Familie will
> sich nicht mehr rassistischen und menschenverachtenden Anfeindungen
> aussetzen.
Bild: Wut und Trauer: Tatort in der Achternstraße in Oldenburg
Oldenburg taz | Eigentlich sollte die neu geschaffene Freizeitfläche in der
Oldenburger Innenstadt in Zukunft an den von einem Polizisten erschossenen
21-jährigen Lorenz A. erinnern. Die Stadt Oldenburg sucht schließlich
ohnehin einen Namen für das ehemalige Gelände des Finanzamts an der
91er-Straße, das vor kurzem in einen „grünen Begegnungsort“ umgewandelt
wurde. Vorschläge konnten die Oldenburger*innen selbst einreichen.
„Wir wollen, dass mit dem Platz ein Denkmal für Lorenz geschaffen wird“,
schrieb die Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“ noch am Dienstag. Ihr
Vorschlag: „Lorenz-Platz“. Neben Zuspruch gab es in Reaktion auf den
Vorschlag viele Hassnachrichten – zu viele.
Am Donnerstag gab die Initiative bekannt, dass sie den Vorschlag
zurückzieht: „Im Namen von Lorenz’ Mutter möchten wir mitteilen, dass sie
nicht wünscht, den Namen ‚Lorenz-Platz‘ vorzuschlagen. Der öffentliche
Druck durch Hasskommentare und abwertende Reaktionen seit der Bekanntgabe
der ‚Mitmachaktion‘ ist für sie und die Familie in ihrer Trauer und ihrem
schweren Verlust nicht auszuhalten.“ Die Mutter sei für den Vorschlag
dankbar: „Gleichzeitig sind die wiederholten Zurückweisungen und
abwertenden Worte über Lorenz für die Angehörigen sehr schmerzhaft.“
Die Familie hat [1][seit Lorenz A.s Tod] mit rassistischen und
menschenverachtenden Anfeindungen zu kämpfen: Die örtliche Nordwest-Zeitung
(NWZ) sperrt bei Beiträgen zu Lorenz A. in den sozialen Medien mittlerweile
grundsätzlich die Kommentare. Es werde „immer wieder offen zu Straftaten
und Gewalt aufgerufen“, die Menge an Hasskommentaren sei „kaum mehr zu
moderieren“, erklärt die NWZ auf ihrer Homepage.
## Hassnachrichten hätten „Überhand genommen“
Hinzu: Im Mai kaperte ein Unbekannter den Stream einer Podiumsdiskussion,
die vor dem Hintergrund von Lorenz A.s Erschießung institutionellen
Rassismus in Polizei und Justiz behandelte. Er spielte wiederholt das
N-Wort, rassistische Audiobotschaften und pornografische Inhalte ab.
Suraj Mailitafi ist Sprecher der [2][Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“]
und war Teil der Podiumsdiskussion. Hass und Hetze begleite die Initiative
seit ihrem Bestehen: „Das ist krass, wie viele Hassnachrichten,
Relativierungen und Anfeindungen gegen Lorenz es in den sozialen Medien
gibt.“
Noch immer kursiere auch die Falschmeldung, dass Lorenz die Polizisten mit
einem Messer angegriffen hätte. Damit werde die Tötung gerechtfertigt,
erzählt Mailitafi. „Viele sehen in Lorenz den Täter, nicht das Opfer, das
von der Polizei erschossen wurde. Das ist eine Relativierung, die wir nicht
hinnehmen können.“ Tatsächlich hat Lorenz das Messer laut
Staatsanwaltschaft nie gegen die Polizisten eingesetzt.
Auch Mailitafi persönlich werde immer wieder angegriffen. Das rechte Portal
„Nius“ hatte ihn schon Ende April in einem Artikel zur Zielscheibe gemacht.
„Man versucht sich das nicht anzuschauen“, sagt Mailitafi. Er habe die
Kommentare bei vielen seiner Online-Beiträge deaktiviert, weil die
Hassnachrichten Überhand genommen hätten.
Polizei übersieht Hassnachrichten
Wegen der vielen Drohungen habe sich sein Sicherheitsgefühl in den
vergangenen Monaten geändert: „Ich bin jetzt sehr vorsichtig. Wenn ich
ausgehe, versuche ich nicht alleine unterwegs zu sein.“ Trotzdem hat er
noch in keinem Fall Anzeige erstattet: „Ich fühle mich in dem Kontext von
Lorenz nicht wohl, zur Polizei zu gehen.“
Der Oldenburger Polizeipräsident Andreas Sagehorn hatte wenige Tage nach
Lorenz A.s Erschießung angekündigt, strafbare Äußerungen in den sozialen
Medien genau zu beobachten. „Im Zusammenhang mit dem genannten Fall ist die
[3][Polizeidirektion Oldenburg] im Zuge der Auswertung von Inhalten in den
sozialen Medien in 49 Fällen tätig geworden“, erklärte die Behörde auf
Anfrage der taz.
Davon habe die Staatsanwaltschaft 28 als strafbar eingestuft. Gerade einmal
sieben davon seien „strafrechtlich relevante Hetze gegen Lorenz A. bzw.
seine Familie und / oder rassistische Kommentare“. Die Mehrheit richte sich
gegen Polizeibeamte. „Das hört sich für mich nicht umfassend an“, bewertet
Mailitafi die Zahlen. Ein Großteil der Kommentare unter seinen Videos
hätten sich gegen Lorenz oder die Initiative gerichtet. „Wenn die Polizei
darauf auch geschaut hat, können die Zahlen nicht stimmen. Die Daten sind
nur so gut, wie man recherchiert hat.“
Recherchen der taz bestätigen diesen Verdacht. Allein durch eine einfache
Stichwortsuche auf der Plattform „X“, ehemals Twitter, sind im Bruchteil
einer Sekunde Dutzende Beiträge auffindbar, in denen Lorenz A. mit dem
N-Wort diffamiert wird. Die Polizei hat diese Beiträge wohl übersehen.
Trotz der massiven Anfeindungen arbeitet die Initiative weiter, betont
Mailitafi: „Wir lassen uns davon nicht einschüchtern.“
15 Aug 2025
## LINKS
[1] /Ermittlungen-im-Fall-Lorenz-A/!6092527
[2] /Tag-gegen-Polizeigewalt-in-Oldenburg/!6097046
[3] /Nach-toedlichen-Schuessen-auf-Lorenz-A/!6105889
## AUTOREN
Aljoscha Hoepfner
## TAGS
Oldenburg
Schwerpunkt Rassismus
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