# taz.de -- Zulieferer für Atomkraft: Strahlende Zukunft | |
> Zwei Firmen in Deutschland beliefern die Atomkraftwerke der Welt mit | |
> Brennstoff. Ein Einblick in eine stille Branche, die steigende Nachfrage | |
> erlebt. | |
Bild: Verschwiegen und gut im Geschäft: Hersteller Urenco | |
Berlin taz | An der Grenze zu den Niederlanden ist Deutschland eher | |
beschaulich. Gronau zum Beispiel, Musikfans vielleicht bekannt als | |
Geburtsort von Udo Lindenberg. Dass die Stadt in Nordrhein-Westfalen auch | |
für die Energieversorgung vieler Staaten wichtig ist, ist in der | |
Allgemeinheit wenig bekannt. [1][Das Unternehmen Urenco] reichert hier in | |
einer der wenigen Anlagen weltweit Uran an, um Brennstoff für | |
Atomkraftwerke zu gewinnen. | |
Nur 34 Kilometer Luftlinie entfernt im niedersächsischen Lingen an der Ems | |
liegt [2][der zweite deutsche Hochtechnologie-Standort], ohne den bei | |
vielen Kraftwerksbetreibern nichts geht. Hier stellt ANF Brennelemente für | |
Reaktoren her. Die Branche ist notorisch verschwiegen, gewährt aber einen | |
kleinen Einblick. Beide Firmen feiern dieses Jahr runde Geburtstage. Und | |
beide Firmen investieren in großem Umfang in die Werke. Denn die Nachfrage | |
steigt. | |
Die Technologie verspricht zuverlässige Stromproduktion, und es hält sich | |
die Behauptung, dass sie kein Klimagas CO2 ausstößt – obwohl der gesamte | |
Prozess vom Abbau des Urans über seine Verarbeitung und Anreicherung bis zu | |
Rückbau der Anlagen und der Endlagerung enorme Emissionen erzeugt. Deshalb | |
[3][setzen einige Länder weltweit auf Atomenergie]. Sie planen neue | |
Reaktoren klassischen Typs oder wollen sogenannte Small Modular Reactors | |
bauen lassen, kleine, in Massen hergestellte AKWs, die dadurch günstig sein | |
sollen. Weltweit sind dem World Nuclear Energy Status Report zufolge 63 | |
Reaktoren im Bau, teils allerdings schon seit Jahrzehnten, weil es | |
technische Probleme gibt oder die Kosten komplett aus dem Ruder gelaufen | |
sind. 408 sind in Betrieb. Und alle brauchen Brennstoff. | |
In einem Atomkraftwerk werden Uranatome gespalten, dabei entsteht Energie. | |
Allerdings eignet sich nur ein bestimmtes Uran-Isotop dafür: U235. | |
Natur-Uran enthält es nur zu etwa 1 Prozent, nötig sind meist 3 bis 5 | |
Prozent. Um das zu erreichen, wird, sehr vereinfacht, ein uranhaltiges Gas | |
in eine Art Salatschleuder gepackt. Bei der Rotation sammelt sich das etwas | |
leichtere U235 eher in der Mitte, das schwerere, nicht spaltbare | |
Uran-Isotop U238 am Rand. In der echten Produktion sind mehrere Zentrifugen | |
in sogenannten Kaskaden hintereinandergeschaltet. Das angereicherte Uran | |
wird in Urandioxid gewandelt und in graue Pellets gepresst, mit denen | |
Brennelemente hergestellt werden. | |
## Produktion streng kontrolliert | |
Weil angereichertes Uran auch [4][für Atombomben nutzbar ist], ist die | |
Produktion weltweit begrenzt und streng kontrolliert. Neue Anlagen zu | |
bauen, erfordert nicht nur die Zentrifugen, sondern auch Fachpersonal und | |
Zeit. Alles schwer zu bekommen. Nach Angaben des [5][Weltnuklearverbands | |
gibt es offiziell nur wenige Fabriken auf der Welt, in denen Uran | |
angereichert wird]. Urenco, kurz für Uran Enrichment Company | |
(Urananreicherungsfirma), ist der zweitgrößte Produzent nach der | |
staatlichen russischen Rosatom und vor der chinesischen CNNC – mit vier | |
Standorten: im niederländischen Almelo, im britischen Capenhurst, in Eunice | |
in den USA und eben Gronau. | |
Alles begann 1970, als Deutschland, die Niederlande und Großbritannien | |
gemeinsam Urenco gründeten. Sitz ist die Kleinstadt Stoke Poges westlich | |
von London. Der niederländische und der britische Staat halten jeweils ein | |
Drittel der Anteile. Je ein Sechstel gehört den deutschen Konzernen Eon und | |
RWE, die bis zum [6][deutschen Atomausstieg] 2023 zahlreiche AKWs | |
betrieben. Vor 40 Jahren, im August 1985, begann die Produktion in Gronau. | |
Heute liefert die Anlage jedes Jahr Brennstoff für mehr als 20 Kraftwerke. | |
## Preise steigen seit Jahren | |
Die spezielle Anreicherungstechnologie wurde in Deutschland entwickelt. Und | |
seit fünf Jahren sitzt in Gronau auch die zentrale Forschung und | |
