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# taz.de -- Rapper über Feminismus, Zweifel, Scham: Conny und die Dekonstrukti…
> Der Rapper Conny will mit traditionellen Männlichkeitsbildern aufräumen,
> ohne mit dem Finger auf andere zu zeigen. Dafür fängt er bei sich selbst
> an.
Bild: „Wer viel über Feminismus spricht, muss viel vor der eigenen Tür kehr…
Berlin taz | „Frauenquote nein, Männerlimit ja, fast jeder zweite Mensch
ist keine Frau, ist dir das klar?“ – so lautet der Refrain des Songs
„Männerlimit“ des Rappers Conny. Es ist ein provokanter Satz, mit dem Conny
fordert: Wer Gleichstellung ernst meint, muss den Fokus nicht nur auf
Frauen, sondern auch auf die strukturelle Überrepräsentation von Männern
richten.
Im Mai veröffentlichte Conny sein drittes Album „Manic Pixie Dream Boy,
Vol. 3“. Es bildet den Abschluss einer Trilogie, in der der Künstler Fragen
von Männlichkeit, Sprache und mentaler Gesundheit verhandelt. Der erste
Teil der Albumtrilogie erschien 2021, der zweite folgte 2022. 2006 begann
der gebürtige Düsseldorfer, mit seinem Duo Der Plot Musik zu
veröffentlichen. 2018 startete er dann sein Soloprojekt unter seinem
Künstlernamen Conny, der eine Abkürzung seines Vornamens Constantin ist.
Sein neues Album versteht sich als persönliches Reisetagebuch eines jungen
Mannes. Der heute 38-jährige Conny erzählt darin von seinem Weg raus aus
dem engen Korsett klassischer Männlichkeitsbilder – und hinein in eine
Identität, die feministische Werte nicht nur vertont, sondern auch
verkörpert.
Doch sein Projekt wirft auch Fragen auf: Wann wird Selbstkritik zum Teil
des Images? Und wie viel Raum nimmt ein Künstler ein, der selbst davon
spricht, Platz machen zu wollen?
## Männlichkeit ist nicht naturgegeben, sondern veränderbar
„Der Begriff Männlichkeit hat für mich persönlich eine wahnsinnig lange
Reise hinter sich“, sagt Conny im Interview mit der taz in seiner
Wahlheimat Köln. Er hat lila gefärbte Haare, seine Fingernägel sind pink
lackiert. Auf dieser Reise habe er gelesen, zugehört, Therapie gemacht. Der
zentrale Gedanke: Männlichkeit ist nicht naturgegeben, sondern veränderbar.
Sie sei ein Produkt von Erziehung, Vorbildern, gesellschaftlichen
Zuschreibungen – und könne deshalb neugestaltet werden. Diese Erkenntnis
zieht sich als Leitmotiv durch seine Texte.
Conny macht Rap – ein Genre, das nicht gerade für seine [1][reflektierte
Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen] bekannt ist. Selbst aufgewachsen
mit stark tradierten Männlichkeitsbildern, will er genau diese in seiner
Musik dekonstruieren. Die Sprachlosigkeit beim Thema Gefühle habe er
besonders in der Kommunikation zu seinem eigenen Vater erlebt, erzählt er.
Aber auch Rapper und Superheldenfiguren wie Spiderman hätten sein
Selbstbild geprägt, als Mann stark, muskulös und laut sein zu müssen. In
seinem Song „Kleiner Junge“ richtet er sich deshalb an sein 13-jähriges
Ich, das sehr unter dem Druck litt, „ein wertiger Mann“ sein zu müssen.
