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# taz.de -- Paulaner gewinnt im Design-Streit: Der Spezi-Hegemon
> Paulaner darf die Farbwellen auf seiner Spezi ganz für sich behalten. Das
> Landgericht München urteilt erneut zugunsten der Münchner Brauerei.
Bild: Konkurrenz ausgeschaltet: Paulaner gewinnt gegen Berentzen
Konstanz taz | Die Flasche hat ein Design wie ein Flokatiteppich. Gemütlich
und warm, fast zum Reinlegen. Wie eine Lavalampe leuchtet sie aus jedem
Späti-Kühlschrank. Die markenrechtlich geschützten fünf Farbwellen erkennt
man von weitem: lila, pink, rot, orange, gelb. Hippieske Wellen aus
Zuckersaft, die einen orangen Farbfilter auf die Welt legen. Stranddünen,
zwischen denen man sonnenbetäubt lächeln will.
„Gut, besser, Paulaner“ – der Werbespruch der Münchner Brauerei gilt
zumindest vor dem Landgericht München. Am Dienstagmittag setzte sich
Paulaner erneut in einem Rechtsstreit um das Design der Spezi-Flasche
durch, diesmal gegen Berentzen: Das Design der Mio Mio Cola+Orange Mische
ist dem ursprünglichen Design der Münchner Brauerei zu ähnlich, befand das
Gericht. Die Farbgestaltung könnte Kundinnen und Kunden auf die Idee
bringen, dass das Getränk zu Paulaner gehören könnte. Es verurteilte Mio
Mio dazu, den Verkauf zu unterlassen, Schadenersatz zu zahlen und alle
bereits produzierten Flaschen in seinem Besitz zu vernichten. Rechtskräftig
ist das Urteil noch nicht.
Dem Getränkekonzern gefällt's: „Wir freuen uns, dass das Gericht
vollumfänglich unserer Rechtsauffassung gefolgt ist“, erklärte eine
Sprecherin. Zuletzt hatte er mehrere Rechtsstreite mit anderen
Getränkeherstellern wie Krombacher, Karlsberg oder dem Ur-Spezi-Macher, der
Brauerei Riegele, gewonnen. Einmal bekam Paulaner das Recht, ihre
Cola-Orangenlimo-Mischung weiter „Spezi“ nennen zu dürfen, mal musste ein
Konkurrent sein Etikett ändern. „Die 33. Zivilkammer des LG darf inzwischen
als Spezi-Spezialist gelten“, [1][kommentierte die Legal Tribune Online den
Umstand], wie häufig das Landgericht München sich mit Spezi-Fällen befassen
muss.
Mit der Verwechslung hätte Berentzen womöglich vom gemütlich-eigensinnigen
Biergarten-Image der Münchner Brauerei profitieren können. Und es stimmt:
Paulaner Spezi könnte direkt aus dem Euter einer bayerischen Kuh kommen, so
süddeutsch wirkt sie.
Während andere Marken sich in den letzten Jahren Teile ihrer Identität
wegberaten ließen und „cleanere“, oftmals reizlose Versionen ihrer Logos
präsentierten, leuchtet vom Paulaner-Spezi-Etikett seit Jahrzehnten das
Versprechen des optimistischen Überschwangs, wie es wohl nur ein
Zuckergetränk in Kinderaugen vermag.
Die retro-anmutende Schriftart Thalia – noch nicht Teil einer
Gerichtsverhandlung – verspricht eine unmodernisierte, nicht durch
erzwungene Erneuerung ihrer Eigenheit beraubte Authentizität. Die Schrift
erinnert an die Beschilderungen kleiner Lebensmittelläden aus einer
teilvergangenen Zeit. Und sie kommt an: Mit einer ähnlichen 70er-Typografie
gewann in New York zuletzt [2][der linke Demokrat Zohran Mamdani den
Vorwahlkampf um die Bürgermeisterkandidatur].
## Andere Schrift, gleicher Farbtopf
Mio Mio aus dem Hause Berentzen wählte zwar eine andere Schrift, bediente
sich aber am selben Farbtopf: Auch hier wurde ein Etikett mit 70er-Jahre
Anmutung aus Lila, Pink, Rot, Orange und Gelb verklebt, bloß mit Kreisen
statt Wellen. Eine alte Tapete im Studentenzimmer des heutigen
Marketing-Chefs soll das Etikett inspiriert haben. Vor Gericht verfing
diese Erklärung nicht. Beide Designs wirken übrigens stark so, als wären
sie den Arbeiten [3][des dänischen Designers Verner Panton] nachempfunden.
Paulaner darf also weiter unverwechselbarer Hegemon im
Cola-Orangenlimo-Markt bleiben: Zwei Millionen Hektoliter des beliebten
Mischgetränks aus Cola und Orangenlimonade wurden im vergangenen Jahr von
Paulaner abgefüllt – rund doppelt so viel wie nur zwei Jahre zuvor. Die
Konkurrenten Spezi, Schwip Schwap oder MezzoMix liegen deutlich darunter.
## „Desire Drink“ in Deutschland, Österreich und Finnland
Egal welche Marke: Die Spezi ist nicht erst seit Kurzem der „Desire Drink“
der Deutschen, mit hohen Verkaufszahlen auch in Österreich und Finnland.
Bunt verpackt und zuckrig, klassische Quengelware eigentlich, ein
Kindersehnsuchtsgetränk, das Mitte letzten Jahrhunderts nicht eigens von
Food Designern entwickelt wurde, sondern in Wirtshäusern frisch aus Cola
und Orangenlimonade angemischt.
In den 1950ern sicherte sich die Brauerei Riegele die Rechte am Namen
„Spezi“, das fortan fertig vereint zu kaufen war. Riegele kämpft bis heute
regelmäßig vor Gericht um die Einhaltung ihrer Namensrechte, die Spätfolge
eines Lizenzabkommens von 1974. Ein Getränk namens Spatzi unterlag ihnen
zuletzt, Paulaner aber gewann wegen einer undeutlichen Formulierung.
Im eigenen [4][Online-Forum r/Speziverbrechen] ist der Rechtsstreit
zwischen Mio Mio und Paulaner das Top-Thema diesen Monat. Das Urteil zu den
Spezi-Kriegen fällt hier schon vor dem am Münchner Gericht: „Langsam wird's
unsympatisch“ [5][ist der beliebteste Beitrag untertitelt]. „So sehr ich
Paulaner Spezi liebe, hasse ich auch deren gottlosen Umgang mit
Konkurrenten“, kommentiert das ein User.
Fest steht: Auf die Frage „Bringst du mir vom Späti eine Spezi mit?“ muss
auch in Zukunft vorsichtig nachgefragt werden, welche. Denn einem
Paulaner-Spezi-Ultra darf beileibe kein MezzoMix angeboten werden, wie
einer Coca-Cola-Trinkerin keine Pepsi.
5 Aug 2025
## LINKS
[1] https://www.lto.de/recht/kanzleien-unternehmen/k/spezi-paulaner-berentzen-d…
[2] /Buergermeisterwahl-in-New-York/!6098697
[3] /Orgien-in-grellem-Orange/!518768/
[4] https://www.reddit.com/r/PaulanerSpezi/
[5] https://www.reddit.com/r/SpeziVerbrechenDE/comments/1luo6wo/der_krieg_geht_…
## AUTOREN
Donata Künßberg
## TAGS
Getränke
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Brauerei
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Design
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