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# taz.de -- Antifaschistische Vögel: Singvögel im Widerstand
> In Karlsruhe lernen Amseln und Co. dank einer Kunstinstallation
> antifaschistische Protestsongs – und könnten so zu gefiederten
> Widerstandssängern werden.
Bild: Singende Amsel, bald auch mit Bella ciao im Repertoire
Der Schnattertölpel, um mal kurz literarisch zu werden, ist so etwas wie
eine geklonte biologische Abhördrohne der Obrigkeit. Eingesetzt wird sie in
der Dystopie „Die Tribute von Panem“ vom finsteren Präsidenten Coriolanus
Snow. Der Tölpel soll dem unterdrückten Volk aufs Maul schauen und das
Gehörte an das Unterdrückungssystem weiterzwitschern. Doch das Projekt
scheitert im Roman. Stattdessen vögelt der freigelassene Retortentölpel
wild in der Wildnis umher, und es entsteht: der Spotttölpel. In der
weiteren Geschichte der „Hunger Games“ wird diese neue Vogelart zum Symbol
des Widerstands. Denn der Spotttölpel kann Lieder und Töne perfekt
imitieren und verbreitet sie frei in der Welt.
Wenn in Karlsruhe demnächst die Amsel und sonstige Singvögel „Bella ciao“
von den Dächern pfeifen, liegt das nicht daran, dass sie sich den
Spotttölpel zum Vorbild genommen hätten. Es liegt an Dennis Siering. Der
Frankfurter Künstler hat, wenn man so will, ein kleines weltanschauliches
Schulungszentrum für gefiederte Genossen installiert. Sie sollen
Protestsong hören, lernen und in ihr Repertoire aufnehmen.
Gleich hinter dem Karlsruher Schloss und unweit des
Bundesverfassungsgerichts hat er eine solarbetriebene Musikanlage in den
Baum gehängt und beschallt täglich von 8 bis 11 und von 18.30 bis 20 Uhr
Mensch und Tier im Park mit synthetisch erzeugtem Vogelgezwitscher. Wenn
man ein bisschen genauer hinhört, pfeift es [1][the Antifa’s greatest
hits].
Die Demoschlachtrufe wie „Siamo tutti antifascisti“ und „Bella ciao“
wurden am Computer mit KI und echtem Vogelgezwitscher gekreuzt – fertig ist
die poetische Agitpropinstallation. Oder mit den Worten des Künstlers: „Die
Installation eröffnet nicht nur zahlreiche Fragen hinsichtlich des
Austauschs zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Lebensformen sowie
den tiefgreifenden Wechselwirkungen von Technologie und Natur. Gleichzeitig
ist die Installation auch eine kritische Auseinandersetzung mit dem
Wiederaufleben nationalistischer und neofaschistischer Ideen.“
Wofür mussten unsere gefiederten Freunde in der Geschichte nicht schon
alles herhalten: Falken als Jäger, Lerchen als Vorläufer der Spieldose. In
Berlin wurde in den hedonistischen 2000er Jahren [2][das Gezwitscher von
Staren] mal als Klingelton vermarktet.
## Die Amsel ist besonders talentiert
Jetzt sollen sie also [3][linke Protestsongs] lernen. Wenn das
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hört. Denn man weiß: Vögel lassen sich
von ihrer Umwelt leicht beeinflussen. In letzter Zeit wurde dies auch,
bitter genug, in den Kriegsgebieten der Ukraine beobachtet, wo die Vögel
gelernt haben, Sirenengeräusche nachzuahmen.
Die unscheinbar braunschwarze Amsel, zur Familie der Drosseln gehörend, ist
besonders talentiert, Umgebungsgeräusche nachzuahmen und in ihr Repertoire
aufzunehmen. In Karlsruhe wird das Amselrevier nach dem Schulungsprogramm
also quasi zur antifaschistischen Schutzzone, die dann von rechtslastigen
Reichsadlern oder allerlei kriegerischen Falken weitläufig umflogen wird.
Das Projekt „Radical Climate Action Bird“ ist im Rahmen der
Medienkunstausstellung „Media art is here“ noch bis zum 14. September in
Karlsruhe hinterm Schloss zu erleben. Ob die ersten Karlsruher Piepmätze
die Protestsongs dann spätestens im Winter auf dem Weg nach Süden in aller
Welt verbreiten und dann auch der Kreml und das Weiße Haus mit „Alerta,
alerta, antifascista!“ beschallt werden? „The answer, my friend“, um es m…
einem anderen großen Protestsänger zu sagen, „is blowing in the wind.“
25 Aug 2025
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## AUTOREN
Benno Stieber
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