Entwicklung des Unternehmens, die sich um Innovation und neue | |
Geschäftsfelder bemüht. Unter anderem liefert Urenco auch radioaktive | |
Isotope für die Krebsbehandlung. Hauptgeschäftszweig ist allerdings | |
AKW-Brennstoff. | |
Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen zuletzt Aufträge für mehr als 20,1 | |
Milliarden Euro erhalten, ist bis 2040 ausgelastet. 2024 setzte Urenco mit | |
50 Kunden in 20 Ländern rund 1,9 Milliarden Euro um, schrieb schwarze | |
Zahlen. Konzernchef Boris Schucht blickt optimistisch in die Zukunft. Die | |
Preise für angereichertes Uran steigen seit Jahren. Derzeit steckt Urenco | |
mehr als 1 Milliarde Euro in den deutschen Standort, an dem mehr als 400 | |
Beschäftigte arbeiten. | |
## Bisher keine Sanktionen | |
Das Uran liefern Urencos Kunden. Die Firma selbst kauft es nicht. Und so | |
kann es sein, dass auch russisches Uran in den Zentrifugen angereichert | |
wird, weil der Kunde es will. Der Brennstoff unterliegt bisher keinen | |
Sanktionen, die die EU wegen des Angriffs auf die Ukraine gegen Russland | |
verhängt hat. Die EU-Kommission denkt aber darüber nach. | |
Größter Uranlieferant weltweit ist Kasachstan. Das Land förderte dem | |
Weltnuklearverband zufolge 2022 mit rund 21.000 Tonnen. Das entspricht rund | |
42 Prozent der gesamten Menge weltweit und ist etwa dreimal so viel wie die | |
Förderung Kanadas, der Nummer zwei. Russland kommt mit 2.500 Tonnen auf | |
Rang sechs. | |
## Russische Maschinen nötig | |
Auch Brennelemente sind bisher in der EU nicht sanktioniert. Länder wie | |
Bulgarien, Finnland, Slowakei, Tschechien und Ungarn betreiben AKWs | |
russischen Typs, für die eine bestimmte Art sechseckiger Brennelemente | |
nötig ist. Quadratische westeuropäische lassen sich nicht verwenden. Um | |
nicht mehr abhängig von Russland zu sein, bevorzugen die Länder eine | |
europäische Lösung und setzen auf ANF in Lingen, weshalb auch hier | |
ordentlich investiert wird. | |
Das Unternehmen gehört vollständig zum französischen AKW-Konzern Framatome, | |
hinter dem der staatlich kontrollierte französische Energiekonzern EDF | |
steht. ANF baut wegen des Bedarfs gerade in Lingen aus. Um die sechseckigen | |
Brennstäbe herstellen zu können, [7][sind spezielle – russische – Maschin… | |
nötig]. Und das niedersächsische Umweltministerium als Aufsichtsbehörde | |
muss die Produktion genehmigen. Der Antrag liegt seit März 2022 bei der | |
Behörde. Noch werde geprüft, sagt ein Sprecher, ein Ergebnis sei nicht | |
abzusehen. Besonders sicherheitspolitisch ist das Thema heikel. Beteiligt | |
am Verfahren sind offenbar mehrere Bundesministerien, die Geheimdienste und | |
der Verfassungsschutz. | |
## Wissen sehr speziell | |
Loslegen könnten sie bei ANF wahrscheinlich. Die Maschinen sind inzwischen | |
angeliefert. Damit keine russischen Staatsbürger in den Sicherheitsbereich | |
von ANF kamen – sie hätten wohl auch nie eine Freigabe erhalten –, schulten | |
die Experten die ANF-Ingenieure in einer Halle außerhalb der Fabrik. | |
Aber warum gerade Lingen? Brennelemente herzustellen, ist eine sehr | |
spezielle Technologie. Das Werk sei gut für neue und alle Arten von | |
unterschiedlichen Konstruktionen ausgerüstet, heißt es bei Framatome. ANF | |
will auch etwas entwickeln, das sich in AKWs verschiedenen Typs verwenden | |
lässt. Weil die Auflagen hoch und das Wissen sehr speziell ist, lässt sich | |
eine Brennelementefabrik nicht einfach irgendwo auf der Welt bauen. | |
Und so profitiert Lingen von den Hightech-Jobs im ANF-Werk, das im | |
September 50 Jahre alt wird. Rund 420 Beschäftigte arbeiten dort. Zu | |
Finanzzahlen schweigt sich Framatome aus. Wie zu hören ist, wirft das Werk | |
Gewinn ab. | |
21 Aug 2025 | |
## LINKS | |
[1] /Urenco/!t5034799 | |
[2] /Geplanter-Einstieg-in-Atomfabrik-Lingen/!6050924 | |
[3] /Mehr-Atomenergie-in-den-USA/!6103221 | |
[4] /Was-die-Atombombe-ueber-uns-verraet/!6103606 | |
[5] https://world-nuclear.org/information-library/nuclear-fuel-cycle/conversion… | |
[6] /Deutscher-Atomausstieg/!5924686 | |
[7] /Russen-in-Brennelementefabrik-im-Emsland/!6020371 | |
## AUTOREN | |
Björn Hartmann | |
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