# taz.de -- Bosnischer Künstler Mili Đukić: „Bald werde ich mir wieder ein… | |
> Der bosnische Dichter Mili Đukić ist bekannt für seine Texte mit | |
> schwarzem Humor. Jetzt malt er auch. Ein Gespräch über die Arbeit als | |
> Künstler. | |
Bild: Maler Mili Đukić sieht die Zukunft nicht so hell | |
taz: Herr Đukić, Sie sind in Bosnien als Dichter und Dokumentarfilmer | |
bekannt. Jetzt haben Sie sich auch noch [1][als Maler] einen Namen gemacht. | |
Wieso haben Sie angefangen, zu malen? | |
Mili Đukić: Mein erstes Gemälde habe ich am 7. Februar 2021 [2][in | |
Sarajevo] gemalt. Ich kann mich an das genaue Datum deshalb noch so gut | |
erinnern, weil ich es auf das Bild gemalt habe. Ich kam an dem Abend von | |
meiner Arbeit in einem Restaurant nach Hause und habe es in nur wenigen | |
Stunden fertiggestellt. Meine Frau ist professionelle [3][Malerin] und so | |
gibt es immer frische Farbe bei uns zu Hause. Wenn sie Acrylfarbe mischt, | |
muss die immer bis zum nächsten Morgen aufgebraucht sein. Und an dem Abend | |
war auf ihrem Tisch viel übrig. Also setzte ich mich hin und am Ende kam | |
das Gemälde dabei heraus, das ich „Am letzten Seil hängend“ nannte. | |
taz: Das war Teil Ihrer ersten Ausstellung [4][„Ferdy & Durke in der Hölle | |
von Palanka“,] die im Mai in Mostar zu sehen war. Der Titel spielt auf | |
Witold Gombrowicz’ dadaistischen Anti-Bildungsroman „Ferdydurke“ von 1938 | |
an. Finden Sie im Dadaismus Inspiration? | |
Đukić: Ich wollte als Kind immer ein Maler sein, aber ich konnte einfach | |
nicht mit dem Pinsel umgehen. Ich wusste nicht, wie ich das, was ich | |
fühlte, wie ich meine Wirklichkeit in Farbe übersetzen kann. Bis zu diesem | |
Abend vor fünf Jahren. Ich weiß nicht genau, was da passiert ist. Aber | |
plötzlich wurde mir klar, dass die Malerei kein realistisches Abbild sein | |
muss. Dass die dadaistische, die eigentlich kindliche Herangehensweise die | |
richtige für mich sein kann. Die Malerei ist Ausdruck meiner Gefühle, | |
Gedanken und Träume. Das war wirklich eine wahrhaftige Entdeckung und | |
Erleichterung. | |
taz: Ihr Stil scheint deutlich auch von anderen Künstlern der 1920er und | |
1930er Jahre wie beispielsweise Georg Grosz beeinflusst. Die Motive des | |
deutschen Malers der Weimarer Republik wirken im Nachhinein wie die | |
Vorwegnahme des Horrors im Nationalsozialismus. Ist auch Ihre Kunst | |
Ausdruck politischer Dunkelheit? | |
Đukić: Ich mag Georg Grosz wegen seinem speziellen traurigen Humor. Meine | |
eigene Arbeit aber fokussiert sich auf meinen Alltag und auf das, was ich | |
selbst erlebe. Wenn jemand in meinen Gemälden etwas entdeckt, in dem er | |
sich selbst wieder erkennt, dann kann das zweierlei bedeuten. Entweder ich | |
habe etwas sehr Spezielles ausdrücken können, zu dem der Betrachter selbst | |
nicht in der Lage war. Oder ich habe etwas dargestellt, was sowieso jeder | |
weiß. Ersteres würde mich als Genie ausweisen, zweiteres als einen | |
praktischen Eklektiker, der sein Publikum und sich selbst amüsiert. | |
taz: Apropos amüsieren. Ihre Bilder sind von ziemlich viel Humor geprägt. | |