Statt Dominanz und körperliche Stärke rückt er in seinen Songs Gefühle wie
Scham, Verletzlichkeit und Sprachlosigkeit in den Fokus: „Männer sprechen
nicht nur eine Muttersprache, sondern auch ein Vaterschweigen.“
Besonders das Thema Scham sei autobiografisch, sagt er. „Mein lyrisches Ich
ist sehr nah an mir persönlich.“ Doch nicht nur individuelle Emotionen
stehen im Zentrum seiner Musik. Conny ist es wichtig, als privilegierter
Mann seine Position zu reflektieren – etwa im Hinblick auf
Machtverhältnisse: „Eine der entscheidenden Aufgaben für Männer ist es, die
Macht des Patriarchats aufzuarbeiten und uns klarzumachen, aus was für
einer Position wir sprechen.“
Dass feministische Männer sich dabei aber häufig um sich selbst drehen,
versucht Conny in seinem Song „Zahnpastalippen“ aufzubrechen, indem er in
einem aus seiner Sicht erzählten Dialog seiner Freundin das Wort gibt: „Du
schaust auf meinen Nagellack und runzelst deine Stirn, sagst allein dadurch
lässt Männlichkeit sich nicht dekonstruieren.“
## Mann mit Männerlimit
Doch der Wille zur Veränderung soll bei Conny nicht bei der künstlerischen
Auseinandersetzung stehenbleiben. Denn auch in seinem Team versucht er,
feministische Prinzipien praktisch umzusetzen. Ein zentraler Begriff ist
für ihn deshalb das sogenannte Männerlimit, das er bei einer Lesung des
Männerforschers Christoph May kennenlernte. Die Perspektive zu drehen – weg
von der „Frauenquote“ und hin zur Frage, welche Räume Männer verlassen
müssen – war für ihn ein entscheidender Moment.
Mindestens die Hälfte der Menschen auf und hinter der Bühne seien im
Projekt Conny [2][nicht cis-männlich], so der Musiker. Dabei sei ihm
bewusst, dass er als cis-Mann Aufmerksamkeit erhalte, gerade weil er sich
lautstark feministisch positioniert. Um sie auch weiterzureichen, lädt
Conny häufig weibliche Featuregäste ein und besetzt sein Management
ausschließlich mit Frauen.
Conny spricht offen über die eigenen Widersprüche. Über früheres
Fehlverhalten, über das Idealbild eines „perfekten Feministen“, das sich
mit dem Alltag – etwa bei der Verteilung von Hausarbeit – nicht immer
deckt. Über den privaten Aushandlungsprozess, in dem man als Mann auch mal
zuhört und nicht so viel Raum einnimmt.
Auf die Frage, ob sein Haushalt unter seiner Karriere leidet, antwortet er
mit Selbstironie: „Jemand, der so viel über Feminismus redet, muss im
wahrsten Sinne des Wortes viel vor seiner eigenen Tür kehren.“ Wenn man im
Privaten nicht das lebe, was man öffentlich propagiere, dann seien auch die
größten Songtexte nur halb so viel Wert.
Aber auch eine Fehlerkultur bräuchte es in feministischen Diskursen. Conny
erzählt, dass er erst mit Ende 20 begann, sich mit feministischen Themen
auseinanderzusetzen. Selbstkritisch berichtet er, dass er sich in der
Vergangenheit Frauen gegenüber nicht immer korrekt verhalten habe.
Zugleich, so betont er, müsse man in der feministischen Community einen Weg
im Umgang mit Männern finden, die sich verändern wollen, aber nicht frei
von vergangenem Fehlverhalten sind. Wie genau dieser Weg aussehen könnte
und wer ihn definieren sollte, ließ er allerdings offen.
Conny macht feministische Musik in einem Genre, in dem sich nach wie vor
nur wenige Männer feministisch positionieren. Seine Versuche, Macht
abzugeben, Kritik anzunehmen und andere Perspektiven hörbar zu machen, sind
deutlich hör- und sichtbar – sowohl in seiner Musik als auch in seinen
Arbeitsstrukturen.
Und genau hier setzt Connys künstlerische Praxis an: bei der ständigen
Selbsthinterfragung. Seine Musik ist kein fertiges Manifest, sondern ein
offener Prozess. Wer ihm zuhört, merkt: Hier will sich niemand als
moralische Instanz aufspielen. Stattdessen geht es um die Bereitschaft,
sich selbst in die Verantwortung zu nehmen. Aber auch um sein Ziel,
vielleicht als Vorbild in der häufig sexistischen Rapmusik zu fungieren:
„Ich möchte, dass Männer meine Songs hören, weil ich eine alternative Art
von Männlichkeit darstellen möchte.“
Connys Botschaft ist klar: Feminismus braucht mehr als Symbole. Er verlangt
den Willen, Macht zu hinterfragen und Strukturen zu verändern. In
gesellschaftlichen Fragen ebenso wie im Alltag.
Vielleicht beginnt genau dort eine neue Männlichkeit: Nicht im perfekten
Verhalten, sondern im ehrlichen Bemühen zur Veränderung und in der
Bereitschaft, Platz zu machen.
27 Aug 2025
## LINKS
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## AUTOREN
Leyla Roos
## TAGS
Feminismus
Rap
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Feminismus
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