Ist das schwarzer Humor oder Karikatur? | |
Đukić: Ja, das stimmt, meine Gedichte, Filme, alles, was ich mache, ist in | |
irgendeiner Weise mit Humoristischem verbunden. Offenbar habe ich eine | |
Neigung zum Komischen. Oder bin gar nicht ich es, sondern die Welt von | |
heute, die lächerlich geworden ist? Man kann den Zustand heute ja durchaus | |
als Tragikomödie sehen. | |
taz: Auch in Ihren Filmen geht es eher dunkel zu. | |
Đukić: Meinen ersten Film „Gutač nula“ habe ich über Vuk Rodić gemacht, | |
einen Schriftsteller aus Sarajevo, der mit 50 Jahren seinen ersten Roman | |
veröffentlicht hat. Vorher hat er sein Leben fast 20 Jahre lang in einer | |
Psychiatrie verbracht. Das hat mich einfach fasziniert und ist aber | |
eigentlich eine Geschichte über das Licht, das aus dem tiefsten Dunkel des | |
Lebens seinen Weg an die Oberfläche gefunden hat. Mein zweiter Film „Andrej | |
meets a flower“ verfolgt die entgegengesetzte Richtung. Darin geht es um | |
den Maler Amel Hodžić und sein gleichnamiges Gemälde. Der Film verfolgt den | |
Weg des Bildes vom Malen über das Verpacken und Überführen bis zur | |
Ausstellung vor Publikum. Es ist eine Erzählung über das Dunkel, das | |
langsam das Licht verschluckt. | |
taz: Was können Sie nicht mit Worten beschreiben und müssen es stattdessen | |
auf die Leinwand übersetzen? | |
Đukić: Ich glaube nicht, dass es sich bei Wort und Bild um zwei | |
verschiedene Arten von Sprache handelt. Wenn ich male, habe ich hier | |
offenbar einfach die beste Ausdrucksform für das gefunden, was ich | |
mitteilen will. Zumindest denke ich das in dem Moment. | |
taz: Wie viele Künstler können auch Sie nicht von Ihrer Kunst leben. Sie | |
haben ziemlich viele Jobs gehabt. Welcher hat Sie am meisten inspiriert? | |
Đukić: Ich habe bisher zum Beispiel als Kellner, DJ, Koch, Krankenpfleger, | |
Bauarbeiter, Cafebesitzer, Kunstmodel oder Kinotechniker gearbeitet. Am | |
besten gefallen hat mir aber die physiche Arbeit, als ich eine Weile als | |
Bauarbeiter gejobbt habe. Der Rhythmus dieser Form von Arbeit mit seiner | |
sich wiederholenden, mechanischen Dynamik hat mir die Möglichkeit eröffnet, | |
zugleich meinen Körper und meinen Geist zu trainieren. Alles, was ich | |
bisher von Wert geschrieben habe, ist immer nach schwerer körperlicher | |
Arbeit entstanden. In den vergangenen Monaten habe ich als Journalist | |
gearbeitet, seitdem habe ich keinen einzigen unterhaltsamen Satz | |
geschrieben, auch kein Gedicht, und ich schreibe jeden Tag. Ich muss mein | |
Gehirn anstrengen wie nie zuvor und ich habe einen komischen Bauch bekommen | |
und Rückenschmerzen. Bald werde ich mir wieder einen neuen Job suchen | |
müssen, in einer Lagerhalle oder so. Nicht nur wegen des | |
Inspirationsmangels. | |
taz: Weil Sie Geld brauchen? | |
Đukić: Ja, deswegen habe ich ja letztes Jahr auch aufgehört zu malen. Ich | |
habe kein Atelier mehr. Da ist es gerade dunkel. Aber es wird sicher wieder | |
hell. | |
22 Aug 2025 | |
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## AUTOREN | |
Bozic Mirko | |
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